Lignum Holzwirtschaft Schweiz

EU-Biodiversitätsstrategie könnte Klimaziele durchkreuzen

Wenn in europäischen Wäldern weniger Holz eingeschlagen wird, um die biologische Vielfalt zu schützen, wie dies die EU-Biodiversitätsstrategie vorsieht, führt dies global betrachtet zu Verlagerungen, die negative Umweltauswirkungen haben können. Das hat eine modellbasierte Studie des Thünen-Instituts für Waldwirtschaft ergeben.

Bild Thünen-Institut/Christina Waitkus

 

Um dem fortschreitenden Verlust an biologischer Vielfalt zu begegnen, hat die EU-Kommission eine Biodiversitätsstrategie (EUBDS) vorgelegt, die darauf abzielt, die Biodiversität in der EU bis 2030 auf den Weg der Erholung zu bringen. Dazu sieht sie eine Reihe konkreter Massnahmen und Verpflichtungen vor, unter anderem auch für die Wälder und den Bereich der Holznutzung.

Wie sich die Vorgaben der EUBDS auf die Produktion und den Handel mit Holz und Holzprodukten in der EU und in Nicht-EU-Ländern auswirken kann, hat ein Forschungsteam des Thünen-Instituts für Waldwirtschaft in Hamburg mithilfe einer Modellierung analysiert. Zwei verschiedene Umsetzungsszenarien wurden dort mit ‹Business as usual› als Referenz verglichen.

Das moderate Szenario unterstellt eine EUBDS-Umsetzung, die eine nachhaltige Forstwirtschaft in der EU nur mässig einschränkt. Im intensiven Umsetzungsszenario hingegen trägt die Forstwirtschaft die Hauptlast im Vergleich zu den anderen Landnutzungsarten. Zudem werden dort auch die Interpretationsspielräume enger ausgelegt, beispielsweise darin, dass alle Wälder, die älter als die üblichen Nutzungsalter sind, als sogenannte ‹Old growth forests› angesehen und von einer weiteren Nutzung ausgeschlossen werden.


Enorme Verluste bei der Holzproduktion und negative Folgen für das Klima

Im Referenzszenario, das von einer Bewirtschaftung der Wälder in der EU ohne einen erhöhten Biodiversitätsschutz ausgeht, liegt die maximale Rundholzproduktion im Jahr 2030 bei 539 Mio. m3. Bei Umsetzung der EUBDS-Massnahmen läge die Produktion bei 490 Mio. m3 im moderaten Szenario und bei 281 Mio. m3 im intensiven Szenario – mithin käme es zu einem Rückgang um 9% bzw. sogar 48%. Bis 2050 ginge die Produktion noch weiter zurück und machte, je nach Szenario, nur noch 90% bzw. 42% der Referenzproduktion aus.

Der Rückgang der Rundholzproduktion in der EU würde zum Teil (etwa 50–60%) durch eine steigende Produktion in Nicht-EU-Ländern (z.B. USA, Russland, Kanada, China und Brasilien) ausgeglichen. In der EU würde die geringere Verfügbarkeit von Rundholz dazu führen, dass weniger Schnittholz, Holzwerkstoffe und Zellstoff produziert würden. Allerdings würde der Verbrauch dieser Holzprodukte innerhalb der EU nicht spürbar sinken, weil es vor allem bei diesen Produktgruppen zu einem deutlichen Rückgang der Exporte und zu höheren Importen käme.

Der verbleibende und nicht durch andere Länder ausgeglichene Teil des Produktionsrückgangs in der EU (etwa 40–50 %) würde zu einer weltweiten Verringerung der Holzproduktion führen. Das könnte zur Folge haben, dass energieintensiver hergestellte Produkte etwa aus Beton, Stahl oder Aluminium zum Einsatz kommen. Solche Produkte haben eine schlechtere Klimabilanz als Holz, so dass der beabsichtigte Nutzen für die Biodiversität durch Nachteile in anderen Bereichen erkauft werden könnte.


‹Weitere Nutzungsbeschränkungen gefährden weite Teile der Holzindustrie›

Eine klare Meinung zu den Ergebnissen der Studie hat der Hauptverband der Deutschen Holzindustrie HDH. ‹Die von den Wissenschaftlern entworfenen Szenarien sind leider keine abstrakten Denkgebäude, sondern spielen sich ab vor dem Hintergrund konkreter politischer Pläne in Brüssel und Berlin›, erklärt der Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustrie HDH, Johannes Schwörer. Die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 sieht den gesetzlichen Schutz von mindestens 30% der Landfläche vor.

‹Die aktuelle geopolitische Lage zeigt, was die Szenarien der Studien nicht nur für die Holzindustrie, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft in Deutschland und anderen EU-Staaten bedeuten: Wir würden uns in einem weiteren Feld abhängiger von Importen machen›, sagt HDH-Präsident Schwörer. ‹Aus der Studie ist zu schliessen: Weitere Nutzungsbeschränkungen in den Wäldern gefährden weite Teile der Holzindustrie mit ihren 200000 Beschäftigten.›

Mit einer Mindernutzung nachhaltig bewirtschafteter Wälder, so Schwörer, würde man man aber auch der Umwelt insgesamt einen Bärendienst erweisen. Die Klimastrategien Deutschlands wie auch der EU tendieren zu unbewirtschaftetem Wald als CO2-Senke anstatt zur Ausschöpfung der Gesamtwirkung von Wald und Holz als Gesamtsystem. Aber: ‹Erst durch die Nutzung des Rohstoffs Holz in langlebigen, hochwertigen Produkten lässt sich das Klimaschutzpotential der Wälder in Deutschland und der EU voll nutzen›, betont Schwörer.


Links www.thuenen.de | www.holzindustrie.de | EU-Biodiversitätsstrategie 2030