Lignum Holzwirtschaft Schweiz

‹Eine Million Kubikmeter Holz mehr aus dem Schweizer Wald›

Die Lignum-Delegierten trafen sich am 15. November in Märstetten zu ihrer Herbstversammlung. Dabei lancierte Lignum-Präsident und Ständerat Jakob Stark ehrgeizige Ziele für die Holznutzung im Schweizer Wald und das weitere Wachstum der Holzanwendung.

Oben: Lignum-Delegiertenversammlung in Märstetten TG vom 15. November 2023. V.l.n.r.: Paul Steffen, stv. Direktor Bundesamt für Umwelt BAFU, Urs Martin, Regierungspräsident des Kantons Thurgau, Sandra Burlet, Direktorin Lignum, Susanne Vaccari-Ruch, Gemeindepräsidentin Märstetten, Ständerat Jakob Stark, Präsident Lignum. Mitte oben links: Der Tagungsort – fast 5000 m3 Holz stecken in der Konstruktion des 2018 eröffneten Neubaus von Kuratle & Jaecker AG in Märstetten, von dem aus die Ostschweiz beliefert wird. Mitte oben rechts: Silvia Furlan, Präsidentin des Lignum-Vorstandsverbands Holzwerkstoffe Schweiz und Mitglied des Managements bei Kuratle & Jaecker AG, begrüsste die Lignum-Delegierten bei ihrem Eintreffen in Märstetten. Mitte unten links: Impression vom Stehlunch. Mitte unten rechts:  Bundesverwaltungsrichter Marc Steiner wies auf die vielfältigen Chancen hin, die sich für Schweizer Holz aus neuen gesetzlichen Vorgaben ergeben. Unten: Auf einer geführten Tour durch die eindrückliche Halle von Kuratle & Jaecker AG in Märstetten konnten sich die Lignum-Delegierten von der Leistungsfähigkeit des Holzhandels in der Schweiz überzeugen.
Bilder Michael Meuter, Zürich
 

Nichts los in Sachen Holz hinter Winterthur? Weit gefehlt. Derzeit findet etwa das neue Martin-Haffter-Schulhaus in Weinfelden gerade viel Beachtung in Fachkreisen – und das über die Schweiz hinaus. 2019 haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dem Kredit für den Ersatzneubau des alten Primarschulhauses zugestimmt. 2021 wurde der dreigeschossige Minergie-P-Neubau fertiggestellt. Der Holzbau folgt einem Entwurf des Architekturbüros Isler Gysel Architektur GmbH aus Zürich zusammen mit Pirmin Jung Schweiz AG (Sargans) als Holzbauingenieuren. Als Totalunternehmer wirkt Implenia Schweiz AG, den Holzbau haben Bornhauser Holzbau AG, Wiesli Holzbau AG und Kaufmann Oberholzer AG erstellt. Gebaut wurde bewusst mit Holz aus der Region.

Genau diesem Ansatz will Lignum-Präsident Jakob Stark Schub verleihen. Derzeit entwickelt der Bund unter Federführung des Bundesamtes für Umwelt in enger Kooperation mit der Branche eine integrale Strategie für Wald und Holz, die dem Bundesrat Ende nächsten Jahres vorgelegt werden soll. Die Haltung der Wald- und Holzwirtschaft ist klar: ‹Wir wollen, dass die Holznutzung verstärkt wird, ohne dass dabei die anderen Waldfunktionen beschnitten werden›, erklärte Ständerat Stark vor den rund 50 Delegierten und Gästen, die sich am letzten Mittwoch unweit von Weinfelden, am Standort Märstetten des grossen Holzhandelsunternehmens Kuratle & Jaecker AG, versammelt hatten.

‹Für jeden Kubikmeter geerntetes Holz sollte es künftig einen Beitrag geben, abgestuft nach Steilheit des Geländes›, zeigt sich Stark überzeugt. Derzeit kommen jedes Jahr nur etwa fünf Millionen Kubikmeter Holz aus dem Schweizer Wald – die Hälfte des jährlichen Zuwachses. Dabei könnten es – darin sind sich Branche und Bund einig – etwas mehr als acht Millionen Kubikmeter sein, ohne dass der Grundsatz nachhaltiger Bewirtschaftung in Gefahr geriete.


