Holzbausanierung zwischen Ortsbildschutz und Energieeffizienz
Exemplarische Sanierungslösungen mit Holz
Oben: Titelbild der bei Lignum neu greifbaren Broschüre zum Thema Holzbausanierung zwischen Ortsbildschutz und Energieeffizienz. Die Grafiken unten verdeutlichen drei verschiedene Strategien für das Vorgehen. Von links nach rechts: Im Sanierungsstandard ‹Bronze› werden Bauteile gedämmt, die beheizte von unbeheizten Räumen trennen (Kellerdecken, Decken zum Dachboden, Treppen usw.). Heizungsleitungen werden isoliert und Fenster wenn möglich mit Glasersatz verbessert. Restenergie wird durch erneuerbare Energie vor Ort abgedeckt. Im Sanierungsstandard ‹Silber› werden zusätzlich die Aussenwände von innen und das Dach gedämmt sowie die Fenster ausgetauscht. Das umfassende Massnahmenpaket ‹Gold› beinhaltet eine Vielzahl von Eingriffen und verändert auch die Aussenansicht der Fassaden.
Grafiken CCTP/Hochschule Luzern
Der Ortsbildschutz ist unter den aktuellen Herausforderungen, vor denen das Bauwerk Schweiz steht, allen voran angesichts des Imperativs von Verdichtung und energetischer Sanierung, ein Thema. Eben erst an seiner gestrigen Sitzung hat der Bundesrat den Bericht ‹Schweizer Ortsbilder erhalten› (PDF, 384 KB) verabschiedet. Er erfüllt ein Postulat des Solothurner Nationalrats Kurt Fluri. Die darin aufgeworfenen Fragen betreffen namentlich die Erhaltung des kulturellen Erbes, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der schützenswerten Ortsbilder sowie die planerischen, wirtschaftlichen und energetischen Herausforderungen, die mit dem Streben nach einer hohen Baukultur einhergehen.
Praxisbeispiel Rigi Kaltbad
Das Spannungsfeld der verschiedenen Anforderungen zeigt sich exemplarisch in Rigi Kaltbad. Auf den ersten Blick ist die Welt dort in Ordnung. Die Siedlung der Gemeinde Weggis befindet sich auf 1453 m ü. M. Verstreut am Hang liegen die traditionellen, teilweise denkmalgeschützten Chalets und Gebäude in Holzbauweise. ‹Sie machen den Charme von Rigi Kaltbad aus und prägen mit den Bäumen und Alpwiesen das Dorfbild›, sagt der Gemeindeammann von Weggis, Baptist Lottenbach. Von Amtes wegen schaut er aber auch hinter die Fassade: ‹Zwei Drittel des Gebäudebestandes müssten heute saniert werden›, konstatiert er.
Dazu gehören Ferienhäuser ebenso wie Hotels oder ganzjährig bewohnte Bauten. Gerade in bezug auf das Ortsbild müssen Sanierungen sorgfältig durchgeführt werden. Eine Holzfassade darf nicht einfach durch eine Aussendämmung mit Eternitschindeln oder Putz ersetzt werden. ‹Das verunstaltet die Chalets und kann alte Bausubstanz zerstören›, so der Gemeindeammann. Der bevorzugte Baustoff für eine Sanierung ist also Holz. Es gewährleistet die Weiterentwicklung der Bautradition in Bergdörfern wie Rigi Kaltbad, zudem ist er vor Ort verfügbar, erneuerbar und CO2-neutral.
Breite Allianz für Sanierung von Holzbauten
Ein Team von Architektinnen, Energietechnikingenieuren, Sozialwissenschaftlerinnen und Touristikern der Hochschule Luzern (HSLU) hat im zweijährigen Forschungsprojekt ‹Holzbau & Erneuerbare Energien› die Situation in Rigi Kaltbad im Rahmen des interdisziplinären Schwerpunkts ‹Tourismus und nachhaltige Entwicklung› untersucht. Dafür arbeiteten die drei Departemente Technik & Architektur, Soziale Arbeit und Wirtschaft der HSLU mit der Gemeinde Weggis zusammen.
Partner waren zudem zahlreiche Unternehmen und Organisationen: Pavatex SA, EWS Elektrizitätswerk Schwyz AG, Haupt AG, Bisang AG, Lignum – Holzwirtschaft Schweiz, Pirmin Jung Ingenieure AG, Meyer Burger AG sowie das Centre de Recherches Energétiques et Municipales in Martigny. Das Bundesamt für Umwelt (Aktionsplan Holz) unterstützte das Projekt.
