Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Die Gebäudehülle – Schnittstelle zwischen Aussen und Innen

Das wohl prägendste Bauteil jedes Gebäudes ist die Fassade. Sie formt einen Bau zum architektonischen Ganzen, hat gleichzeitig vielfältigen Anforderungen zu genügen und eine ganze Reihe von Leistungen zu erbringen. Der Fortbildungskurs 2023 von Swiss Wood Innnovation S-WIN vom 24./25. Oktober in Weinfelden widmete sich mit Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen des Baustoffs Holz ganz diesem Thema.

15 Referate in vier Themenbereichen waren in Weinfelden zu hören und zu sehen: Stadt- und Raumklima, Technik und Baukonstruktion, Integration der Gebäudetechnik und letztlich die zu erwartenden Tendenzen und Entwicklungen waren die Grundthemen. Ein Publikum von rund 140 Fachleuten folgte den Ausführungen, die sich im elektronisch erhältlichen Tagungsband nachlesen lassen.
Ins Bild klicken, um den Tagungsband 2023 herunterzuladen (PDF, 13.2 MB)

 

Im Zusammenhang mit Holz im Aussenbereich wird Gestalten besonders anspruchsvoll, weil zwar eine breite Auswahl an Ausführungsmöglichkeiten in Bezug auf Material, Form, Struktur und Farbe zur Verfügung steht, gleichzeitig aber Holz aufgrund seiner natürlichen Eigenschaften Grenzen setzt, welche im Aussenbereich nicht überschritten werden sollen, so Hanspeter Kolb (Holzbauexperten Biel). Bei grossvolumigen, hohen Bauten ist die Herausforderung besonders hoch, da hier die Einflüsse aus der Witterung – etwa der Winddruck – stärker werden und die klassische Schutzmassnahme ‹grosses Vordach› nicht mehr ausreicht.

Für Holzfassaden stehen die unterschiedlichsten Möglichkeiten offen, das ging  aus den Aussagen und bebilderten Beispielen klar hervor: Plattenförmige Holzwerkstoffe, in dieser Form meist mit behandelten Oberflächen, mit Brettschalungen oder durch Schindeln strukturierte Fassaden, Tragwerke aus Holz, die hinter einer schützenden Glasschicht sichtbar bleiben, und selbst aus Weiden geflochtene Fassadenverkleidungen und mit Strohplatten konstruierte Aussenwände gehören zu den eher gewagten, aber doch machbaren Lösungen für Gebäudehüllen.

Wesentlich ist und bleibt bei den Konstruktionen von Gebäudehüllen mit Holz die korrekte Planung und sorgfältige Ausführung und vor allem das Reduzieren der Befeuchtung ganz allgemein und das Vermeiden von Holzbauteilen, die langdauernd stehendem Wasser ausgesetzt sind. 


Grün und solar

Als neuer Trend liegen Begrünungen auch von Fassaden im Fokus der Architektur. Die Pflanzen benötigen allerdings einen genügend grossen Wurzelraum, schützende und den Wuchs unterstützende Installationen, beispielsweise Holzgitter, und auch ein effizientes Bewässerungssystem. Ob bodengebundene oder wandgebundene Begrünung wie auch Mischformen: Die Pflanzen sind entsprechen ihren Eigenschaften auszusuchen, und der Pflegeaufwand darf nicht unterschätzt werden. 

Fotovoltaische Anlagen (PV) lassen sich bei geschickter Planung und sorgfältiger Ausführung sowie entsprechendem Unterhalt mit Erfolg integrieren. Durch eine Kombination von PV und Begrünung an der Fassade lassen sich die Vorteile beider Systeme miteinander vereinen. Qualitative und quantitative Analysen haben gezeigt, dass sich die Systeme dabei in der Regel nicht konkurrenzieren: Fassadenbegrünungen erzielen nahe am Menschen angeordnet den grössten Effekt, in den meisten Fällen sind das die unteren Bereiche/Geschosse des Gebäudes.