Herausforderungen in der Klima- und Europapolitik

Die Branche bewegt derzeit überdies die Inwertsetzung der dreifachen Klimaleistung von Wald und Holz: Sequestrierung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre durch das Holzwachstum, dessen Speicherung in langlebigen Holzprodukten und die Substitution energie- und treibhausgasintensiver Materialien durch nachhaltigere Produkte. Zur umfassenden Sichtung der diesbezüglichen Möglichkeiten hat die Lignum einen Projektauftrag an das Unternehmen Basler & Hofmann erteilt. Im nächsten Frühjahr wird eine Synthese erwartet, mit der das Projekt abschliesst.

Für Diskussionen sorgt in der Branche die in der EU neu geltende European Deforestation Regulation EUDR. Sie soll sicherstellen, dass eine Reihe von Waren, die in der EU in Verkehr gebracht werden, nicht länger zur Entwaldung und Waldschädigung in der EU und anderswo in der Welt beitragen. Unter die neue Verordnung fallen Palmöl, Rindfleisch, Soja, Kaffee, Kakao, Kautschuk sowie Holz und daraus hergestellte Erzeugnisse.

Das Inkrafttreten der EUDR Ende Juni dieses Jahres hat vorerst noch keine direkten Auswirkungen auf die Schweizer Holzhandelsverordnung, weil keine automatische Rechtsübernahme erfolgt. Die Exporteure von Holz und Holzprodukten in der Schweiz sind jedoch von der EUDR bereits direkt betroffen. Mittelfristig wird die Schweiz dennoch vor der Aufgabe stehen, sich an die geltende Regelung in der EU als wichtigstem Handelspartner zu adaptieren. Dafür jedoch ist eine gegenseitige Anerkennung der Systeme zwingend – das fordert Ständerat Jakob Stark mit einem Vorstoss in Bern.  


Neue Chancen für Schweizer Holz

Bundesverwaltungsrichter Marc Steiner erläuterte den Anwesenden, welche Möglichkeiten für die vermehrte Anwendung von Schweizer Holz das revidierte öffentliche Beschaffungswesen im Verbund mit dem seit 2017 geltenden Waldgesetz eröffnet. Dieses hält den Bund an, bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb eigener Bauten und Anlagen soweit geeignet die Verwendung von nachhaltig produziertem Holz zu fördern. Besonders gute Chancen erkennt Steiner in der Verwendung von eigenem Holz öffentlicher Bauherrschaften, seien es Gemeinden oder Kantone.

Steiner verwies in diesem Zusammenhang auf den Erweiterungsbau des Regierungsgebäudes in Frauenfeld, dem die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Kanton Thurgau 2020 zugestimmt haben. Er wird als urbaner Holzbau in Erscheinung treten. Der Holzbedarf für die Tragkonstruktion kann vollständig aus dem Staatswald gedeckt werden. Weitere kräftige Impulse, zeigte sich Steiner überzeugt, kämen künftig schweizweit aus dem im Juni 2023 an der Urne angenommenen Klimagesetz und aus der Vorlage zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft, die in der parlamentarischen Beratung steht.

Paul Steffen, Vizedirektor des Bundesamtes für Umwelt, trat für ein Grusswort vor die Versammlung. Er versicherte der Branche die Unterstützung des Bundes für ihre Anliegen und wies auf die zentrale Bedeutung der Waldnutzung hin. Eine funktionierende Holzkette vom Wald bis zur Schreinerei erfordere, dass genügend Holz geschlagen werde. Ebenso wichtig sei aber auch der Preis, der dafür erzielt werde, denn am Ende basiere die Leistungsfähigkeit der Wald- und Holzwirtschaft darauf, dass alle Glieder der Wertschöpfungskette von ihrer Tätigkeit leben könnten. Überdies gelte es im Auge zu behalten, dass der Wald als Ökosystem unter Klimastress stehe und sich in seiner Zusammensetzung künftig spürbar verändern werde.


Ohne Importe geht es nicht

Die Versammlung unterstützte in der Diskussion den Gedanken einer Mehrnutzung des Schweizer Waldes. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass noch nichts gewonnen ist, wenn es bei einer Prämie für die reine Mengenausweitung bleibt – es braucht auch eine Lenkung in ressourceneffiziente, intelligente Anwendungen. Überdies muss das zusätzlich geerntete Holz auch in der Schweiz verarbeitet werden können. Dafür braucht es ein Wiedererstarken der in den letzten Jahrzehnten empfindlich geschrumpften Sägeindustrie und einen kräftigen Ausbau bei Unternehmen, welche die vom Holzbaumarkt nachgefragten Bauprodukte aus dem Schnittholz fertigen können, vor allem verleimte Produkte wie Brettschichtholz. In dieser Hinsicht ist der Investitionsbedarf enorm: Die in der Schweiz vorhandene Kapazität vermag trotz Wachstum nur einen Teil der Marktnachfrage nach Holzbauprodukten zu decken.

