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Holz-Jahrringe verraten Ausmass der Klimaveränderung

Geografen der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der University of Cambridge zeigen mittels Dendrochronologie, dass der Sommer 2023 in weiten Teilen der Nordhalbkugel der wärmste seit mehr als 2000 Jahren war. Ihre Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Klimawandel möglicherweise stärker ist als bislang angenommen.

Die direkten Auswirkungen des Klimawandels hat der Wald bereits vor 2023 in Form eines ausserordentlich heissen und trockenen Sommers erlebt: Blick auf den Hardwald bei Basel im Hitzesommer 2018.
Bild Christian Kleiber, Basel

 

Der Sommer 2023 war heiss. Bilder von verheerenden Waldbränden in verschiedenen Gegenden der Erde, etwa in Frankreich, Griechenland und Kanada, prägten die Nachrichten. Geografen der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der University of Cambridge haben nun tief in die Vergangenheit geblickt und entdeckt, dass der Sommer des vergangenen Jahres der wärmste war, den es seit dem Jahr 1 nach Christus in weiten Teilen der Nordhalbkugel gab. Das berichten sie in einem Artikel, der am 14. Mai in der Online-Ausgabe des Magazins ‹Nature› erschienen ist.

Darin beschreiben die Forscher um Prof. Jan Esper vom Geographischen Institut der JGU, wie sie Temperaturen von den Landmassen der nördlichen Erdhalbkugel zwischen dem 30. und dem 90. Breitengrad verglichen hatten. In diesem Bereich, der Europa sowie grosse Teile Nordamerikas und Asiens umfasst, liegen und lagen weltweit die meisten Wetterstationen.


Abgleich mit dendrochronologischem Archiv

Die Forscher hatten zunächst die hier in den Monaten Juni, Juli und August 2023 gemessenen Temperaturen mit entsprechenden Temperaturen aus den Jahren von 1850 bis 1900 verglichen. Dadurch stellten sie fest, dass die Durchschnittstemperatur des Sommers 2023 um 2,07 Grad Celsius höher war als die Sommer der ‹vorindustriellen Zeit›, wie die Phase von 1850 bis 1900 vom Weltklimarat genannt wird.

Um einen noch umfassenderen Vergleich anstellen zu können, nutzten die Forscher dann ein bereits vorhandenes internationales Archiv von Klimadaten, die mit Hilfe von Baumringen rekonstruiert worden waren und bis ins Jahr 1 zurückreichen. ‹Dadurch haben wir festgestellt, dass der Sommer 2023 auch in diesem sehr langen Zeitraum der heisseste war und dass er um 2,2 Grad wärmer war als der durchschnittliche Sommer seit dem Jahr 1›, sagt Esper. ‹Das verdeutlicht, wie dramatisch sich die Erde erwärmt und wie wichtig es ist, dass wir die Treibhausgasemissionen unverzüglich senken.›


Zeit von 1850 bis 1900 kühler als gedacht

Durch ihre Arbeit mit den Baumringdaten sind die Forscher noch zu einem anderen beunruhigenden Ergebnis gekommen: ‹Unsere Berechnungen zeigen, dass die Durchschnittstemperatur in der Zeit von 1850 bis 1900 um 0,24 Grad niedriger war als bislang auf Grundlage der Daten von Wetterstationen angenommen›, sagt Esper. ‹Das würde bedeuten, dass die Erwärmung grösser ist als bisher gedacht und dass die formulierten Klimaziele neu kalkuliert werden müssen.› Zum Beispiel ist es Ziel des Abkommens von Paris, die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Die Wissenschaftler um Esper sind davon überzeugt, dass ihre auf Basis von Baumringen rekonstruierten Temperaturen genauer sind als die der Wetterstationen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: ‹Damals gab es in dem von uns betrachteten Bereich nur 58 durchgehende Wetterstationen, von denen 45 in Europa lagen. Das heisst, für viele Räume der Nordhalbkugel und die gesamte Südhalbkugel gibt es keine ausreichenden Wetteraufzeichnungen›, sagt Esper. Ausserdem sei bekannt, dass viele der damals erhobenen Daten ungenau seien, weil sie zum Beispiel von Thermometern stammten, die nur unzureichend gegen direkte Sonneneinstrahlung geschützt waren.


Link Publikation in ‹Nature›: 2023 summer warmth unparalleled over the past 2000 years