Bundeswaldgesetz-Entwurf sorgt für rote Köpfe in Deutschland
Rund um die Erneuerung des deutschen Bundeswaldgesetzes gibt es wohl noch einiges zu tun.
Bild AGDW
Vor zwei Wochen ist im Internet ein heisses Eisen aufgetaucht: der Referentenentwurf zum neuen deutschen Bundeswaldgesetz mit Stand vom 10. November 2023. Veröffentlicht hat das Dokument die deutsche Website forstpraxis.de. Der Forstwissenschaftler Heinrich Höllerl hat sich mit dem Inhalt des Entwurfs in seinem Online-Beitrag ‹Neues Bundeswaldgesetz: Das plant Cem Özdemir für die Waldbesitzer› am 14. November vertieft auseinandergesetzt (Links zum Beitrag und zum dort einsehbaren Gesetzesentwurf am Ende dieses Textes).
Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Waldeigentümer AGDW übt nun scharfe Kritik am inoffiziell bekanntgewordenen Entwurf für die Erneuerung des deutschen Bundeswaldgesetzes aus den beiden Ministerien für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz BMUV sowie für Ernährung und Landwirtschaft BMEL. Der Verband erkennt darin nicht mehr als ‹eine erste Diskussionsgrundlage mit vielen handwerklichen Mängeln›.
Auftrag aus dem Koalitionsvertrag
Dass eine Gesetzesrevision angesagt ist, ist an sich keine Überraschung. Auf eine Überarbeitung haben sich die Ampelparteien im Koalitionsvertrag geeinigt. Das deutsche Bundeswaldgesetz wurde 1975 beschlossen, ist also fast 50 Jahre alt und stammt aus einer Zeit, in der es den Klimawandel in der Klarheit, wie er heute zutage tritt, noch nicht gab. Die Politik sieht es daher als dringend an, das alte Waldgesetz mit Blick auf diese und weitere Herausforderungen zu modernisieren.
Dabei gilt es natürlich verschiedenste Interessen unter einen Hut zu bringen und auszutarieren. ‹Ziel ist, einen modernen Rahmen zu schaffen, der den Wald schützt, Verbesserungen für den Klimaschutz und die Biodiversität bringt und gleichzeitig den Waldbesitzenden eine wirtschaftliche Perspektive bietet›, erklärt das BMEL auf Anfrage.
‹Es geht darum: Nutzen und schützen, was uns schützt – und gleichzeitig diejenigen unterstützen, die den Wald fit machen für die Zukunft. Deshalb schaffen wir die Grundlage dafür, dass die Leistungen der Wälder auch finanziell unterstützt werden können›, so ein BMEL-Sprecher auf Anfrage.
Kein Kommentar zum geleakten Dokument
Ob das nun an dem im Internet aufgetauchten Dokument auch so auch ablesbar ist, ist die Frage. Nur: Ist das, was forstpraxis.de veröffentlicht hat, auch wirklich authentisch? Auf Anfrage zeigt Höllerl sich von der Echtheit des von ihm analysierten Entwurfs-Dokumentes überzeugt. Dieses sei als Diskussionsgrundlage an die Koalitionsparteien und auch an die Verbände gegangen.
Die BMEL-Pressestelle hält gegenüber der Redaktion des Lignum Journals indessen fest, dass die Verbände wie auch die Bundesländer noch nicht gehört worden seien. ‹Wir stimmen uns zur Novellierung des BWaldG derzeit innerhalb der Bundesregierung ab – das Verfahren ist kürzlich eingeleitet worden›, so ein Sprecher des BMEL. Auf die Frage nach der Echtheit des Dokuments und seiner politischen Verbindlichkeit hält sich das BMEL bedeckt, bezeichnet das Publizierte aber auch nicht als Fälschung oder nichtig.