PV-Module sollten hingegen an Fassadenflächen mit hohem Stromerzeugungspotential angeordnet werden, also an Süd-, Ost- und Westfassaden ohne Verschattung. Dies betrifft in der Regel vor allem die oberen Geschosse eines Gebäudes, denn in städtischen Gebieten sind die unteren Geschosse zumeist durch Nachbargebäude verschattet. Die Betrachtung kombinierter Szenarien hat zudem gezeigt, dass eine gezielte Kombination von Begrünungen und PV an der Fassade ebenso mit Blick auf die Ökobilanz von Vorteil ist. An der Berner Fachhochschule laufen Untersuchungen zum Brandverhalten begrünter Fassaden.


Brennbare (Bau-)Stoffe an der Fassade 

In der Schweiz liegen aktuell umfassende Brandschutz-Kenntnisse für Bekleidungssysteme der Aussenwand aus Holz und verputzte Aussenwärmedämmungen vor. Für diese Konstruktionsweisen gibt es entsprechende durch die VKF anerkannte Stand-der-Technik-Papiere. Einzelne konstruktive Brandschutzmassnahmen aus diesen beiden Systemen können auch bei anderen Materialien die Brandsicherheit verbessern – zum Beispiel eine horizontale Schürze mit einer Wärmebeständigkeit über 1000°C bei jedem Geschoss.

Die durchgeführten Versuche zeigten eindeutig, dass die Brennbarkeit (Entflammbarkeit) als Baustoffeigenschaft einer Holz-Aussenwandbekleidung nicht das massgebende Kriterium bezüglich des Brandverhaltens von Holz an der Aussenwand ist. Der grösste Einfluss bezüglich einer möglichen Brandweiterleitung an der Aussenwand resultiert aus der Konstruktion ihrer Bekleidung.

Interessant werden Fragestellungen, wenn mehrere, unterschiedliche brennbare Fassadenmaterialien mit- oder nebeneinander an einer Fassade montiert werden. Es ist vorstellbar, dass vor eine Holz-Aussenwandbekleidung eine Fotovoltaikanlage und/oder eine Begrünung montiert wird. Wie sich solche mehrschichtige, brennbare Konstruktionselemente in der Fassade brandschutztechnisch beeinflussen, wurde bis heute noch kaum untersucht oder publiziert, betonte Reinhard Wiederkehr. Für die Planung von Fotovoltaik-Fassaden liegt derzeit ein Übergangsdokument von Swissolar vor, das im Herbst 2024 durch ein verbindliches Stand-der-Technik-Papier abgelöst werden soll (Lignum Journal online vom 9.11.2023).


Fassaden als Kraftwerke

Mit dem Neubau der Produktionshalle der Firma Beer Holzbau (Ostermundigen) zeigte Heinz Beer anhand eines Praxisbeispiels die Herausforderungen für Umsetzung und Betrieb einer Fotovoltaikanlage in der Fassade auf. Nebst dem technischen Bereich der Stromproduktion umfasst die Anlage auch wesentlich gestalterische Aspekte der Architektur.

Architekt Beat Kämpfen (Kämpfen Zinke + Partner AG, Zürich), ein Pionier des solaren Bauens mit Holz, skizzierte die Entwicklung des Hausbaus in den letzten Jahrzehnten. Seit der Entwicklung des Minergie-P-Standards in der Schweiz ist klar, dass zwischen Wärmedämmung und solarer Einstrahlung ein Gleichgewicht anzustreben ist. Dieses ist labil und von zahlreichen Faktoren abhängig. So sind Wärmedämmung, Fenstergrössen, Orientierung eines Gebäudes und die Speichermasse im Innern aufeinander abzustimmen. 

Bei sorgfältiger Planung ist es seit nun zwanzig Jahren möglich, Bauten zu erstellen, die praktisch keine zugeführte Energie mehr benötigen. Eine gut wärmegedämmte Gebäudehülle und richtig plazierte Fenster führen zu einem angenehmen Raumklima. Zugleich lässt sich der Energiekonsum auf ein Minimum reduzieren. Die Fassaden der Zukunft werden dafür eine aktive Rolle zu übernehmen haben. Sie dürften sich künftig zu eigentlichen Kraftwerken entwickeln.


Link www.s-win.ch