Holz auf dem Weg zum Durchbruch in die Breite
Die 22,5 m hohe architektonische Struktur ‹Semiramis› auf dem Areal des Tech-Clusters Zug entstand aus der Zusammenarbeit von Gramazio Kohler Research (ETH Zürich) mit Müller Illien Landschaftsarchitekten GmbH und Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG. Sie fungiert als vertikaler urbaner Lebensraum für Pflanzen und Kleintiere. ‹Semiramis› verdankt sich einer Vielzahl von Synergien aus Forschungsprojekten in den Bereichen interaktives Computerdesign, maschinelles Lernen und roboterbasierte Fabrikation.
Bild IBK ETH Zürich
Die einführenden Referate drehten sich um grundlegend wichtige Fragen der Ausbildung, der bereits frühzeitig zu praktizierenden beruflichen Zusammenarbeit in den Bereichen Architektur und Ingenieurwesen, gleichzeitig um die sich derzeit abzeichnenden Chancen und Potentiale für den Holzbau.
Architekt Hermann Kaufmann brachte es auf den Punkt: ‹Die Idee der vernetzten Ausbildung ist aktueller denn je.› Künftig werde das Bauen noch vermehrt von funktionierenden interdisziplinären Netzwerken geprägt sein. Gerade beim Holzbau, der mit seinen Konstruktionen einen komplex strukturierten Charakter aufweise, sei die frühzeitige Kooperation der Architekten mit den Spezialisten bereits in der Entwurfsphase ratsam.
Bauen im Bestand und Kreislaufwirtschaft als Chancen
Christoph Starck, Geschäftsführer des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA, sieht intakte Chancen für den weiteren Aufschwung des Holzbaus (siehe gesonderten Beitrag im Lignum Journal online von heute Montag). Er stellte in Weinfelden fest, für die Holzbauweise stünden alle Ampeln auf Grün. Starck empfahl jedoch eine Konzentration auf jene Märkte, in denen das Holz seine unbestrittenen Vorteile voll ausspielen kann: das Weiterbauen im Bestand, Sanieren und Verdichten.
Geschlossene Werkstoffkreisläufe sind erklärtes Ziel der Kreislaufwirtschaft: Abfall wird im Designprozess vermieden, Materialien werden wiederverwendet, und natürliche Systeme sollen regeneriert werden. Der ‹Circular Hub›, eine offene Wissens- und Netzwerkplattform für die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz mit Sitz in Zürich (www.circularhub.ch) strebt ein derartiges Wirtschaften an. Marloes Fischer informierte über die Plattform und bezeichnete dabei den Holzbau als Hauptdarsteller der ‹Circular Economy›.
Nichts ist so ansteckend wie das gute Beispiel
Rund ein halbes Dutzend Bauten und Projekte wurden in der Folge in Weinfelden vorgestellt, allesamt ebenso aus Architekten- wie auch aus Ingenieursperspektive: Eventgebäude, Wohn- und Geschäftsbauten, Bildungsinstitute, Umbauten. Zur Sprache kamen die Projekte Landwirtschaftliches Zentrum Salez, Grosspeter Basel, Umbau Sigristenhaus Boswil, der Knie-‹Zauberhut› in Rapperswil, ein Revier-Hotel in Holzmodulbauweise und natürlich auch das eben fertiggestellte ‹Haus des Holzes› in Sursee, das derzeit von sich reden macht, ausserdem eine über 20 m hohe, bepflanzte Holzstruktur in Zug. In Anlehnung an die berühmten hängenden Gärten im alten Babylon heisst die elegante Konstruktion ‹Semiramis›. Dieser Bilderbogen von Möglichkeiten der Gestaltung mit Holz zeigte eindrücklich, dass mit Holz und seinen Konstruktionen quasi nichts unmöglich zu sein scheint.
Wolfram Kübler (WaltGalmarini) teilte dazwischen seine Überlegungen zur Nutzungsdauer von Bauten mit den Kursteilnehmern, und Olga Rausch (Duplex Architekten) nahm sie mit auf eine Reflexion über räumlich reichhaltiges Wohnen im Holzbau. In einem detail- und kenntnisreichen Exkurs referierte Max Renggli (CEO und Verwaltungsratspräsident Renggli AG, Schötz) über die aktuelle Lage der Bauwirtschaft und Chancen für den Holzbau. Die Möglichkeit der Verbindung digitaler Kollaboration gepaart mit industrieller Produktion im Holzbau verspreche überzeugende Lösungen für viele drängende Probleme. Immer mehr rücke die gesamte Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Rückbau und Entsorgung eines Gebäudes aufgewendet würden, in den Fokus, betonte Renggli. Rezyklierte, lokale und nachwachsende Baustoffe wirkten sich positiv auf diese Bilanz aus. Und hier könne Holz mit allen seinen bekannten ökologischen, ökonomischen und sozialen Vorteilen punkten.
Forschung, Entwicklung und Technologietransfer
ETH-Professor Andrea Frangi skizzierte zum Abschluss der Tagung die Erforschung und Entwicklung aktueller Holzwerkstoffe wie Brettschichtholz, Brettsperrholz oder Furnierschichtholz sowie innovativer Verbindungsmittel, welche in Kombination mit computergestützten Entwurfs- und Fertigungsverfahren die Generation des neuen und modernen Holzbaus charakterisieren. Darauf basierend werden aus dem natürlichen und nachwachsenden Baustoff Holz heute hochleistungseffiziente Bauteile gefertigt. Durch die wieder zunehmende Verwendung von Hartholz wie beispielsweise Buche werden Festigkeiten wie bei Beton erreicht.
Noch denken viele beim Holzbau vorwiegend an Einfamilienhäuser. Doch habe sich dieses Mass dreidimensional gestreckt, so Frangi. Im Wohnungsbau wurden in den vergangenen Jahren in der Schweiz Gebäudekomplexe mit über 300 Wohnungen errichtet. Auf dem Globus entstehen mittlerweile überall mehrgeschossige Holzbauten, die sich wirtschaftlich beweisen. Die Erfahrungen mit der Material-, Energie- und Emissionseffizienz von Holz dürften in Architektur, Innenarchitektur, im Ingenieurwesen und Forschung zu vielerlei weiterer Innovation führen, zeigte sich Frangi überzeugt. Dazu trete die praktische Erfahrung der Unternehmen und ihrer Fachleute.
Die Tagungsunterlagen zum 53. Fortbildungskurs S-WIN 2022 ‹Ingenieure und Architekten gemeinsam zum Erfolg – Holzbau heute und morgen› (104 Seiten, A4) stehen als PDF zum Download auf der Webseite von S-WIN bereit. Der Band enthält nicht alle in Weinfelden gehaltenen Vorträge.
Link www.s-win.ch