Eben deshalb geht es in der Schweizer Holzbranche nicht ohne die eingespielten internationalen Netzwerke des Handels. Kuratle & Jaecker AG bewegt in der Schweiz jeden Tag etwa tausend Tonnen Holz für Bau und Ausbau. Silvia Furlan, Präsidentin des Verbandes Holzwerkstoffe Schweiz und Mitglied des Managements bei Kuratle & Jaecker AG, begrüsste die Versammlung zum Start am Morgen. Ebenso liess es sich Georges Kuratle, Inhaber und Delegierter des Verwaltungsrats im Familienunternehmen, dessen operative Führung er mittlerweile in die Hände der nächsten Generation gelegt hat, nicht nehmen, die Anwesenden persönlich willkommen zu heissen.

Sein Unternehmen sorgt zusammen mit zahlreichen weiteren Anbietern des Holzhandels dafür, dass die nachgefragten Produkte überall zeitgerecht in der benötigten Menge und Qualität auf Schweizer Baustellen ankommen, wie Markus Fischer, Geschäftsführer von Kuratle & Jaecker AG am Standort Märstetten, erklärte. Vom 2018 eröffneten Neubau aus – einem von 16 regionalen Standorten des schweizweit agierenden Handelsunternehmens – erfolgen der Verkauf und die Distribution für die regionale Kundschaft in der Ostschweiz. Mit einer Lagerfläche von 8000 Quadratmetern verfügt der Holzbau, in dessen Konstruktion selber fast 5000 Kubikmeter Holz stecken, über eine beeindruckende Kapazität.


Grussworte seitens Kanton und Gemeinde

Ein Grusswort richtete auch der Thurgauer Regierungspräsident Urs Martin an die Versammlung in Märstetten – in sportlich-legerem Outfit angesichts der gleichentags angesetzten traditionellen Hörnlitagung, an welcher sich die Regierungen der Kantone Thurgau, St. Gallen und Zürich alljährlich informell austauschen, diesmal beim Kegeln, wie der Vorsteher des Departementes für Finanzen und Soziales zu Protokoll gab. Er ermunterte die Branche, sich konzertiert in Bundesbern einzugeben. Er hielt fest: ‹Im Thurgau sind wir es gewöhnt, auf nachhaltiges Holz zu setzen. Die Bevölkerung hat unglaubliche Sympathie dafür.›

Ebenfalls vor Ort war die Märstetter Gemeindepräsidentin Susanne Vaccari-Ruch. Sie dankte dafür, die Lignum-Delegiertenversammlung in ihrer Gemeinde abzuhalten. ‹Das Gewerbe geniesst bei uns hohe Aufmerksamkeit›, sagte Vaccari-Ruch. Sie zeigte sich beeindruckt von der innovativen Konstruktion des Neubaus von Kuratle & Jaecker AG, der in Rekordzeit das Baubewilligungsverfahren durchlaufen hatte: Die Rampe aus Holz, über welche Autos direkt aufs Parkdeck auf dem Dach gelangen, ist in der Schweiz derzeit wohl singulär.


Ansehnlicher Lignum-Output 2023

Die Lignum-Delegiertenversammlung in Märstetten genehmigte einstimmig das Budget 2024 der Dachorganisation und genehmigte überdies einmütig eine Anpassung des Beitragsreglements, mit der kleineren Verbänden, für welche die geltende Mindestbeitragshöhe eine unüberwindbare Hürde darstellt, dennoch ein Beitritt zur Lignum ermöglicht werden kann.

Direktorin Sandra Burlet verwies auf die grosse Menge neuer technischer Schriften der Lignum als Beitrag zur Baupraxis, die im laufenden Jahr erschienen ist, sowie auf den intensiven laufenden Wissenstransfer im Rahmen der Kommunikationsarbeit, und gab einen Ausblick auf die Neuerscheinungen 2024. Auf besonderen Zuspruch stösst die neue Web-Plattform bauenmithholz.info für Investoren, welche die Lignum diesen Herbst lanciert hat.

Die nächste Lignum-Delegiertenversammlung findet am 22. Mai 2024 statt. Der Ort ist noch offen.