Holzindustrie-Kongress: Kreislaufwirtschaft in der Praxis
Die Podiumsrunde: (v.l.n.r.) Prof. Ingo Mayer (BFH-AHB), Nico Stanger (Europa-Referent der DACH-Verbände), Daniel Müller (Pirmin Jung Schweiz AG), Markus Derix (Derix GmbH), Roman Bühler (Swiss Krono AG), Michael Gautschi (Verband Holzindustrie Schweiz HIS).
Bild Holzindustrie Schweiz
Holz wächst im Wald und zieht dafür Kohlendioxid aus der Luft. Wird der gebundene Kohlenstoff in Form von CO2 am Ende seines Lebenszyklus wieder freigesetzt, so bindet dieses ein Baum erneut. Das Material steht also in einem perfekten natürlichen Kreislauf. Doch damit ist noch nichts gewonnen: Man muss diesen von der Natur angelegten Kreislauf auch technisch nutzen, indem der Rohstoff so lange und so hochwertig wie möglich in einer Kaskade genutzt wird. Bei der Anwendung von Holz im Bauwesen sollte man alles daran setzen, dass ein Bauteil mehr als ein Leben hat.
Wie macht man das? Daniel Müller, Bereichsleiter Bauphysik/Nachhaltigkeit und zirkuläres Bauen bei Pirmin Jung Schweiz AG, sagte es so: ‹Zirkuläres Bauen beginnt bei der Planung. Wir überlegen nicht nur, wie man Holz zusammenbaut, sondern auch, wie man die Bauteile wieder voneinander trennt.› Das heisst vor allem: Schrauben statt Klammern. Und bei der Wiederverwendung kreativ sein: So können ehemals tragende Bauteile als nichttragende Elemente oft ein zweites Leben erhalten. Wenigstens in der Schweiz.
Kreislaufwirtschaft im Normenkorsett
In Deutschland ist das etwas anders. Ein demontierter Dachstuhl gilt bald einmal als Sondermüll – einer der Stolpersteine, die in unserem Nachbarland regulatorisch erschwerend hinzukommen. Trotzdem, so sagte Markus Derix, geschäftsführender Gesellschafter der Derix GmbH, in seinem Referat, können Projekte umgesetzt werden, die in der Kreislaufwirtschaft neue Massstäbe setzen: Dazu gehört eine Verpflichtung zur Rücknahme von Baustoffen.
‹Product as a service› lautet die Devise, das heisst: Die Baustoffe werden quasi gemietet. Das Problem liegt dann aber in den Kosten der Demontage und der Lagerung des Altholzes. Noch rechnet sich das nicht. Trotzdem: ‹Nachhaltiges und zirkuläres Bauen ist ein Muss und mit vertretbarem Aufwand umsetzbar›, zeigte sich Markus Derix überzeugt, und: ‹Die Holzbranche sollte hier eine Vorreiterrolle übernehmen, anstatt darauf zu warten, bis andere Baustoffbranchen dies tun.›
Wissenschaft erfindet Klebstoffe neu
Da gibt es aber noch einen weiteren Knackpunkt: die Klebstoffe. ‹Sie verursachen 50% der Emissionen bei der Herstellung von Holzwerkstoffen›, sagte Prof. Ingo Mayer, Studiengangleiter Master Wood Technology an der BFH Biel. Aber er hatte gute Nachrichten: Zusammen mit seinem Team hat er es geschafft, aus Rinde Zucker und Tannine herauszulösen und diese beiden Bestandteile zu einem nachhaltigeren Klebstoff zusammenzuführen.
Dieser erfüllt wichtige Leistungseigenschaften und verursacht nur halb so viele Emissionen. ‹Hier sind Partner für Anwendungsversuche gesucht›, sagte er. Dasselbe gilt für die Erfindung, aus Bioabfällen einen Cellulosefilm mit grosser Bindewirkung zu generieren. Das Geniale daran: Diese Bindewirkung kann auch wieder deaktiviert werden.
Freies Denken braucht einen freien Markt
Was ist von alledem zu halten? Die nachfolgende Podiumsdiskussion unter Leitung von HIS-Direktor Michael Gautschi, der auch das Publikum einbezog, machte klar: Grundsätzlich ist die Holzwirtschaft bezüglich Kreislaufwirtschaft gut unterwegs. ‹Wir sprechen nur zu wenig darüber›, meinte Roman Bühler, Leiter Holzeinkauf bei Swiss Krono AG.
Auch die Bauherren gelte es in das Denken in Kreisläufen einzuführen, ergänzte Daniel Müller. Und: Normen und Verordnungen müssten möglichst rasch dem politischen Willen zur Kreislaufwirtschaft folgen. HIS-Präsident Thomas Lädrach fasste treffend zusammen: ‹Wir brauchen mehr Mut zur Marktwirtschaft.›
Links www.holz-bois.ch | lignum.ch: Kreislauffähig bauen mit Holz