Holzbau in der Gesellschaft der Zukunft
Mit cleveren Umbauten wie Aufstockungen wird der knappe Boden in der Schweiz im Sinne der Verdichtung nach innen immer intensiver genutzt. Die Holzbauweise schafft dabei nicht nur baulichen Mehrwert in Form von neuem Wohnraum im Bestand, sondern senkt auch die Energiekosten und hilft als natürlicher CO2-Speicher dem Klima. Im Bild ein aktuelles Beispiel aus Zürich: Mit dem Aufbau eines Voll- und eines Attikageschosses auf ein bestehendes Gebäude aus den 1950er Jahren in Zürich-Wollishofen hat die Holzbaufirma Häring AG aus Eiken als Totalunternehmerin zusammen mit Mainberger + Spahr Dipl. Architekten ETH (Zürich) drei zusätzliche Wohneinheiten geschaffen. Zum Zug kam bei diesem Projekt das Häring-Aufstockungssystem ‹Attico›. Zeitgleich mit der Gebäudeaufstockung wurde das ganze Gebäude vollständig energetisch saniert.
Bild D&R Dürr
Wie hat sich der Holzbau entwickelt? Wie wird er sich entwickeln? Und kann er sich positionieren? Um verbandliche Aussagen und Meinungen zum Bauen mit Holz abzustützen, haben wir im SIA Mitgliedern verschiedener Gremien einige Fragen dazu vorgelegt. Da sich die Rückmeldungen auf wenige Stimmen (14) beschränken und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Antwortenden vor allem Mitglieder waren, welche eine gewisse Affinität zum Holz haben, sind die Ergebnisse nicht repräsentativ, aber doch geeignet, um ein Stimmungsbild abzugeben.
Konkret haben wir um Beantwortung folgender Fragen gebeten: Hat sich der Stellenwert von Holz und Holzbau in den vergangenen drei Jahren in der täglichen Arbeit gegenüber dem Stellenwert etwa um das Jahr 2010 herum verändert? Wurde bei Diskussionen zum nachhaltigen oder klimagerechten Bauen in den vergangenen drei Jahren die Arbeit mit Holz schneller und häufiger thematisiert als noch vor zwölf Jahren? Wie hat sich die Zusammenarbeit mit anderen Planenden beim Bauen mit Holz in den vergangenen fünf Jahren verändert? Und schliesslich: Wird die Bedeutung bzw. Verwendung von Holz in der Bauwirtschaft in den kommenden Jahren zunehmen?
Nachhaltigkeit als Hauptstärke
Im Vordergrund stehen bei den Antworten, wie kaum anders zu erwarten, die Stichworte Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Dekarbonisierung und CO2-Speicher, welche für den Holzbau sprechen (‹Nachhaltigkeit heisst Holzbau›). Gerade für den Holzrahmenbau werden hier grosse Vorteile gesehen. Im Sinne der Ressourceneffizienz wird das Bauen mit Brettsperrholz eher kritisch gesehen. Eine grosse Bedeutung haben Attribute wie ‹modern›, ‹sauber› oder ‹gesund›, welche dem Holz zugestanden werden. Sie sprechen auch im Ausbau für Holz.
Die Befragten sind sich recht einig: Die Grundlagenarbeit für die Verbreitung des Wissens rund um die Holzanwendung ist weitgehend getan. Das Verständnis und Interesse der Bauherren, öffentlich wie privat, ist vorhanden. Es wird nicht mehr so viel Überzeugungsarbeit verlangt. Was zusätzlich positiv wirkt, ist die grosse Zahl qualitativ hochstehender gebauter Beispiele. Bei den Planenden ist inzwischen viel Erfahrung, Offenheit und Verständnis vorhanden, was die weitere Anwendung von Holz erleichtert. Holz ist auch im Rahmen von Architekturwettbewerben zunehmend ein wichtiges Thema.
