Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Drei Strategien zur Förderung von Ökostrom in der Schweiz

Klimaneutralität und Atomausstieg: Die zentralen Ökostromziele der Schweiz sind ehrgeizig. Dennoch sind sie realistisch, wenn die Stromversorgung tiefgreifend und rasch umgestaltet wird, wie eine neue Studie des ‹SWEET EDGE›-Konsortiums zeigt. Es vereint Forscherinnen und Forscher der Universitäten Genf und Bern, der ETHs Lausanne und Zürich sowie weitere Partner.

Nicht nur in Freiflächen, sondern auch im Gebäudepark steckt viel Potential für Strom von der Sonne. Allein solaraktive Fassaden könnten überschlagsweise bis zu 10% des Schweizer Strombedarfs decken, ohne unbebaute Flächen zu beanspruchen. Fotovoltaik-Fassadenanlagen werden heute aber erst selten realisiert. 
Bild Swissolar/Céline Kuster

 

Das vom Schweizer Parlament am 29. September letzten Jahres bereinigte Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien – eben der Mantelerlass, gegen den letzte Woche das Referendum eingereicht worden ist (Lignum Journal online vom 22.1.2023) – soll den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen. Sein Ziel sind bis zum Jahr 2035 35 TWh pro Jahr aus grünen Technologien – Sonne, Wind, Holz und Biogas. Zum Vergleich: 2022 waren es rund 6 TWh.

Das neue Ziel entspräche etwa der Hälfte des für 2035 zu erwartenden Strombedarfs der Schweiz. Die andere Hälfte würde durch Wasserkraft und Importe gedeckt werden. Die Schweiz würde dabei ohne Kernenergie und fossile Grosskraftwerke mit Strom versorgt werden. Das Forschungskonsortium ‹SWEET EDGE› hat verschiedene Möglichkeiten analysiert, wie 35 TWh/Jahr erreicht werden können, und dafür drei Strategien erarbeitet.


Fokus auf Vielfalt ...

Die erste Strategie kombiniert neue Technologien, um Vielfalt und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Um das Ziel von 35 TWh/Jahr zu erreichen, impliziert sie einen Mix zum Beispiel aus 25 TWh/Jahr aus Fotovoltaik, 8 TWh/Jahr aus Biomasse und Abfall und 2 TWh/Jahr aus Wind. Die Strategie beinhaltet diskrete Solaranlagen an Fassaden und auf Dächern und würde von der Bevölkerung gut angenommen werden.

‹Für das Ziel von 35 TWh sind Solaranlagen bereits im ganzen Land zu finden. Nur im sonnigen Tessin und Wallis wären sie noch weiter verbreitet›, hält Evelina Trutnevyte, Ko-Koordinatorin von ‹SWEET EDGE› und Professorin für erneuerbare Energiesysteme an der Universität Genf, fest. Zudem würden Windparks benötigt.


... auf Fotovoltaik mit Batterien ...

Eine zweite Strategie setzt auf Fotovoltaikanlagen mit Speicherbatterien für den Eigenverbrauch auf privaten Dächern. Sie erfordert ein aktiveres Engagement der Bürgerinnen und Bürger, hat aber den Vorteil, dass bestimmte weniger akzeptierte Technologien vermieden würden. Beim 35-TWh-Ziel sollte die Solarenergie 31 TWh/Jahr liefern, ergänzt durch 4 TWh/Jahr aus bestehenden Biomasse- und Abfallverbrennungsanlagen.

‹Es würden Fotovoltaikanlagen in den Kantonen Bern, Zürich und der Zentralschweiz errichtet, wo die Dichte an geeigneten Gebäuden hoch ist und wir aktuell von einer unterstützenden Förderpolitik ausgehen. Graubünden und Wallis müssten viel mehr Anlagen bauen, auch auf Freiflächen›, erklärt Giovanni Sansavini, Professor für Reliability and Risk Engineering an der ETH Zürich.


... oder auf Produktivität 

Die dritte Strategie konzentriert sich auf die Optimierung der Produktion von Windkraft- und Fotovoltaik-Infrastrukturen, einschliesslich Fotovoltaik auf Dächern und Freiflächen. Sie bietet den Vorteil, dass sich die Anlagen auf die produktivsten Standorte konzentrieren und Investitionen in Biomasse- und Abfallbehandlungsanlagen vermieden würden. Um 35 TWh/Jahr zu erreichen, erfordert diese Option einen Mix aus 30 TWh/Jahr Fotovoltaik und 5 TWh/Jahr Windenergie.

‹Hier würde sich der grösste Teil der fotovoltaischen Solarenergie auf Alpengemeinden konzentrieren, insbesondere in Graubünden und im Wallis›, erläutert Michael Lehning, Ko-Koordinator von ‹SWEET EDGE› und Professor an der EPFL. ‹Diese Option würde den Winterimport am effizientesten begrenzen.›


Ohne Investieren geht es nicht

Der Investitionsbedarf liegt von heute bis 2035 zwischen CHF 0,5 und 2,1 Mia. pro Jahr, je nach Strategie und Ziel. Die dritte Strategie ‹Produktivität› wäre die günstigste (CHF 1,4 Mia./Jahr für das Ziel 35 TWh/Jahr), da sie den Bau der wenigsten Anlagen erfordert. Die erste Strategie (Vielfalt) wäre beim 35-TWh-Ziel die teuerste (CHF 1,7 Mia.), bei weniger ehrgeizigen Zielen (17 und 25 TWh/Jahr) aber die zweitgünstigste. Da die Fotovoltaik bei allen Strategien als Energiequelle vorherrscht, würde sie mindestens 80% der Kosten absorbieren.

Je nach Strategie und Ziel könnte der Aufbau der benötigten Erzeugungskapazitäten bis 2035 jährlich zwischen 18000 und 57000 Personen in Vollzeit beschäftigen. Dabei könnten 33% der Arbeitsplätze auf die Herstellung, 62% auf Bau und Installation, 4% auf Betrieb und Wartung und 1% auf die Erneuerung der Anlagen entfallen. Die Fotovoltaik mit Batterien würde die meisten Arbeitsplätze schaffen; beim 35-TWh-Ziel wären es 50000 in Vollzeit.


Link Trutnevyte, Evelina et al: Renewable Energy Outlook for Switzerland, 2024. doi: 10.13097/archive-ouverte/unige:172640