Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Engagierte Diskussionen zur Zukunft des Holzbaus in Biel

Der gutbesuchte Holzbautag Biel fand letzte Woche bereits zum 17. Mal statt. Das traditionelle Stelldichein der Branche setzte dieses Jahr auf den lebendigen Dialog zwischen Holzbauingenieuren, Architektinnen und Unternehmern zum Bauen der Zukunft. Welche Rolle kann und wird Holz dabei spielen?

Oben: Blick ins Plenum im Kongresshaus Biel. Mitte: Lignum-Direktorin Sandra Burlet leitete das dialogorientierte Nachmittagsprogramm ein. Unten: Podiumsdiskussion mit (v.l.n.r.) Gerhard Andrey, Julia Pagel, Nicole Deiss und Max Renggli, moderiert von Hanspeter Bürgi. In der begleitenden Fachausstellung präsentierten über 50 Unternehmen ihre neusten Produkte, Dienstleistungen und Lösungsansätze. Die Lignum erschloss dem Publikum als Veranstaltungspartner vor Ort ihre neusten Publikationen. Der nächste Holzbautag Biel findet am 8. Mai 2025 statt.
Bilder Matthias Käser/BFH-AHB

 

Der erste Vortragsblock lieferte eine Art Auslegeordnung des heutigen Bauens mit Holz. ‹Massenware oder Einzelstück?› fragten sich in ihrem Beitrag zu Schulbauten in Holz der Architekt Frederic Bauer, Partner bei Bürgi Schärer Architekten, und der Holzbauingenieur Johann Maître, Bereichsleiter Romandie bei Timbatec.

Ihre Einschätzung fiel differenziert aus: Einerseits sei heute der Modulbau bei Schul-hausbauten weitverbreitet, und viele Projekte wiesen strukturelle Gemeinsamkeiten auf, weshalb man das Rad nicht jedes Mal neu erfinden müsse.

Doch auf der anderen Seite erlaube der Baustoff Holz ein hohes Mass an Individualität bei der Gestaltung, und idealerweise passe man Projekte an das vorhandene Holzangebot in den Gemeinden an, die ihre Schulhäuser aus Holz bauen wollten.


‹Besser Atmosphäre als Hightech suchen›

Mathias Heinz von pool Architekten und Bauingenieur Hermann Blumer teilten in ihrem Vortrag zu Grossprojekten in Holz Erfahrungen und Empfehlungen. In ihrer dialogischen Präsentation wurde unter anderem klar, wie schwierig es sein kann, die gestalterischen und konstruktiven Ansprüche mit den Bedürfnissen der Haustechnik unter einen Hut zu bringen.

Diskutiert wurden zudem die Rolle von Fassaden und zirkuläres Design. Doyen Hermann Blumer gab ob all der komplexen Herausforderungen folgenden Rat: ‹Versucht nicht, mit Holz Hightech-Lösungen zu finden. Holz ist dann stark, wenn es seine Vielseitigkeit und seine atmosphärische, soziale Seite ausspielen kann.›


Aktuelles Grossprojekt in Risch-Rotkreuz

Eines der gegenwärtig grössten Holzbauprojekte in der Schweiz stellten Rolf Nydegger und Matthias Eisele vor: das neue Produktionsgebäude von Roche Diagnostics in Risch-Rotkreuz. Nydegger vertrat als Projektmanager den Bauherrn Roche, Eisele sprach als Tragwerksplaner von merz kley partner.

Das viergeschossige Gebäude, mit dessen Bau nächstens begonnen wird, soll 150 m lang werden und neben hochreinen Produktionsstätten auch ein Hochregallager beinhalten. Bauingenieur Eisele plädierte für ‹einen pragmatischen und keinen dogmatischen Einsatz von Holz›. Deshalb sorgen beim Grossgebäude zum Beispiel Kerne aus Stahlbeton für die Aussteifung.

Ein grosses Thema ist für den Bauherrn mit seinen hochpräzisen Messgeräten die Erschütterungssensibilität – mit einer Konstruktion ausschliesslich in Holz liesse sich die dazu nötige Steifigkeit nicht erreichen. So oder so werden mehrere tausend Kubikmeter Holz verbaut.


