Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Insekten lieben Sturmflächen

Stürme bedeuten im Wald nicht nur Zerstörung, sondern schaffen darin auch neuen Lebensraum. So gibt es auf Waldflächen, die durch Stürme verwüstet wurden, rund doppelt so viele Insektenarten wie in unversehrten Wäldern. Das zeigt eine Studie der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL auf.

 

Artenreichtum nach Sturmereignissen
Der Grosse Zangenbock ist eine gefährdete totholzbewohnende Art, die vom grossen Holzangebot auf Sturmflächen profitieren kann.
Bild Beat Wermelinger/WSL

 

 

Vivian, Lothar oder Kyrill: Stürme sind der häufigste natürliche Störungsfaktor in europäischen Wäldern und eine treibende Kraft der Walddynamik. Windwürfe verändern Lebensräume, indem sie zuvor schattige Standorte öffnen, wodurch sich das lokale Klima sowie die Vegetation verändern. Ausserdem erzeugen Stürme viel Totholz, auf das etwa ein Viertel aller im Wald lebenden Organismen angewiesen ist.

 

Die WSL-Forscher erfassten die Artenvielfalt von Insekten auf drei Waldflächen, die der Orkan Lothar im Jahr 1999 zerstört hatte: Einen Buchenwald in Sarmenstorf (AG), einen Fichtenwald in Messen (SO) sowie einen Mischwald in Habsburg (AG). Dort sammelten sie während zwei Sommern Insekten mit Flug- und Bodenfallen und bestimmten die Arten im Labor. Als Kontrollflächen dienten vom Sturm unversehrte, benachbarte Wälder.

 

Exklusive Arten auf Windwurfflächen

 

Auf Windwurfflächen leben Arten sowohl des Waldes als auch der offenen Landschaft. Dies erhöht nicht nur die absolute Menge von Insekten, sondern, wie die Forscher herausfanden, auch die Zahl der Arten. Durchschnittlich beheimateten Windwurfflächen doppelt so viele Arten wie intakte Wälder; Bienen-, Wespen- und Wanzenarten gab es sogar fast viermal mehr.

 

‹Ausserdem locken Windwurfflächen viele gefährdete Käfer an, vor allem solche, die auf Totholz angewiesen sind›, erklärt Beat Wermelinger, Waldentomologe an der WSL und Erstautor der Studie. ‹Die intakten Wälder beherbergen hingegen eher weniger exklusive Insekten›, sagt er. Dort seien zum Beispiel Lauf- und Borkenkäfer häufig, wobei 72% der Borkenkäfer zur Art des Schwarzen Nutzholzborkenkäfers gehören – einer eingeschleppten Spezies.

 

Räumung ohne Auswirkung auf Artenvielfalt

 

Geräumte und ungeräumte Sturmflächen unterschieden sich kaum, was die Artenvielfalt betrifft – einzig die Anzahl der nicht zu den Insekten gehörenden Spinnenarten war auf ersteren höher. Die Artenzusammensetzung jedoch unterschied sich deutlich: Weniger als zwei Drittel der Arten kamen gleichzeitig auf beiden Räumungstypen vor. Denn durch die Holzräumung verschwinden zwar Lebensräume für holzbewohnende Insekten, jedoch entstehen neue Mikrohabitate, etwa für Bienen oder Wespen.

 

‹Der Grund dafür, dass der Artenreichtum auf ungeräumten Windwurfflächen nicht nennenswert höher ist, liegt wahrscheinlich darin, dass auch nach einer Stammholzräumung immer noch ausreichend Totholz liegen bleibt›, erklärt der Insektenexperte. ‹Anders als zum Beispiel in Skandinavien, wo nach Sturmholzernten nur etwa 10 m3 pro Hektare Holz liegen bleiben, gibt es in Schweizer Wäldern danach immer noch rund 50 m3 Kubikmeter davon.› Im Schnitt befinden sich im Schweizer Wald auf einer Hektare gut 24 m3 Totholz.

 


Link www.wsl.ch