Innovationskraft pflegen
Eine grosse Stärke des Holzbaus ist seine nach wie vor hohe Innovationsfreude. Der Holzbranche wird viel Mut zu Weiterentwicklungen zugestanden. Es besteht die Hoffnung, dass das Schweizer Holzbau-Know-how, das international gefragt ist, noch stärker als bisher zu einem Exportgut wird. Ein grosses Potential vermuten die Befragten in der Anwendung in hybriden und unterschiedlichen Materialkombinationen. Ebenso werden der Anwendung für Sanierungen, Aufstockungen und Erweiterungen, also beim Weiterbauen im Bestand, Chancen zugesprochen. Dass technisch Vorfertigung und Modularisierung sowie die damit verbundene Geschwindigkeit auf der Baustelle, geringer Platzbedarf und die Reduktion von Lärmemissionen positiv gesehen werden, überrascht kaum.
Mehrfach genannt wird die Tatsache, dass das Bauen mit Holz hohe Anforderungen an die Qualität von Planung und Ausführung stellt, weil der Holzbau insgesamt wenig Fehlertoleranz aufweist. Immer mehr Planer mit wenig Holz-Erfahrungen planen Holzgebäude, was nicht ohne Risiken ist. Herausforderung ist in diesem Fall, dass die Planung in der notwendigen Präzision und Detaillierung zeitgerecht erfolgt.
Daneben werden auch Nachteile der Verarbeitung nicht verschwiegen: Im Zusammenhang mit der Kreislauffähigkeit der Baustoffe ist das Verleimen von Bauteilen und das Kombinieren vieler Schichten nicht optimal. Die Hersteller von Konkurrenzbaustoffen schliefen nicht und machten ebenfalls Fortschritte, so einige Rückmeldungen. Es wurde überdies auch festgestellt, dass die Innovationslust hier und dort einer gewissen Standardisierung der Lösungen und Automatismen Platz mache, was der Weiterentwicklung nicht immer zuträglich sei.
Fachkräftemangel als Hemmschuh
Ganz zum Schluss gibt es zwei generelle Risiken, welche weniger die Planenden und Holzbauunternehmen im einzelnen betreffen, sondern die ganze Branche angehen: Nicht unerwartet wird der Fachkräftemangel angesprochen, vor dem die gesamte Branche steht. Wenn sie weiterwachsen will und noch grössere und höhere Bauten erstellen soll, stellt sich diese Herausforderung gleich doppelt.
Ausserdem wird auch die Verfügbarkeit von Holz Grenzen aufzeigen – kurzfristig aufgrund der Abnahme der Lieferungen aus Osteuropa, mittelfristig aufgrund der nicht unbegrenzt nachhaltig verfügbaren Mengen an Holz. Und langfristig wird die Frage, welche Hölzer die heute allgegenwärtigen Arten aufgrund des Klimawandels ersetzen können, nicht zu umgehen sein. Leider wird diese Thematik noch verschärft durch die Diskussion um die Entlassung von Waldflächen aus der Nutzung mit der Begründung, dies sei positiv für Kohlenstoffspeicherung und Biodiversitätsschutz.
Ampeln auf Grün – Kräfte konzentrieren
Ein Fazit lässt sich aufgrund dieser Betrachtungen relativ einfach ziehen: Für den Holzbau stehen die Ampeln auf Grün. Holz ist nicht der einzige Weg, aber es leistet unverzichtbar wichtige Beiträge zur Lösung der Herausforderungen, vor denen sich unsere Gesellschaft sieht. Der weiteren positiven Entwicklung steht wenig im Weg. Aus Sicht des SIA, auch im Sinne der Klimaziele, lohnt sich sicherlich die Konzentration auf diejenigen Märkte, wo das Holz seine grössten Vorteile ausspielen kann, also beim Weiterbauen im Bestand, beim Sanieren und Verdichten.
Dass dabei die Qualität und Präzision weiterhin hochgehalten werden soll, versteht sich eigentlich von selbst. Die Bedeutung der Kreislauffähigkeit und Wiederverwendbarkeit von Bauteilen wird voraussichtlich noch zunehmen. Die grössten Herausforderungen für die weitere Entwicklung des Holzbaus liegen aktuell kaum in der Bauweise und der Qualität der Ausführung. Vielmehr wird sich der Mangel an Fachkräften verstärken. Und zum Schluss darf die nachhaltige Verfügbarkeit des Holzes nicht aus den Augen gelassen werden.
Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des Vortrags, den Christoph Starck am 25. Oktober am S-WIN-Fortbildungskurs 2022 in Weinfelden unter demselben Titel gehalten hat.