Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Im Schweizer Wald lagert ein ganzer See

Endlich fällt wieder etwas Regen. Doch die Böden in der Schweiz sind knochentrocken. Gut, dass der Wald dagegenhält: Wissenschaftler der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL haben berechnet, dass die obersten zwei Meter des Waldbodens im ganzen Land soviel Wasser festhalten können, wie im Walensee Patz hat.

Bodenprofile – hier ein Nadelwald in Chironico im Tessin – erlauben Rückschlüsse darauf, wie empfindlich ein Baumbestand auf Trockenheit reagiert. Bild Katrin Meusburger, WSL

 

Im Trockensommer 2018 verfärbte sich das Laub mancher Bäume im Schweizer Wald vorzeitig oder fiel gleich ganz ab. Mittlerweile gibt es zahlreiche Untersuchungen dazu, wie Pflanzen auf solche Extremereignisse reagieren. Doch was mit dem Wasserhaushalt im Boden geschah, blieb bisher im Dunkeln. Jetzt konnte ein WSL-Forschungsteam erstmals die Bodenwasserspeicher im Schweizer Wald abschätzen, also wo wieviel für Pflanzen nutzbares Wasser vorhanden ist. Damit liessen sich die extremen Trockenheiten von 2015 und 2018 genauer analysieren.


Zwei Meter Waldboden speichern einen ganzen Walensee

Die Forscherinnen und Forscher integrierten Daten eines Netzwerks von 44 Bodenfeuchte-Messstationen, die schweizweit in unterschiedlich trockenen Böden installiert sind, in ein dynamisches Rechenmodell, das alle Wasserflüsse zwischen Boden, Pflanze und Atmosphäre modellieren kann. ‹Es kann zeigen, wie sich die Bodenwasserspeicher abhängig vom Wetter und dem Verbrauch durch Pflanzen füllen und leeren›, sagt Katrin Meusburger, Hydrologin an der WSL und Erstautorin eines Fachartikels in ‹Global Change Biology›.

Stellt man sich die maximale Wasserspeicherfähigkeit der Wälder bis in zwei Meter Tiefe als einen Eimer vor, dann fasst der ganze Eimer etwa das Wasservolumen des Walensees. Die Mengen sind aber schweizweit sehr ungleich verteilt; sie variieren um den Faktor zehn zwischen den Standorten mit kleinster Wasserverfügbarkeit und jenen mit der höchsten. Einen Einfluss hat auch die Wurzeltiefe der Pflanzen. Dieser Faktor floss dank neuer Messdaten der WSL hierzu in das Rechenmodell ein.


Der Wald verpufft im Trockenstress kein Wasser

Ein Ziel der Studie war es, den Wasserverbrauch der Bäume in den Trockensommern 2015 und 2018 abzuschätzen. ‹Man könnte denken, dass die Verdunstung im Wald die niedrigen Wasserstände in Gewässern oder im Grundwasser verschlimmert hat. Das ist aber nicht so›, sagt Meusburger. Die Bäume fuhren ihre Verdunstung (Transpiration) drastisch zurück, um 23% (2015) respektive 28% (2018). Bäume schliessen bei Trockenheit die Öffnungen in den Blättern und Nadeln, durch die sie CO2 für die Fotosynthese aufnehmen, aber auch Wasser verlieren. Dies geschieht auf Kosten des Wachstums. So ging unter dem Strich durch die Transpiration der Schweizer Waldbäume nicht mehr Wasser verloren als in anderen Jahren.

Meusburger möchte das Modell so weiterentwickeln, dass sich künftig Forstleute darüber informieren können, wie gross und wie gut gefüllt der Bodenwasserspeicher in ihren Wäldern ist. ‹Wir können den unsichtbaren Trockenstress aufzeigen, noch bevor die Schwelle zum Welken oder Laubfall der Bäume überschritten ist›, sagt Meusburger. Dazu möchte sie die räumliche Auflösung der modellierten Karten von derzeit 500 m auf 25 m erhöhen. Forstleute wären gewarnt, wenn ihre Bestände durch Trockenheit geschwächt sind, was Astbrüche, Windwurf bei Sturm und Pilz- oder Insektenbefall zur Folge haben kann.


Link www.wsl.ch