Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Bundesbern steht seit diesem Herbst unter Strom

Die Herbstsession der eidgenössischen Räte hatte es in sich. Selten wurden so viele wichtige energiepolitische Entscheide gefällt. Erdrutschartig geht es beim Ausbau der Erneuerbaren nach langer Blockade vorwärts. Die Vertreter erneuerbarer Energien zeigen sich zuversichtlich. Zugleich treten Kritiker auf den Plan, welche die Rechtmässigkeit der Parlamentsbeschlüsse in Zweifel ziehen. Die Stromversorgung im nächsten Winter sollte ausreichen. Das zeigt eine Studie des Bundes.

Axpo hat zusammen mit IWB an der Staumauer des Muttsees in der Gemeinde Glarus Süd die grösste alpine Solaranlage der Schweiz auf 2500 m ü. M. realisiert. Die Anlage nimmt mit ihren annähernd 5000 Solarmodulen insgesamt eine Fläche von 10000 m2 ein. Seit Ende August ist sie vollständig in Betrieb. Das Pionierprojekt produziert pro Jahr 3,3 GWh Strom – die Hälfte davon im Winter.
Bild Axpo

 

Update 2.11.2022 | Dass neu alpine Fotovoltaik-Freiflächenanlagen mit hoher Winterstromproduktion bis zu einer Energiemenge von 2 TWh zugebaut werden können, freut die Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz aee suisse. Auch dass die Grimsel-Staumauer nun rasch erhöht werden kann, ist aus Sicht der aee suisse überfällig. Allein mit dieser Massnahme werde die Speicherung von zusätzlichen rund 240 GWh Energie möglich.

Für zentral hält die aee suisse auch die dringliche Parlamentarische Initiative der nationalrätlichen Umweltkommission zur beschleunigten Realisierung von fortgeschrittenen Windparkprojekten. Die ständerätliche Schwesterkommission hat letzte Woche einstimmig beschlossen, diese Initiative zu unterstützen. Sie betont indessen, dass bei der Ausarbeitung des Erlassentwurfs die Vereinbarkeit der neuen gesetzlichen Bestimmungen mit der Schweizer Rechtsordnung sorgfältig geprüft werden müsse.


Applaus für ambitionierte Ausbauziele

Positiv äussert sich nach der Session auch der Fachverband Swissolar. Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien setze endlich ambitionierte Ausbauziele und schaffe die dafür notwendigen Rahmenbedingungen. Neu sollen bis zum Jahr 2035 die erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft 35 TWh liefern und 45 TW bis 2050. 

Erfreut zeigt sich Swissolar insbesondere über die vom Parlament verabschiedeten Rahmenbedingungen zum Bau von alpinen Fotovoltaik-Grossanlagen. Nur bedingt zufrieden ist der Fachverband indessen mit der Solarpflicht bei Neubauten, die ausschliesslich auf neuen Gebäuden mit einer Grundfläche von über 300 m2 auf Dächern oder Fassaden gilt und lediglich in Kantonen, die nicht bereits eine Eigenstrompflicht kennen.


Rückenwind für Windenergie

Auf gutem Weg scheint mit den bisherigen Signalen aus Bern auch die Windenergie. Da zwei Drittel des Windstroms in den Wintermonaten produziert werden, ist diese Energieform ein guter Partner für Wasserkraft und Sonnenenergie. Zunächst sollen gemäss Windenergiekonzept 2030 des Fachverbands Suisse Eole die bereits geplanten Projekte mit einer Gesamtleistung von 2 TWh jährlich umgesetzt werden, die wegen Einsprachen und Rekursen blockiert sind. Etwa 300 Windenergieanlagen sind in Planung oder warten auf Bestätigung durch einen Gerichtsentscheid.