Lokales Wissen mit Fachwissen kombiniert
In Rigi Kaltbad wurden 50 Häuser analysiert, dann mit der Gemeinde Weggis und einer Kerngruppe von 20 Eigentümerinnen und Eigentümern zahlreiche Workshops durchgeführt. ‹So haben wir lokales Wissen und Fachwissen kombiniert›, sagt Projektleiterin Ulrike Sturm vom Kompetenzzentrum für Typologie & Planung in Architektur. ‹Die Leute von hier wissen viel über die Geschichte ihrer Häuser, wir informierten über den Baustoff Holz und zeigten Sanierungsmöglichkeiten auf.›
Konkret entwickelte das Forschungsteam der Hochschule Luzern Vorschläge, die sich für die Sanierungen von drei Gebäudetypen eignen. Gebäudetyp eins ist ein Holzhaus mit unbeheiztem, kaltem Sockelgeschoss und (teil-)ausgebautem Dachgeschoss. Typ zwei ist ein Holzhaus mit warmem Sockelgeschoss, kaltem Dachgeschoss und einer (Teil-)Unterkellerung. Der dritte Typ ist ein Holzhaus mit warmem Sockelgeschoss und (teil-)ausgebautem Dachgeschoss.
Pragmatischer Ansatz verhindert Sackgassen
Für die Sanierungsvorschläge wählte das Forschungsteam einen realitätsnahen Ansatz. ‹Durch eine Gebäudesanierung sollte immer das Maximum an Energie eingespart werden. Wenn aber der Ortsbildschutz oder beschränkte Finanzen hineinspielen, ist das oft nicht möglich›, so Sturm. Im Projekt wurden deshalb für jeden der drei Gebäudetypen die drei Sanierungsstandards ‹Bronze›, ‹Silber› und ‹Plus› entwickelt.
Das Vorgehen ‹Bronze› ist für jene Eigentümer, die aufgrund des Ortsbildschutzes die Gebäudehülle gar nicht antasten dürfen und eine Innendämmung nur schwer realisieren können. Es lassen sich jedoch bereits durch nicht sichtbare Massnahmen Verbesserungen erzielen, beispielsweise durch die Dämmung der obersten Geschossdecke zum Dachraum.
Mit der Sanierung ‹Bronze› sind Einsparungen von 20–40% möglich. Mit der Sanierung ‹Silber› sind es sogar 65–75%. Sie sieht zusätzlich eine moderate Innendämmung und Fenstersanierung vor. Bei der Sanierung ‹Plus› geht fast keine Energie mehr verloren; die Einsparung beträgt 70–85%. Diese Variante ist jedoch mit tiefen Eingriffen und hohen Kosten verbunden. In allen drei Varianten könnte der verbleibende Energiebedarf so weit als möglich mit erneuerbaren Energien abgedeckt werden.
Handliches Manual für Bauherrschaften
Die A5-Broschüre ‹Holzbausanierung zwischen Ortsbildschutz und Energieeffizienz. Ein roter Faden für Bauherrschaften› fasst nun die Erkenntnisse aus dem Rigi-Kaltbad-Projekt zusammen. Sie versucht, die komplexen Zusammenhänge bei der energetischen Sanierung von Holzbauten aufzuzeigen, und will zudem einen ‹roten Faden› bieten, dem Interessierte folgen können.
Damit werden Bauherrschaften unterstützt, ihre Häuser zu erhalten, deren Behaglichkeit zu erhöhen und den Energieverbrauch zu senken. Wesentlich dabei ist, aus der Bandbreite der möglichen Massnahmen die geeignete Strategie zu entwickeln. So können die häufigsten Fallen vermieden und Gefahren umgangen werden.
Die druckfrische Publikation, mit Unterstützung des Aktionsplans Holz des Bundesamtes für Umwelt gemeinsam herausgegeben von Lignum und dem Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern – Technik & Architektur, wird heute Donnerstag am Stand der HSLU an der Swissbau vorgestellt (Halle 1.0, F 26, 16–17 Uhr). Sie ist ab sofort im Online-Shop der Lignum deutsch und französisch in Papierform bestellbar und lässt sich am selben Ort auch als PDF herunterladen.