Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Die gebaute Realität Europas ist noch längst nicht zirkulär

Die europäische Immobilienbranche ist auf den Wandel zur Kreislaufwirtschaft nicht vorbereitet, wie ihn die EU-Taxonomie vorsieht. Das zeigt eine Studie anhand realisierter Projekte, welche die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen gemeinsam mit europäischen Partnern durchgeführt hat, unter ihnen auch die Schweizer Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft SGNI.

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Untersucht wurde die Marktfähigkeit der im Rahmen der EU-Taxonomie vorgeschlagenen Circular-Economy-Kriterien anhand von 35 Neubauten und drei Sanierungen. Von den total 38 untersuchten Projekten stehen sechs in der Schweiz, ebensoviele in Österreich und acht in Deutschland. 95% der Projekte waren zertifiziert oder standen im Prozess einer Nachhaltigkeitszertifizierung. Angesichts dessen erstaunt das Ergebnis: Kein Projekt konnte als taxonomiekonform eingestuft werden.

Mehr als die Hälfte aller Neubauten erfüllte weniger als 50% der Anforderungen. Als besonders schwierig erweist sich die Wiederverwendung von Bauteilen und der Einsatz von Rezyklaten. Zudem fehlten Daten und Methoden zum zirkulären Bauen. Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Investments, das die Europäische Union im Jahr 2020 ins Leben gerufen hat, um die Transformation zum klimaneutralen Kontinent zu beschleunigen.


Scheitern am Ressourcenverbrauch

Die Studienergebnisse zeigen, dass sich der ressourcenschonende Umgang mit Baumaterialien als besonders herausfordernd erweist. So konnte kein Projekt die Vorgabe erfüllen, dass die eingesetzten Baumaterialien zu mindestens 15% wiederverwendet, zu 15% recycelt und zu 20% entweder nachwachsend, wiederverwendet oder recycelt sein müssen. Gründe waren die fehlende Verfügbarkeit entsprechender Materialien sowie von auf Kreislaufwirtschaft ausgerichteten Informationen und Daten.

Zwar schnitten die Projekte besser ab, wenn es darum ging, den zukünftigen Werterhalt ihres Gebäudes und der Baumaterialien nachzuweisen, beispielsweise durch Aufzeigen einer auf Flexibilität und Rückbaubarkeit ausgerichteten Konstruktion. Allerdings bestand auch hier eine grosse Hürde darin, geeignete Methoden und Dokumentationsvorgaben zu finden. Erfolgreich waren nur die Projekte, die parallel eine Nachhaltigkeitszertifizierung durchführten und die darin verankerten Vorgaben nutzen konnten.


Empfehlungen an die EU

Aus den Studienergebnissen leitete das Studienkonsortium konkrete Empfehlungen ab, die bereits im Oktober 2022 an die EU-Kommission übermittelt wurden. Als zentrales Instrument zur Lösung der Informations- und Datenlücke wird die Einführung eines Gebäuderessourcenpasses gesehen, der sämtliche Daten zur Kreislauffähigkeit von Materialien, aber auch Informationen zur Instandhaltung und zukünftigen Rückbaumassnahmen enthält.

Das Studienkonsortium moniert, grundsätzlich fehle in den Taxonomie-Kriterien der Anreiz dafür, Bestandsgebäude zu sanieren und sparsam mit Ressourcen umzugehen. Eine übergeordnete Empfehlung ist zudem, die Ambitionen in den Umweltzielen so anzugleichen, dass eine gleichmässige Umsetzung des Nachhaltigkeitskurses der EU sichergestellt wird. Wenn die Kriterien so blieben wie bisher, werde sich kein Branchenteilnehmer für den Wandel zur Kreislaufwirtschaft entscheiden, da die Klimaziele im Vergleich mit weniger Aufwand und Kosten verbunden seien.


Links www.dgnb.de | www.sgni.ch