Junge Köpfe voller neuer Ideen

Im zweiten Vortragsblock kam gewissermassen die Zukunft des Bauens mit Holz zu Wort. Dieser Teil der Veranstaltung stand unter dem Titel ‹Junge Kooperationen aus Architektur, Ingenieurwesen und Handwerk›. Die vier vorgestellten Projekte sind als Sieger aus einem Wettbewerb hervorgegangen, den der Holzbautag Biel 2024 für interdisziplinäre Teams unter 40 Jahren ausgeschrieben hat.

Das Publikum in Biel konnte unter den vier präsentierten Siegerprojekten zusätzlich seine Wahl treffen und entschied sich für den Aussichtsturm Hardwald bei Zürich. Das Team von Luna Productions (Architektur) und Frischknecht Holzbau-Team AG hat den von den Standortgemeinden initiierten Wettbewerb gewonnen und sein Projekt 2022 realisieren können.

Der 41 m hohe Turm ist bereits vielfach publiziert worden. Er besticht durch seinen skulpturalen Körper, dessen Silhouette sich je nach Standpunkt der Betrachter verändert. Nicht zuletzt seiner überzeugenden Gestaltung wegen ist der Aussichtsturm zu einem Publikumsmagneten geworden.


Viele offene Fragen bei Re-Use

Der Nachmittag stand im Bieler Kongresshaus unter dem Motto ‹Dialog›. Die Teilnehmenden konnten sich für eine von drei interaktiven Veranstaltungen entscheiden. Ihre Titel: ‹Erdbebengerechte Holzbauten – heute und in Zukunft›, ‹Planung und Umsetzungsprozess› sowie ‹Kreislauffähige Konstruktion und Gestaltung›.

Mit Abstand auf das grösste Interesse stiess das Thema zirkuläres Bauen. Damit tatsächlich Kreise geschlossen werden können, gilt es vermehrt mit ganzen gebrauchten Bauteilen zu bauen (Stichwort: Re-Use). Soviel zur Theorie. In der Praxis, so zeigte die Publikumsdiskussion, stellen sich dabei allerdings noch viele Fragen.

Wer garantiert die Qualität der wiederverwendeten Teile? Wie lassen sich die Kosten für Abbau, Wiederaufbereitung und Lagerung weiterverrechnen? Und wie können Bauherrschaften davon überzeugt werden, Gebrauchtes wiederzuverwenden? Einer der Votanten meinte deshalb, man sollte Gebäude nicht rückbauen, sondern daran weiterbauen und sie ergänzen.


Wird in Zukunft nur noch renoviert?

Gegen Ende der Ausgabe 2024 des Holzbautages Biel diskutierten Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Wirtschaft im Rahmen eines Podiums zu Perspektiven der (Holz)Bauwirtschaft bis ins Jahr 2050 genau darüber lebhaft: Wird im Jahr 2050 überhaupt noch neu gebaut?

‹Der Anteil an Renovationen wird deutlich steigen, und bei Neubauten wird man alles tun, um den Materialeinsatz zu reduzieren›, meinte Julia Pagel, Immobilienentwicklerin bei Losinger Marazzi. Die Planerin Nicole Deiss von Neon Deiss Architektinnen doppelte nach: ‹Es hat bereits ein Paradigmenwechsel stattgefunden, immer mehr Bauherrschaften entschliessen sich, den Bestand zu erhalten.›

Holzbauunternehmer Max Renggli sagte gegen Ende der Diskussion: ‹Die Zukunft ist hybrid; was wir brauchen, ist ein differenzierter Einsatz von Ressourcen.› Gerhard Andrey schliesslich, Nationalrat der Grünen und IT-Unternehmer, formulierte sein persönliches Schlusswort so: ‹Ich möchte Lust auf die Zukunft wecken. Wir verfügen in der Schweiz über alle Ingredienzen, die es dazu braucht – wer, wenn nicht wir, kann daraus eine lebenswerte Zukunft schaffen?›


Link www.bfh.ch/ahb/holzbautag