Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Europaweites Waldexperiment mit Buchen- und Tannensamen

Welche Bäume sollen europäische Förster pflanzen, um ihre Wälder an den Klimawandel anzupassen? Eine von der Europäischen Kommission unterstützte Forscherin der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL verteilt eine spezielle Mischung aus Buchen- und Weisstannensamen an Forstleute in ganz Europa, um das Überleben und Wachstum der Bäume in deren Wäldern zu testen.

Projektkoordinatorin Nicole Ponta hält mit ihrem Smartphone die Entwicklung eines iranischen Buchensetzlings fest, der im Wald neben der WSL keimt.
Bild Majken Grimm, WSL

 

In einem Waldstück neben der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL wachsen einige ganz besondere Waldbaumsetzlinge. Sie sind unter Metallkörben geschützt und mit gelben Schildchen beschriftet, auf denen ‹Pohorsko, Slowenien›, ‹Pyrenäen, Frankreich›, ‹Alborz-Gebirge, Iran› und andere Orte angegeben sind, die nicht gleich um die Ecke liegen.

Ähnliche Experimente laufen in den nächsten fünf Jahren in sieben europäischen Ländern im Rahmen des europäischen Projekts ‹MyGardenOfTrees›. ‹Wir wollen verstehen, welches Überlebens- und Wachstumspotential eine bestimmte Waldbaumpopulation mit ihrem einzigartigen Satz von Genen hat, indem wir sie unter verschiedensten Umweltbedingungen testen›, sagt Katalin Csilléry, Projektleiterin und Leiterin der Gruppe Evolutionsgenetik an der WSL.


Vom Versuch zur Prognose

Sie nahm das Risiko auf sich, ein Projekt zu entwickeln, das auf die Mithilfe von Försterinnen und Förstern angewiesen ist. Diese sollen Experimente mit den ihnen zugesandten Samen durchführen. ‹Die Forstleute sorgen sich um die Zukunft ihrer Wälder und sind begeisterungsfähig für Experimente. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen können›, fährt Csilléry fort.

Auch tragen die Förster mit ihren Fähigkeiten, ihrer Zeit und ihrem Wissen viel zu diesem Projekt bei. ‹Ich möchte sie für ihre Beteiligung entschädigen, indem ich ein Prognosewerkzeug entwickle, mit dem Forstleute optimale Saatgutquellen auswählen können, um ihre Wälder für das zukünftige Klima fit zu machen.›


500 Teilnehmer in ganz Europa gesucht

‹Wussten Sie, dass die Europäer etwa 29 verschiedene Sprachen sprechen? Ich weiss nicht einmal, wie man das Wort 'Wald' in den meisten dieser Sprachen ausspricht›, lacht Nicole Ponta, Projektkoordinatorin von ‹MyGardenOfTrees›. ‹Deshalb haben wir lokale Koordinatorinnen und Koordinatoren in ganz Europa eingestellt.›

Sie befinden sich in Frankreich, Deutschland, Ungarn, Polen, Rumänien, Griechenland, Kroatien und Spanien und suchen nun nach Teilnehmenden für die kommenden Studien in den Jahren 2022–2027. ‹Wir möchten in diesem Jahr mindestens 500 Teilnehmer gewinnen. Waldbewirtschafterinnen und -besitzer, aber auch engagierte Bürger und Gemeinden, die die Genehmigung eines Waldbesitzers haben, sind herzlich willkommen›, erklärt Ponta.


Samen direkt in den Wald aussäen

Die Teilnehmenden müssen sich bereit erklären, einen kleinen Versuchsgarten anzulegen und ihn mindestens fünf Jahre lang zu beobachten. Die Methode des Projekts ist für die Förster eher ungewöhnlich: Sie erhalten Saatgut, das sie direkt in den Wald säen, ohne den Boden zu bearbeiten. Die einzige Starthilfe, welche die Samen bekommen, besteht in einem darübergestülpten Metallkorb als Schutz gegen Verbiss.

In der Pilotphase 2021 rekrutierte das Projekt 25 Teilnehmende, deren Beobachtungen und Rückmeldungen zur Entwicklung der Protokolle verwendet wurden. Sie übermitteln ihre Beobachtungen mit ihren Smartphones, die an den Projektserver gesendet und auf der Webseite in Echtzeit visualisiert werden.


Saatgut für neue Teilnehmer gewinnen

Die ersten Ergebnisse sind ermutigend. ‹Einige osteuropäische Herkünfte stechen mit einer aussergewöhnlich hohen Keimrate hervor, insbesondere solche aus Slowenien. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir nur spekulieren, aber diese Ergebnisse scheinen darauf hinzudeuten, dass Herkünfte, die eine grosse genetische Vielfalt beherbergen, eine gute Leistung im Freiland aufweisen›, erklärt Csilléry.

Das Projekt sammelt auch sein eigenes Saatgut, wofür es mehrere Baumkletterer eingestellt hat. Glücklicherweise verspricht das Jahr 2022 sowohl für die Buche als auch für die Weisstanne ein Mastjahr zu werden. In Mastjahren tragen die Bäume besonders viele Blüten und Früchte. Deshalb wird das Team im Herbst in ganz Europa auf Samenjagd gehen.


Links www.mygardenoftrees.eu | www.wsl.ch