Holzindustrie ruft nach massiver Mehrnutzung im Schweizer Wald
Zum ersten Mal wurden dieses Jahr die Schweizer Rohholztagung und die Jahrestagung von Holzindustrie Schweiz in einem Format zusammengelegt. Tagungsort war das altehrwürdige, stilgerecht renovierte Hotel Paxmontana in Flüeli-Ranft. Im Bild die Teilnehmer des Podiums: v.l.n.r. André Halter, Josef Hess, Michael Gautschi, Michael Reinhard, Andrea Florinett und Valentin Stäheli.
Bild HIS
Dr. Frank Rutschmann, Leiter Sektion Erneuerbare Energien im Bundesamt für Energie BFE, befasste sich im ersten Referat mit der Energiepolitik im Spannungsfeld zwischen Versorgungssicherheit und Klimaschutz. Zuerst aber relativierte er die Ausmasse einer möglichen Strommangellage in diesem Winter: Die Stromversorgung scheine gegeben, bei Gas und Öl seien ebenfalls keine drastischen Defizite zu erwarten, und auch die Versorgung mit Energieholz sei aktuell allgemein sichergestellt.
Knapp werden könnte es hingegen im Winter 2023/24, vor allem, was den Strom betrifft. Zu beobachten gilt es aber auch die Situation beim Energieholz. ‹Das Energieholzpotential ist mit dem aktuellen Zubau von Holzenergieanlagen allmählich ausgeschöpft›, sagte Rutschmann. Deshalb sei der Bund daran, die Verfügbarkeit des Sortiments zu überprüfen. Für ihn ist indes klar: ‹In Zukunft sollte Holzenergie nicht mehr in erster Linie zur Wärmebereitstellung, sondern für die Dekarbonisierung der industriellen Hochtemperatur-Prozesswärme verwendet werden.›
Versorgung mit Energie und Rohstoff treiben Grossverbraucher um
Auch wenn keine unmittelbare Mangellage droht – die enormen Preissprünge in der Energiewirtschaft schaffen grosse Probleme. Roger Braun, General Manager der Swiss Krono AG in Menznau, kennt sie bestens: Sein Unternehmen braucht soviel Strom wie 50000 Zweipersonenhaushalte. In zwei bis drei Jahren will die Swiss Krono etwa 45% ihres Strombedarfes mit Dampfturbinen produzieren.
Roger Braun hat aber noch ein anderes Problem: Die Rohstoffversorgung. Problematisch sei vor allem, dass über die Hälfte der Holzernte direkt in die Gewinnung von Holzenergie fliesse. Dabei könnte die Swiss Krono gerade das Sägerei-Restholz gut gebrauchen. Für ihn ist klar: ‹Den Sägern und uns geht das Rundholz aus.› Diese Sorge teilt Patrick Brühwiler von der August Brühwiler AG in Balterswil: ‹Die Nachfrage nach Rundholz wie nach Energieholz aus der Schweiz steigt›, sagt er. Allein die August Brühwiler AG habe die Einschnittmenge seit 2014 um etwa 70% erhöht. Sein Fazit: ‹Wenn die Nachfrage nach Rundholz nicht gedeckt werden kann, wird der Schwung, in dem sich die Schweizer Holzkette gerade befindet, ausgebremst.›
Dass die Swiss Krono und die Brühwiler AG keine Einzelfälle sind, zeigt eine Kurzumfrage, die der Verband Holzindustrie Schweiz unter seinen Mitgliedern durchgeführt hat. Von 31 Sägewerken, darunter die meisten Grossbetriebe, meldeten 13 Unternehmen einen gleichbleibenden, 18 Unternehmen einen zusätzlichen Bedarf in den nächsten Jahren von insgesamt 450000 m3 sägefähigem Rundholz. Zugleich steigt der Holzvorrat in den Wäldern. Deshalb ist auch für Thomas Lädrach, Präsident von Holzindustrie Schweiz, klar, dass mehr Rundholz aus dem Schweizer Wald auf den Markt kommen muss. Konkret schlägt der Verband vor, dass bis 2030 jährlich eine Million Kubikmeter mehr Rohholz als bisher für den Schweizer Markt bereitgestellt werden sollen.
