Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Holzbauforum 2022: Der ‹Spirit von Innsbruck› ist wieder da

Die internationale Leitveranstaltung der Branche ist nach zwei Jahren Corona-Zwangspause wieder voll da: umfassend, informativ und inspirierend zugleich. Nicht weniger als 2600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer lockte das 26. Internationale Holzbau-Forum IHF gegen Ende letzten Jahres nach Innsbruck. Das Forum Holzbau ordnet in seinem Nachbericht die Ergebnisse ein.

Eine umfassende Fachausstellung mit 175 Ausstellern, vielfältiger Input in unzähligen Referaten und spannende Diskussionen unter Fachleuten – das war das IHF 2022. Die Tagungsunterlagen 2022 können nach einer Registrierung auf der Website www.forum-holzwissen.com heruntergeladen werden. Das 27. Internationale Holzbauforum wird vom 29. November bis 1. Dezember 2023 erneut in Innsbruck stattfinden.
Bilder IHF

 

Neben dem umfangreichen Fachprogramm von Forum Holzbau über Projekte, Produkte, Forschungsergebnisse und Innovationen spielten in den Vorträgen in Innsbruck die Auswirkungen der Wirtschaftstransformation von fossil zu klimaneutral auf (Holz-)Wirtschaft und Gesellschaft eine wichtige Rolle. Das ging bei der IHF-Auftaktveranstaltung am Mittwoch los, die Lignum-Direktorin Sandra Burlet moderierte, setzte sich in den IHF-Startvorträgen von DHWR- und HDH-Geschäftsführer Denny Ohnesorge und Zukunftsforscher Matthias Horx fort, kulminierte im Abendvortrag von alt Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn und zog sich bis in den IHF-Epilog am Schlusstag hinein – unter anderen mit dem Vortrag von Silvia Melegari, der CEI-Bois- und EOS-Generalsekretärin aus Brüssel. Sie erläuterte dem IHF-Publikum Hintergründe zum ‹European Green Deal› und stellte das Projekt ‹New European Bauhaus› vor.


Umbrüche mit Folgen auch für Wald und Holz

Finanzwissenschaftler Sinn beleuchtete die Ursachen für die aktuelle Inflation bei den Erzeugerpreisen, die am Bau bereits 2021 für deutliche Störungen gesorgt hat und keineswegs auf den Ukrainekrieg zurückzuführen sei. Er wies dabei der Finanzpolitik der westlichen Industrieländer und den Notenbanken die Hauptverantwortung zu. Die Ursachen lägen in der Bereitschaft zu überhöhten Staatsschulden, einer zu starken Geldmengenvermehrung, zusätzlichen Schulden zur Abfederung von Pandemiefolgen bei gleichzeitiger Angebotsverknappung in Lockdown-Zeiten mit Unterbrechungen der internationalen Lieferketten. Der Preisanstieg bei Energie sei dabei durch eine falsche Zinspolitik der EZB noch verstärkt worden, die mit inflationsdämpfenden Massnahmen zu lange gewartet habe. Unverhohlene Kritik übte Sinn aber auch an der Energiepolitik im Euroraum. 

Beim Diskussionsforum der TU München am Schlusstag, bei dem es um den Wald im Spannungsfeld von Rohstoffinteressen und Waldschutz ging, zeigte sich, dass auch der Holzwirtschaft in den kommenden zwei Jahrzehnten deutliche Veränderungen bevorstehen – zumindest den energieintensiveren Teilen. Bei der Rohstoffversorgung für die Industrie, bei den Transportradien und den Produktionsstandorten wird es Verschiebungen geben. Sichtlich besorgt blickt die Branche nach Brüssel und fragt sich, inwiefern sich mehr Waldnatur- und Artenschutz mit der ebenfalls notwendigen Holzversorgung und den Verarbeitungsmöglichkeiten in Europa austarieren lassen – und ob sich in der Folge die Transformationsziele mit Holz als Roh- und Baustoff erreichen lassen.


Trotz Erfolg: Unsicherheiten über Marktentwicklung

Ein Fazit zum 26. IHF in Innsbruck zu ziehen, fällt nicht leicht. Nach erfolgreichen Jahren für den Holzbau, wenn auch bei noch wenig Gesamtumfang, war es sicher eine Feier dieses Erfolgs, der selbst unter Corona-Bedingungen anhielt. Der Optimismus vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim IHF basiert eben darauf, dass man mit dem noch Baustoff arbeitet, dessen Einsatz das Klima am wenigsten belastet, von dem ausserdem, trotz teilweise besorgniserregendem Kalamitätsholzanteil, ausreichende Mengen vorhanden sind. Die eigentlich immer positive Stimmung am IHF vermischte sich in Innsbruck diesmal jedoch erkennbar mit Sorgen über die aktuelle und weitere Marktentwicklung, sind doch die Wirtschaftsaussichten am Bau bei steigenden Zinsen, unter inflationärer Entwicklung der Preise und energiepreisbedingten Versorgungsengpässen bei einzelnen Produkten zunehmend schwer einzuschätzen.