Eine zweite Tranche des Windenergieplans 2030 beruht darauf, jährlich 2 TWh mit Einzelwindrädern zu erzeugen, die von Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen eines partizipativen Ansatzes initiiert werden. Auf diese Weise können die Akteure die Kontrolle über die Produktion von Strom auf ihrem eigenen Gebiet behalten. In einem dritten Schritt sollen jährlich 2 TWh auf Flächen mit grossen Infrastrukturen erzeugt werden, etwa im Gebiet von Autobahnen, Rangierbahnhöfen, Militärzonen, Sandgruben, Deponien sowie Industriegebieten oder bebaubaren Industriebrachen.


Widerspruch im Wallis und aus Solothurn

Doch die Schweiz wäre nicht die Schweiz, wenn sich angesichts der überraschend schnellen Verflüssigung in der Energiepolitik nicht auch umgehend Widerstand formieren würde. So tritt im Wallis die neugegründete IG Saflischtal unter dem Schlachtruf ‹Inschä Bärg ischt nit zum verchöife!› gegen das Solar-Grossprojekt Grengiols an. Die Interessengemeinschaft zeigt sich überzeugt, dass das dringliche Bundesgesetz vom 30. September für den sofortigen Bau von ‹Grengiols Solar› verfassungswidrig sei.

Die Walliser Rufer gegen ‹Grengiols› sind nicht allein. Beim Bundesgericht ist auch eine Stimmrechtsbeschwerde gegen die Änderung des Energiegesetzes hängig, die zwei Dutzend Stimmbürger aus dem Kanton Solothurn als Privatpersonen eingereicht haben. Auch sie sind überzeugt: Der Beschluss des Parlaments verletzt die Bundesverfassung in verschiedener Hinsicht. Vor allem aber werde zu Unrecht das obligatorische Referendum über das Gesetz unterdrückt.


Umweltverträglichkeitsprüfung als Fundament

Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenvereinn fordert trotz Zeitdruck ein differenziertes Vorgehen bei der Produktion von Wasser-, Solar- und Windenergie, um zum einen möglichst rasch den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben und zum anderen die Interessenabwägung zwischen Stromgewinnung und Umweltschutz zu gewährleisten. Die Umweltverträglichkeitsprüfung stelle diese Interessenabwägung sicher. Der Einbezug aller Expertenorganisationen in diesen frühen Projektierungsschritt sei zentral, so der SIA.

Es ist sicher ein Gebot der politischen Klugheit, an diesem Instrument festzuhalten. Am Ende ist der SIA aber in seinen Aussagen klar: ‹Die Nutzung und der Ausbau erneuerbarer Energien liegen in nationalem Interesse und geniessen dieselbe Priorität wie die Biodiversität und der Landschaftsschutz. So soll nach erfolgter Interessenabwägung und positiver Prüfung der Umweltverträglichkeit der weitere Bewilligungsprozess mit möglichst wenigen beschwerderechtlichen Hürden eingeschränkt werden.›


Stromversorgung im nächsten Winter weitgehend gesichert

Die Stromversorgung der Schweiz im Winter 2022/23 ist nicht gravierend gefährdet, dennoch können Versorgungsengpässe auftreten. Das ist das Fazit einer Studie, die der Bundesrat an seiner Sitzung vom 2. November zur Kenntnis genommen hat. Sie wurde im Auftrag des Bundesamts für Energie und in Begleitung der Elektrizitätskommission (ElCom) und des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung erstellt.

Die Studie untersuchte und simulierte verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Verfügbarkeiten von Gas und Kernkraftwerken. Es wurden auch Kombinationen von meteorologischen Bedingungen und Kraftwerksausfällen durchgespielt und die Wahrscheinlichkeit von Engpässen berechnet. Aus den Resultaten geht hervor, dass mit den vom Bundesrat eingeleiteten Massnahmen der Energieverbrauch in den wahrscheinlichsten Szenarien gedeckt werden kann.


Links https://aeesuisse.ch | www.swissolar.ch| https://suisse-eole.ch | www.sia.ch | www.bfe.admin.ch