Büro-Neubau von Blumer Lehmann zeigt ‹CLT curved› live

Ende März feierte das Unternehmen Blumer Lehmann das 150-Jahr-Jubiläum auf dem Erlenhof in Gossau. Das ‹Stammhaus› (unten) war pünktlich zu den Feierlichkeiten fertig. Entworfen haben den neuen Hauptsitz K&L Architekten aus St. Gallen. Herzstück ist eine frei geformte Treppe aus gebogenen Massivholzplatten (oben und Mitte). Ihre Gestaltung verbindet computerbasierte Planungsmethoden, digitale Fertigung und handwerkliche Holzbaukunst zu einer architektonischen Synthese.
Bilder Jan Thoma | Blumer Lehmann AG
Das Bürohaus bietet auf fünf Geschossen Platz für 180 Büroarbeitsplätze inklusive Veranstaltungs- und Eventräume sowie eine Cafeteria mit Terrasse im Erdgeschoss. Ein grosszügiges Foyer und die geschwungene Atriumtreppe empfangen die Besucher. Im zweiten Obergeschoss verbindet eine Passerelle den Neubau mit der benachbarten Produktionshalle. Dort sind im Obergeschoss weitere Büroflächen geplant.
Nachhaltige Arbeitsplätze für die Zukunft
Die Büroflächen erstrecken sich entlang der Aussenfassaden. Lehmwände verbessern das Raumklima und dienen als thermischer Speicher. Der eingefärbte Lehmputz kontrastiert mit den Holzoberflächen und setzt gezielt Farbakzente. Eine gute Raumakustik in den offenen Bürozonen garantieren die Holz-Akustikdecken und ein Naturteppichboden aus Wolle.
Auf aktive Kühlung wurde bewusst verzichtet, stattdessen kommen nachhaltige Lowtech-Lösungen zum Einsatz. Warme Luft entweicht über das Atrium, automatisierte Fenster auf allen Geschossen sorgen für Frischluft und eine automatische Nachtauskühlung – am Tag können alle Büroflächen individuell und manuell natürlich gelüftet werden. Durch die umlaufenden Balkone liegen alle Fenster im Schatten.
Holz-Skelettbau mit neuer Verbundtechnik
Das Bürogebäude ist als konventioneller Holzskelettbau über mehrere Geschosse organisiert und mit einem Betonkern ausgesteift. Um den vertikalen Erschliessungskern mit Treppenhaus, Nasszellen und Aufzug herum: alles Holz. Die sichtbaren Holzbauteile stammen aus dem eigenen Sägewerk, andere wurden von externen Produzenten zu Halbfertig- und Fertigprodukten verarbeitet.
Für die Geschossdecken fand das Projektteam eine besondere Lösung: Der Holz-Beton-Holz-Verbund spart Beton und kommt ohne Verklebung der Komponenten aus. Für die schubfeste Verbindung zwischen den Brettschichtholzrippen der Geschossdecken und den darauf liegenden Brettsperrholzplatten wurden Aussparungen in Platte und Balken gefräst, die erst nach der Montage mit Beton ausgegossen wurden.
Freiformtreppe aus gekrümmten Holzsegmenten
Herzstück des Baus ist das Atrium mit einer spektakulären Treppe, die alle fünf Stockwerke des Gebäudes durchdringt. Sie ist vertikale Erschliessungszone und identitätsstiftender Kommunikationsraum zugleich. Im Kontrast zur strengen Rasterstruktur des Gebäudes entfalten die gebogenen Flächen des Atriums überraschende räumliche Qualitäten. Sie ermöglichen Ein- und Ausblicke, bilden Sitznischen aus und Balkone, die das Atrium mit den umliegenden Geschossebenen zusammenbringen.
Nach aussen hin formen die gekrümmten Holzsegmente konvexe, nahezu textil anmutende Wandflächen. Zum zentralen Luftraum hin artikuliert die präzise Verschneidung der gekrümmten Elemente eine Abfolge geschwungener Grate, die sich vertikal durch die Geschosse ziehen und im einfallenden Tageslicht als plastisches Relief hervortreten. Für Tageslicht sorgt ein rundes Oberlicht über dem Atrium.
Innovatives Flächentragwerk mit ‹CLT curved›
Während K&L Architekten die architektonische Gestaltung und Planung des gesamten Stammhaus-Projektes erarbeiteten, entwickelte das Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung der Universität Stuttgart ICD in Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft, dem Planungsteam von Blumer Lehmann und den Architekten die Gestaltung der gekrümmten und geneigten Flächen des Atriums und der Treppe. Die gekrümmten Wandelemente aus kreuzweise verleimten, gebogenen Massivholzplatten übernehmen auch eine tragende Funktion.
Die Umfassungswände des Atriums haben einen Radius von 3 m. Dank ihrer Krümmung erreicht die Struktur eine aussergewöhnliche Steifigkeit, die einen Wandaufbau von maximal 130 mm ermöglicht. Die tragende innere Wange der Treppenskulptur ist sogar nur 9 cm dick. Trotz dieser geringen Materialstärke gewährleistet die Struktur die Lastabtragung über fünf Geschosse hinweg und trägt sowohl die Treppenanlage als auch die angrenzenden Geschossdecken und die darüber liegende Dachstruktur.
Computerbasierte Planung macht's möglich
Die präzise Balance der konstruktiven, statischen und fertigungstechnischen Aspekte stellte eine besondere Herausforderung dar. Unterstützt durch das Ingenieursteam von SJB Kempter Fitze, entwarf das Planungsteam die Elemente für die automatisierte Fertigung in einem Computermodell. Die computerbasierten Entwurfsmethoden ermöglichten es, die Komplexität der Struktur präzise zu steuern.
Nach den Planungsvorgaben wurden die gekrümmten Bauteile aus ‹CLTcurved› von Blumer Lehmann gefertigt. Die Geometrie der Bauteile und deren Verbindungen mit ihren vielen tausend Vorbohrungen in unterschiedlichen Winkeln waren höchst anspruchsvoll. Bei der Montage bewährte sich der hohe Aufwand für die präzise Fertigung: Alle unterschiedlich geneigten Fugen der gebogenen Platten passten exakt zusammen.
Links www.blumer-lehmann.com | www.icd.uni-stuttgart.de