Insbesondere für Deutschlands energiehungrige, import- und exportabhängige Volkswirtschaft zeichnen sich schwierige Monate und eine Rezession ab. Am Schlepptau der Industrie hängt die Baubranche und damit auch der Holzbau. Die Immobilienbranche hat auf den Materialmangel und die Preisspitzen im Jahr 2021 unmittelbar mit der Stornierung von Aufträgen reagiert. Auf deren Umfang wies Alexander Rychter vom Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland-Westfalen beim IHF-Auftakt hin. Und er kritisierte in diesem Zusammenhang auch die kurzfristigen Änderungen bei den Kriterien der Bauförderung durch den Bund in  Deutschland.


Gastgeberland Österreich steht zu seiner Holzwirtschaft

In Innsbruck spürbar war hingegen der in Österreich höhere Stellenwert der Holzwirtschaft. Das unterstrich etwa der Besuch von Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig beim Forum. In seinem Grusswort wies Totschnig auf den wichtigen, aber steigerungsfähigen CO2-Substitutionsbeitrag von Holz in Österreich hin. Den anwesenden Fachleuten aus dem Holzbereich dankte Totschnig für ihren Einsatz zur Steigerung der Holzverwendung und für die geleistete Aufklärungsarbeit, was die Vorzüge von Holz betrifft. Gleichzeitig bedauerte der Minister aber, dass ein so wichtiges Forum wie das IHF eben ‹nur ein Expertenforum› sei – und darüber hinaus wenig bekannt. Das hier vorhandene Wissen müsse viel stärker in der Breite getragen werden.

Immerhin: Österreich will seine Holzbauquote (aktuell 24%) in den kommenden zehn Jahren um weitere 15% ausbauen und vor allem den grossvolumigen Holzbau fördern. Auch die Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie auf Holzbasis sollen intensiviert und das EU-Projekt ‹New European Bauhaus› von österreichischer Seite unterstützt werden. Totschnig berichtete ferner über die Schaffung einer holzpolitischen Plattform, um die Transformation der Holzwirtschaften auf europäischer Ebene zu koordinieren. Diese war parallel zum IHF am selben Tag in Innsbruck auf gemeinsame Initiative von Finnland und Österreich ins Leben gerufen worden (Lignum Journal online vom 20.12.2022).


Vieles bleibt beim Blick in die Kristallkugel offen

In welche Richtung sich das Bauwesen mit Holz künftig entwickeln wird, darauf konnte auch das 26. IHF keine endgültigen Antworten geben. Denn es geht um nicht weniger als den Umbau des westlichen Wirtschaftssystems, und das in möglichst kurzer Zeit. Martin Löcker, CEO des Immobilienentwicklers UBM, rief beim IHF-Auftakt dazu auf, den wirtschaftlichen Erfolg in Kombination mit Ressourceneffizienz zu suchen und viel mehr Holz als bisher einzusetzen. Alle seien gefordert, diesen Weg zu gehen. UBM hat das bereits vor Corona für sich entschieden. Diesen Weg werde man fortsetzen, so Löcker, weil es aktuell kein besseres Baumaterial gebe. Dabei dürften die Materialien nicht gegeneinander ausgespielt werden. Der grösste Hebel liege darin, bei Projekten mineralische Baustoffe durch Holz zu ersetzen. Mit dem ‹European Green Deal› und der EU-Taxonomie würden sich auch die Bedingungen der Immobilienbewertung und -finanzierung in absehbarer Zeit deutlich ändern.

Festzuhalten ist, dass es im Baubereich viele Widersprüche gibt, die in Innsbruck zur Sprache kamen, die aber noch zu lösen sind. Zum Beispiel zwischen den schweren Bauweisen mit viel Holz und den leichten mit weniger Holz, was dann auch Schallschutz, Raumklima, Dämmung, Beheizung bzw. Kühlung beeinflusst – alles Themen, zu denen das IHF Vorträge bot. Die in Gebäuden gebundene graue Energie findet in der Praxis mittlerweile stärkere Beachtung, ebenso die Schaffung flexibler Grundrisse oder die Recyclingfähigkeit von Gebäuden und die Wiederverwendung von Bauteilen. Auch darüber, ob künftig eher wieder einfacher gebaut werden wird oder ob sich doch eher die modernen Energiesparvarianten mit viel Technikeinsatz durchsetzen, gab es beim IHF keine Festlegung, allenfalls Empfehlungen oder Hinweise.

Unbeantwortet blieb in Innsbruck die Frage, wie Wohnraum-Nachfrage und das Fehlen verfügbarer Bauflächen in Einklang gebracht werden können. Auch der Holzbau baut gerne neu und auf Flächen, die eigentlich geschont werden sollten. Man baut gerne gross, Standardisierung und Vorfertigung sollen das Bauen verbilligen und beschleunigen, aber die Klimaschutz-Hauptaufgabe liegt eindeutig in der schwer zu vereinheitlichenden und zu beschleunigenden Sanierung des Gebäudebestands. Und über allem schwebt die Frage: Wer setzt die Arbeit in den Werken und auf den Baustellen eigentlich um, wenn nicht genügend qualifizierte Kräfte da sind?


Link https://forum-holzbau.com/IHF