Die Nachfrage steigt – darin sind sich alle einig
In der an die Referate anschliessenden Podiumsrunde unter Moderation von Michael Gautschi, Direktor von Holzindustrie Schweiz, war man sich einig über den Trend steigender Nachfrage. Während in Bundesbern die Dekarbonisierung als Treiber gilt, ist auch das verdichtete Bauen ein wichtiges Element, das zusätzlichen Holzabsatz generiert.
André Halter, Geschäftsführer des Forstbetriebs der Korporation Giswil, bestätigte, dass auch im Forst die Nachfragezunahme klar spürbar ist – einerseits beim Nadelrundholz, vor allem aber beim Energieholz. Auch Valentin Stäheli, Leiter Rundholzeinkauf bei Schilliger Holz AG, erwartet eine mittelfristige Steigerung der Rohstoffpreise. ‹Es darf aber nicht sein, dass es wegen mangelnden Rohstoffs zu einer Kannibalisierung zwischen den Energie-, Industrie- und Rundholzverarbeitern kommt›, sagte er.
Für Andrea Florinett, Geschäftsleiter der Florinett AG, ist klar, dass der Nachschub aus Deutschland nachgeben wird, so dass der Nachfragedruck auf die Schweizer Wälder steigen wird. Die Erfüllbarkeit der Holzindustrie-Forderung nach einer Million Kubikmeter mehr Rohholz zog niemand in Zweifel. ‹30000 Kubikmeter wären allein in Obwalden zusätzlich zu haben, wenn 15 bis 20 Franken zusätzlich im Wald ankommen›, sagte der Obwaldner Regierungsrat Josef Hess, Präsident der Konferenz für Wald, Wildtiere und Landschaft KWL.
Wo Mehrnutzung möglich ist – und was es dafür braucht
Wenn mehr Holz aus dem Schweizer Wald kommen soll, gilt es ganz praktische Herausforderungen zu meistern. Für Michael Reinhard, Leiter Abteilung Wald im Bundesamt für Umwelt BAFU, ist klar, dass Holznutzungspotential vor allem in Regionen liegt, wo dank Starkholzvorkommen mit sanfteren Eingriffen ein grösseres Volumen geerntet werden kann – ‹dies jedoch mit angepassten Ernteverfahren, da man nicht mehr mit frostharten Böden rechnen kann.› Zugleich ändert sich die Zusammensetzung der Baumarten, so dass laut Josef Hess vermehrt über Nutzungsmöglichkeiten von Laub-Stammholz nachgedacht werden sollte.
Sowohl Andrea Florinett als auch André Halter wiesen auf die Schlüsselrolle der Walderschliessung hin. Allerdings geht diese bei schweriger Topografie ins Tuch: ‹Die Erstellung eines Kilometers Waldstrasse in Bergregionen kostet 600000 Franken›, gab Halter zu bedenken. Andrea Florinett ergänzte: ‹In den Bergregionen ist zusätzlich die Erntezeit verkürzt, und es kann zu Konflikten mit Sport und Tourismus kommen.› Um so wichtiger sei es, so Michael Reinhard, dass sich die Kantone mit dem Bund feinabstimmen, was die Beteiligung und Mitfinanzierung von Förderprogrammen betreffe.
Zum Schluss diskutierte das Podium eine provokante Frage: Ist es vielleicht schlicht die Hiebsatzpolitik der Kantone, welche die vermehrte Holznutzung blockiert? Mit Blick auf den Kanton Obwalden konnte Josef Hess Entwarnung geben: Dort liege die Holzernte unter dem Hiebsatz. André Halter räumte jedoch ein, dass man in Giswil mit der Nutzung schon nahe am Hiebsatz dran sei. Thomas Lädrach schloss denn auch die Podiumsdiskussion mit dem Votum, dass trotz den auf Vorratserhalt ausgelegten Hiebsätzen auch ein Vorratsabbau kein Tabu sein dürfe – zumindest dort, wo der Vorrat heute sehr hoch sei.
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