Nur soviel lässt sich die Pressestelle entlocken: Arbeitsfassungen und Zwischenstände würden grundsätzlich nicht kommentiert. Das lässt darauf schliessen, dass es sich beim aufgetauchten Dokument wohl tatsächlich um eine Rohfassung des Gesetzestextes handelt. Der Forstwissenschaftler Höllerl selber ist sich der Relevanz des Dokuments sicher: ‹Es besteht kein Zweifel, dass es sich hier um den abgestimmten Entwurf aus dem BMEL und dem BMUV handelt. Deswegen darf und soll man sich auch damit auseinandersetzen.›
Empörung bei den Waldeigentümern
Höllerls Ziel war, die wichtigsten Neuerungen objektiv und sachlich vorzustellen, bevor hitzige Diskussionen entstehen. Genau die sind aber mittlerweile losgebrochen. Kein Wunder: ‹Eine Änderung des Bundeswaldgesetzes ist schon lange angekündigt und von manchen mit Sorge erwartet worden. Ein Vorschlag der Naturschutzverbände hat in der Forstbranche vor kurzem für grosses Kopfschütteln, teilweise Entsetzen gesorgt›, erläutert Höllerl.
Besonders prononciert äussert sich nun die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Waldeigentümer AGDW. Der Verband vertritt die Interessen des Privat-, Kommunal- und Körperschaftswaldes. ‹Unsere Mitglieder lehnen den Entwurf in Gänze ab›, gibt Andreas Bitter, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Waldeigentümer AGDW, zu Protokoll. Kein Verständnis haben die privaten Waldbesitzer in Deutschland vor allem dafür, dass die Holzproduktion im Entwurf als nachrangig betrachtet wird.
‹Dies wird der Rolle von Wald und Holz als oft einziger Erlösquelle der Forstbetriebe und als Wirtschaftsfaktor mit einer Wertschöpfung von fast sechzig Milliarden Euro gerade im ländlichen Raum nicht gerecht›, sagt Bitter. Tatsächlich, so Höllerl, ist in der ausführlichen Zweckbestimmung des Gesetzes zuerst vom Ökosystem Wald und vom Walderhalt die Rede, bevor erst im zweiten Satz die Waldbewirtschaftung und die Versorgung der Gesellschaft mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz adressiert wird.
Kopfschütteln über Vorschriften
Die Waldeigentümer gehen in ihrer Stellungnahme aber auch mehr ins Detail. Die strikte Beschränkung der Baumartenwahl auf ‹weit überwiegend heimische Baumarten› zum Beispiel widerspricht aus Sicht des AGDW-Präsidenten den Herausforderungen durch den Klimawandel und den dadurch veränderten Standortbedingungen. Auch andernorts zeichne sich der Entwurf an vielen Stellen durch ‹grosse Praxisferne› aus, etwa bei der Beschränkung der Feinerschliessung auf 40 m Rückegassenabstand.
Ab 100 ha Waldfläche in Deutschland solle zum Beispiel auch ein Waldmanagementplan vorgelegt werden, der dann behördlich genehmigt werden müsse – wobei die Behörde Änderungen einfordern könne. ‹Das ist nicht nur ein bürokratischer Aufwand›, erklärt Bitter: ‹In der Gesamtschau scheint es so, als solle der Waldbesitzer seine Waldbewirtschaftung unter Missachtung der Vielfalt der Ökosystemleistungen allein auf ökologische Kriterien ausrichten.›
Vorwurf der Misstrauenskultur
Das Malaise sitzt aber tiefer. ‹Besonders empört sind unsere Mitglieder darüber, dass ihrem Handeln mit Misstrauen begegnet wird›, sagt Bitter. Im Entwurf fänden sich erstmalig in einem Bundeswaldgesetz Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten, die mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe und der ‹Einziehung› von Tatmitteln selbst bei fahrlässiger Ordnungswidrigkeit bedroht seien.
Diese Art der ‹behördlichen Gängelung der privaten Waldbesitzer› sei nicht akzeptabel, so Bitter. Er prophezeit einen ebenso ‹nachhaltigen Protest› der privaten Waldeigentümer gegen das Bundeswaldgesetz wie beim umstrittenen Gebäudeenergiegesetz: ‹Sollte der Entwurf des Bundeswaldgesetzes in dieser Form weiterverfolgt werden, wird es erneut zu mindestens so grossen Protesten im ländlichen Raum kommen.›
Links Beitrag forstpraxis.de mit BWaldG-Entwurf | www.waldeigentuemer.de | www.bmel.de