Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Holzbulletin im Dezember: Wohnbauten im ländlichen Kontext

Der urbane Raum pachtet das Prädikat des Zeitgemässen auch in der Architektur gern für sich, während die neue Baukultur im ländlichen Umfeld vielen als vernachlässigbar gilt. Ebenso verbindet man die Frage der inneren Siedlungsentwicklung gemeinhin mit städtischen Strukturen. Doch dem ist nicht so. Auch im ländlichen Raum gibt es ein grosses Potential für eine massvolle Verdichtung und hohe Baukultur. Das illustrieren die gelungenen Baubeispiele im Winter-Holzbulletin der Lignum.

Holzbulletin 149/2023 – Wohnbauten im ländlichen Kontext
32 Seiten A4, vierfarbig
Art.-Nr. 11149
Inhalt:
- Wohnhäuser Engelgasse, Teufen
- Wohnen am Lindenhof, Oberaach
- Erneuerung Bauernhaus Kirchbühl, Sempach
- Wohnen in ehemaliger Scheune, Cottens
- Umbau Bauernhaus, Arnex-sur-Orbe
- Gemeinschaftliches Wohnen, Villy
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Die Ausgabe 149/2023 ‹Wohnbauten im ländlichen Kontext› ist ab 8. Januar 2023 im Lignum-Shop bestellbar. Lignum-Mitglieder erhalten sie zwischen Weihnachten und Neujahr.
Link Lieferbare Holzbulletin-Ausgaben


Auch im ländlichen Raum gibt es ein grosses Potential für eine massvolle Verdichtung. Das illustriert das Projekt Spalihof in Sachseln von Seiler Linhart Architekten. Im September 2022 schrieb ‹Hochparterre›-Redaktor Andres Herzog dazu: ‹Die drei Neubauten und der Umbau des 'Spalihauses' behandeln Themen, die für jede Dorfverdichtung exemplarisch sind.›

Konkret nennt Herzog dann sieben Punkte, die zu der überzeugenden Lösung geführt haben: Eine verantwortungsvolle Bauherrschaft, das Berücksichtigen der Art der Mobilität in ländlichen Gegenden – das Auto als notwendiges Fortbewegungsmittel sei mitzudenken –, eine subtile, auf den vorhandenen Massstab abgestimmte Verdichtung, die Pflege und das Weiterbauen des Bestands, die Stärkung des bestehenden Charakters des Ortes, die Zelebrierung des Handwerks beim Konstruieren und zu guter Letzt: Nutzungskonzepte, welche die dörfliche Gemeinschaft stärken.

Wichtig zur Zielerreichung war auch das gewählte Baumaterial, das hauptsächlich eingesetzt wurde: lokales Holz. Dieser traditionelle, aber ebenso hochtechnisierte Baustoff verbinde ganz im Sinne des Entwurfs das Gestern mit dem Heute, so die Architekten in einem Interview mit der Redaktion der Online-Plattform ‹Swiss Architects›.


Exkursion ins Appenzell und in die Kantone Thurgau und Luzern

Das trifft auch auf die gezeigten Objekte in dieser Ausgabe des Holzbulletins zu – sowohl was die Wahl von Holz als Baumaterial betrifft als auch im Hinblick auf die sieben von Andres Herzog genannten Punkte. So nehmen die beiden Holzbauten an der Engelgasse am Rand der Kernzone in Teufen die traditionelle, im Appenzellerland verankerte Bauweise auf und interpretieren diese mit zeitgemässen Mitteln neu – sowohl formal als auch hinsichtlich der Einbettung in die Landschaft. Entstanden ist dabei zusätzlicher und bezahlbarer Wohnraum von hoher architektonischer und räumlicher Qualität. Die gedrechselten Säulen aus Eiche sind dabei eine Reverenz an das traditionelle Handwerk.

Dies trifft auch auf das erneuerte Bauernhaus im Weiler Kirchbühl oberhalb von Sempach im Kanton Luzern zu: Mit gezielten Eingriffen sind Innenräume entstanden, die eine gekonnte Verbindung von uraltem Bestand und zeitgemässen Elementen schaffen – und dabei die jahrhundertealte Geschichte des Wohnhauses erzählen. Von aussen verrät hier auf den ersten Blick allerdings nur die Nordfassade, dass das Bauernhaus aus dem frühen 18. Jahrhundert substanziell und mit grosser Sorgfalt erneuert und so attraktiver Wohnraum geschaffen wurde.

Der Ersatzneubau für eine Scheune auf dem Lindenhof im thurgauischen Oberaach wirkt wie der Umbau des historischen Vorgängers, wurde allerdings gänzlich neu erstellt. Die unterschiedlichen Wohnungen verfügen über ein Split-Level und bieten grosszügigen und bezahlbaren Wohnraum mit den Qualitäten eines Einfamilienhauses. Gleichzeitig erinnert das Ensemble mit einem geschützten, gemeinschaftlich genutzten Hof an urbane Wohnformen, und dies mitten auf dem Land.


Überzeugende Beispiele auch aus der Westschweiz

Die denkmalgeschützte Scheune in Cottens aus dem 17. Jahrhundert ist Teil eines Bauernhofs, dessen Wohnteil in den 1980er Jahren renoviert worden war. Mit einer verglasten Box konnte nun in der bisher ungenutzten Scheune eine Wohnung von 100 m2 Fläche geschaffen werden. Diese macht die historische Bausubstanz sicht- und erlebbar – etwa mit der nach wie vor bestehenden Rampe, über welche die Heuwagen früher in die Scheune fuhren –, und überzeugt auch architektonisch.

Das zweite Objekt, ein Bauernhaus von 1800, steht in Arnex-sur-Orbe, einem Dorf im Waadtländer Nordjura. Auch hier wurde erneuert, ohne das Äussere des für die Region typischen, imposanten Bauernhauses zu verändern. Im Inneren aber sind zwei neue Wohnungen entstanden, mit sorgfältig gestalteten Innenausbauen in Holz, die sich partiell, im Bereich der bogenförmigen Steintore, auch gegen aussen zeigen.

Von den übrigen Projekten völlig verschieden ist schliesslich der Bau in Villy, einem Weiler im Waadtländer Chablais. Als die Geschwister das einfache Wohnhaus ihres Grossvaters erbten, wollten alle dort einziehen. Aber dafür war es zu klein, was zu einem gemeinschaftlichen Ansatz führte: Drei Wohneinheiten, in Holz erstellt, umgeben nun das Haus und sind über Stege mit ihm verbunden. Das Haus selbst ist jetzt der Raum für die Gemeinschaft und damit Erinnerung und Ausgangspunkt für Neues in einem.


Jutta Glanzmann
Technische Kommunikation Lignum