Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Blütendach aus der Schweiz für ein niederländisches Casino

Diesen Sommer öffnete das neue Spielcasino in der niederländischen Stadt Venlo. Mit organischer Architektur und einer in allen Farbtönen schillernden Fassade stellen die Architekten einen direkten Bezug zum Blumenland Holland her. Erst auf den zweiten Blick erkennt man das freigeformte Holztragwerk, hinter dem Schweizer Know-how steht.

Casino Venlo, 2019–2020
Das Casino Venlo ist ein sehr hochwertiges Freiform-Projekt, auch wenn man es ihm nicht sogleich ansieht. Die scheinbar leichte Blütenkrone lässt nicht erahnen, welch komplexe Tragstruktur nötig ist, um sie in Position zu halten. Das Innenraumkonzept für das Casino wurde zusammen mit dem Innenarchitekturbüro Gensler aus Las Vegas entwickelt.
Bilder Laurens Eggen/MVSA architects (oben) | Barwerd van der Plas (unten)

 

Der Entwurf von MVSA Architects (Amsterdam) für die Bauherrschaft Holland Casino spielt mit dem Blütenmotiv und legt für das Casino Venlo vier organisch geformte Geschossebenen wie die Blätter einer Blütenkrone übereinander. Unterstützt wird der florale Charakter durch eine farbenprächtige Fassade, die zu jeder Tageszeit ein anderes Farbenspiel zeigt.

Die Fassade besteht aus einem Gitter aus runden Glasscheiben, das mit kleineren Metallelementen durchsetzt ist. Diese sind zweifarbig beschichtet, so dass ihre Farbigkeit je nach Blickwinkel changiert. Im Dunkeln wird die Fassade von integrierten LED beleuchtet. Die Szenensteuerung ist frei programmierbar und taucht die bunt erleuchtete Fassade weithin sichtbar in ein spektakuläres Licht.


Freiform-Tragwerk aus natürlichem Baustoff

Im Inneren werden fliessende organische Formen durch ein fein abgestimmtes Lichtkonzept in Szene gesetzt. Das Blumenmotiv findet sich auch im Mittelpunkt des Atriums. Ein stilisierter Blütenstengel verzweigt sich hier zu einem kunstvoll geschwungenen Dachtragwerk, das kunstvoll in das Innenraumkonzept integriert ist. Um die 3,20 m starke, massive Holzsäule herum formen Fichtenbögen eine schwerelos anmutende, florale Skulptur, die mit Lichtbändern inszeniert wird.

Nachhaltigkeit war sowohl für die Architekten als auch für die Stadt Venlo wichtig. So war es naheliegend, dass die Konstruktion mit dem natürlichen, nachwachsenden Werkstoff Holz umgesetzt werden sollte. Die Architekten holten sich schon in der Vorplanungsphase die Freiform-Spezialisten von Blumer-Lehmann aus dem st. gallischen Gossau ins Boot, um die Machbarkeit ihres floralen Tragwerksentwurfs zu untersuchen und seine Umsetzbarkeit zu prüfen. Tragwerksingenieure von SJB Kempter Fitze und digitale Modellierungsprofis von Design-to-Production ergänzten das Projektteam.


Vierlagiges Knotensystem ausgetüftelt

Bei dem Projekt handelt es sich um ein Gebäude mit beachtlichen Ausmassen. Über einer Grundfläche von 9500 m2 erreicht das schräg geneigte Blütendach in seiner maximalen Ausdehnung eine Fläche von 55 x 45 m. Das kunstvoll geschwungene Baum-Tragwerk mit seinen seitlich gekrümmten und verdrehten ‹Ästen› aus rund 300 Freiform-Elementen hat eine Konstruktionshöhe von 1,20 m. Die Dachbalken sind bis zu 17 m lang.

Die Machbarkeitsprüfung durch das Expertenteam betraf sowohl die wirtschaftliche Umsetzung der Biegeradien als auch die geometrische Ausrichtung der Bauteile. Für die Holzverbindungen wurde ein vierlagiges Knotensystem entwickelt, mit vier Brettschichtholzlagen in jeder Richtung. Für dieses System baubare und montierbare Lösungen zu finden, gehörte zu den grösseren Herausforderungen der Projektentwicklung. 


Kein Teil gleich wie das andere

Die Elemente für die Tragkonstruktion wurden in der Schweiz vorgefertigt. Für die gesamte Konstruktion wurden letztlich mehr als 500 m3 Fichtenholz verbaut; 2700 Balken und 230 gebogene Rohlinge mit einem Radius von 5–20 m wurden gefräst. Gerade Zuschnitte gab es nur 24 Stück.

Alle Bauteile waren Unikate, was die Planung entsprechend aufwendig machte. Auch die 48 Holzrahmen-Elemente für die Aussenwand wurden im Werk von Blumer Lehmann vorgefertigt. Die im Grundriss runden Wandelemente waren 2–6 m hoch; auch hier gab es keine zwei gleichen Elemente.


Links https://mvsa-architects.com | https://sjb.ch | www.designtoproduction.com | www.blumer-lehmann.ch | www.gensler.com