Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Aktuelle Auslegeordnung zu Holzverbindungen

Die Wirtschaftlichkeit von Holzkonstruktionen ist wesentlich durch deren Verbindungen beeinflusst. Damit eine Bauaufgabe in Holz realisiert wird, ist oft die richtige Wahl der Verbindung entscheidend. Verbindungen sind aber auch wesentliche Elemente der Gestaltung. Sie müssen nicht nur richtig bemessen sein, sondern auch formale Anforderungen erfüllen, sollen nach den Regeln der Kunst gestaltet sein. Zu Entwurf und Bemessung von Anschlüssen und Verbindungsmitteln im Holzbau informierte der Holzbautag am 5. Mai an der Berner Fachhochschule in Biel.

 

Ingenieurkunstwerk in Lothringen

 

Das Centre Pompidou im französischen Metz (Bauzeit 2008–2010) ist eine faszinierende Architektur und und ein eigentliches Ingenieurkunstwerk. Ein riesiges Netzwerk aus Holz bildet die markante Dachkonstruktion. Sie besteht aus 16000 Einzelteilen und 18 km Brettern.

 

Architektur: Shigeru Ban, Tokio/Paris; Jean de Gastines, Paris

Statik: Ove Arup London und Terrell, Boulogne-Billancourt (F)

Geometrieanalyse Holzdach: designtoproduction, Erlenbach/Zürich

Tragwerksplanung Holzdach: SJB Kempter Fitze, Herisau, Beratung

Holzdach: Création Holz, Hermann Blumer, Herisau

Holzkonstruktion: Holzbau Amann, Weilheim-Bannholz (D)

 

Bild Centre Pompidou, Metz

 


Am Holzbautag an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau (BFH-AHB) in Biel war förmlich eine Auslegeordnung zum aktuellen Stand der Anschlüsse und Verbindungsmittel im Ingenieurholzbau zu erleben. Unter der Tagungsleitung von Hanspeter Kolb (Forschungseinheit Holz- und Verbundbau der AHB) wurden die Grundlagen für konzeptionelles und brandsicheres Konstruieren dargelegt.

 

Zudem aufgezeigt wurden grundlegend wichtige Themen zu Anschlüssen und Verbindungen, nämlich Holz-Stahl-Klebeverbindungen, eingeklebte profilierte Stahlstäbe sowie die Schnittstellen, Anschlüsse und Verankerungen bei Holzkonstruktionen. Thema war auch die bevorstehende Revision der Norm SIA 265 Holzbau und deren Umsetzung in die Praxis.

 

Sicher konstruieren mit Konzept

 

Für Regelaufgaben und das übliche Tagesgeschäft stehen im Holzbau noch kaum typisierte Verbindungen entsprechend z.B. dem Stahlbau zur Verfügung. Dies sagte Andreas Müller, Dozent für Holzbau und Baukonstruktion an der AHB Biel. Er betonte gleichzeitig die Tatsache, dass im Holzbau jeder Querschnitt individuell optimierbar ist, was für manche Bauaufgaben ein Vorteil ist. Dennoch dürften gemäss Müller die in nächster Zeit erscheinenden Holzbautabellen 2 der Lignum einen Schritt in die richtige Richtung tun, nämlich vermehrt zu standardisierten Querschnitten.

 

Das Brandverhalten von Verbindungen und Verbindungsmitteln wird durch mehrere Parameter beeinflusst und ist entsprechend komplex zu erfassen und modellieren. Andrea Frangi, Professor am Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich, zeigte auf, wie durch konstruktive Massnahmen, so durch das Einhalten von Mindestanforderungen der Bauteile, durch vergrösserte Abmessungen der Bauteile und der Rand- und Endabstände der Verbindungsmittel das Verhalten unter Brandlast positiv zu beeinflussen ist. Dazu führen auch Beplankungen und Verkleidungen von Metallverbindungen mit Holz, Holzwerkstoffen oder mit mineralisch gebundenen Werkstoffen.

 

Allgemeine Regel sei, so Frangi, dass innen liegende Stahlbleche ein sichereres Brandverhalten aufwiesen als aussen liegende Stahlteile, die direkt der Brandwirkung ausgesetzt seien. Einheitliche Bemessungsverfahren für den Brandfall stehen noch aus, doch wird die neue SIA/Lignum-Dokumentation zum Brandschutz (Feuerwiderstandsbemessung – Bauteile und Verbindungen) für im Holzbau typische Verbindungen vereinfachte Bemessungsmethoden aufzeigen.

 

Ingenieurholzbau: Anschlüsse und Verbindungen

 

Nebst den weitgespannten Holztragwerken für Hallen oder Brücken rücken mehrgeschossige und grossvolumige Bauwerke, Bauten von bis zu acht und mehr Stockwerken, zunehmend in den Fokus der Ingenieure. Bei grösseren Gebäuden wird die räumliche Tragwirkung in Anspruch genommen. Das heisst, die ausreichende Tragfähigkeit von Verbindungen ist nicht mehr alleiniges Kriterium, sondern die ausreichende Steifigkeit der räumlichen Tragstruktur als Ganzes.

 

Andrea Bernasconi, Dozent für Holzbau an der HEIG-VD in Yverdon, zeigte anhand von Beispielen auf, mit welchen Vorgehensweisen Erfahrungen zu grossen mehrgeschossigen Tragsystemen erfolgreich zu sammeln sind. Deren Analyse und praktische Umsetzung dürften den Bereich der mehrgeschossigen und anspruchsvollen Tragwerke im Hochbau rasch auch für die Holzbauweise erschliessen.

 

Mit detailreichen Erläuterungen zu Klebeverbindungen zwischen Holz und Stahl warteten Leander Barthon, Professor an der Hochschule Rhein-Main, Wiesbaden (D), und Robert Widmann von der Holzabteilung der Empa Dübendorf auf. Die Holz-Metall-Klebetechnologie ist neueren Datums. Das Potential der Anwendungsbereiche wird als weitreichend bezeichnet. Mit eingeklebten Metallteilen – Streckmetallen, Rohrhülsen, Stahlstäben oder Lochblechen – wurden bereits Bauwerke erstellt, und die Technologie dürfte neue Märkte für den Ingenieurholzbau erschliessen.

 

Als besonders leistungsfähig sind die Verbindungen mit eingeklebten profilierten Stahlstäben bekannt. Deren korrekte Bemessung, die Wahl der Komponenten und die sorgfältige Herstellung führen erst zur vollen Leistung. Um mit diesen anspruchsvollen Verbindungen erfolgreich zu sein, empfiehlt es sich, auf bewährte und durch Versuche gut abgesicherte Systemlösungen zurückzugreifen.

 

Norm SIA 265 Holzbau in Revision

 

Die Entwicklungsschritte im Holzbau sind gross. Das in der Norm SIA 265 im Jahr 2003 verarbeitete Wissen ist mittlerweile etwa ein Jahrzehnt alt. Mittlerweile liegen viele neue Erkenntnisse vor, welche auch zu Anpassungen und Änderungen bei den europäischen Normen (Eurocode) DIN 1052 führten.

 

Ziel der Schweizer Norm ist eine einfache Anwendung und optimierte Bemessung. Christoph Fuhrmann, Ingenieur für Holzbau aus Schwanden bei Brienz, Robert Jockwer, IBK der ETH Zürich, und Christophe Sigrist, AHB Biel, zeigten auf, was diese Revision der Holzbaunorm für Verbindungen mit Stabdübeln, Schrauben und Nägeln bedeutet.

 

Anhand von Beispielen demonstrierten Franz Tschümperlin (SJB Kempter Fitze, Eschenbach) und Beat Lauper, Holzbauingenieur aus Luzern, was moderne Verbindungsmittel sowohl in Neubauten als auch bei Sanierungen bestehender Bauwerke vermögen. Das Centre Pompidou in Metz, entworfen von Architekt Shigeru Ban (Japan), ist zum weit herum bekannten, grossen Ingenieurholzbau mit hohem ästhetischem Anspruch geworden. Aber auch das Verstärken von Anschlüssen und Bauteilen bei bestehenden Werken (historische Brücken oder bestehende Holztragwerke neuerer Zeit) ist eine Domäne für die zeitgemässen Holzwerkstoffe und die heute bekannten mechanischen Verbindungsmittel.

 

Die bereits angesprochene teilrevidierte Neuauflage der Norm SIA 265 sollte Anfang 2012 in Kraft treten. Parallel dazu erarbeitet die Lignum neue Planungs- und Bemessungshilfen. Roland Brunner, Lignum, erläuterte den Stand der Dinge an der Arbeit für die Holzbautabellen (HBT). Die Holzbautabellen 1 sollen 2012 in erneut normenkonformer Form vorliegen und werden weiterhin Standardwerk für Ingenieure und Baupraxis sein.

 

Neu sollen die zugehörigen Produkteinformationen auf einer Internetplattform (HBT2-online) zugänglich sein. Dies erleichtert die Suche nach einem Produkt mit seinen dazugehörigen, richtigen charakteristischen Eigenschaften und ermöglicht ein ständig aktualisiertes Angebot.

 

 

Tagungsband zum Holzbautag Biel 2011

‹Anschlüsse und Verbindungsmittel im Ingenieurholzbau›

Format A4, broschiert, 178 Seiten, kapitelweise paginiert. Mit zahlreiche Tabellen, Illustrationen und Fotografien (s/w).

Verkaufspreis CHF 30.–

Zu beziehen bei der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau, 2504 Biel, Tel. 032 344 03 30, wb.ahb(at)bfh.ch.

 


Link <link mandateprojekte projekte holzbautabellen weblog>www.lignum.ch/holzbautabellen

 

 

 

 

Dieser Beitrag ist in gekürzter Form zuerst in tec 21 Nr. 21 vom 20. Mai 2011 erschienen.