Jakob Stark: ‹Der Einheit von Lignum Sorge tragen›
Jakob Stark freut sich über das neue Martin-Haffter-Schulhaus in Weinfelden. 2019 haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dem Kredit für den Ersatzneubau des alten Primarschulhauses zugestimmt. Der Holzbau folgt einem Entwurf des Architekturbüros Isler Gysel Architektur GmbH aus Zürich zusammen mit Pirmin Jung Schweiz AG (Sargans) als Holzbauingenieuren. Derzeit geht der dreigeschossige Minergie-P-Bau der Fertigstellung entgegen. Als Totalunternehmer wirkt Implenia Schweiz AG, den Holzbau haben Bornhauser Holzbau AG, Wiesli Holzbau AG und Kaufmann Oberholzer AG erstellt. Gebaut wurde mit Holz aus der Region.
Bild Michael Meuter, Zürich
Bereits als Thurgauer Baudirektor hat sich Jakob Stark erfolgreich für die Förderung des Holzbaus im Kanton eingesetzt, so etwa für den Erweiterungsbau des Regierungsgebäudes in Frauenfeld, zu dem die Thurgauer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Herbst 2020 ja gesagt haben. Der neue Lignum-Präsident wohnt übrigens auch selber in einem Holzhaus – und fühlt sich darin ‹sehr zu Hause›, wie er erklärt. ‹Das Wohngefühl in einem Holzhaus ist einfach fantastisch›, sagt Stark.
‹Erfreulicherweise gibt es im Thurgau eine ganze Menge schöner neuer Holzbauten der öffentlichen Hand›, sagt Stark. Zum Beispiel das neue Martin-Haffter-Schulhaus in Weinfelden, auf dessen Baustelle wir den neuen Lignum-Präsidenten zum Interview treffen.
Herr Stark, seit dem 1. Mai 2021 präsidieren Sie Lignum, Holzwirtschaft Schweiz. Was ist Ihr ganz persönlicher Bezug zu Wald und Holz?
Wald und Holz bedeuten mir viel. Ich halte mich oft und gerne in Wäldern auf, beim Spazieren und Wandern, beim Joggen oder auch – leider eher selten – bei der Pflege meiner eigenen zwei kleinen Waldparzellen. Ich interessiere mich für alle Baum- und Holzarten. Uralte Eichen- oder Eibenbestände faszinieren mich ebenso wie schöne Buchen- und Tannenwälder oder auch schlanke Föhren, die letzthin wie die Fichten besonders unter der Schneelast gelitten haben. Besondere Aufmerksamkeit schenke ich der Douglasie, die ich als einen wichtigen Zukunftsbaum für unsere Wälder und unsere Holzwirtschaft betrachte. Beim Holz darf aber der Blick auch über den Wald hinausgehen. Als auf dem Bauernhof meiner Eltern ein Birnbaum gefällt wurde, hat mir mein Schreiner daraus einen sehr schönen Stubentisch gefertigt.
Welche besonderen Chancen sehen Sie für die vermehrte Anwendung von Holz?
Die Chancen sind fast unbegrenzt. Dank enormer Entwicklung von Material und Konstruktion sowie gleichzeitiger Anpassung der Brandschutzvorschriften an den Stand der Technik im Holzbau können heute nicht nur mehrgeschossige Holzhäuser, sondern sogar Holz-Hochhäuser gebaut werden. Das grossvolumige Bauen mit Holz hat für alle Nutzungen eine grosse Zukunft. Forschung und Innovation gehen weiter, wodurch es allmählich gelingt, Holzwerkstoffe mit statischen Qualitäten herzustellen, die dem Beton ebenbürtig sind. Damit weitet sich die Anwendung des Holzbaus über den Gebäudesektor hinaus in den Infrastrukturbau wie beispielsweise den Brückenbau. In diesem Zusammenhang habe ich in der letzten Session im Ständerat eine Motion eingereicht.
Beton dominiert noch immer. Wann haben wir in der Schweiz mehr Holz- als Massivbauten?
Wer den Holzbau voranbringen möchte, muss sich deswegen nicht komplett vom Beton verabschieden; auch Holzbauten profitieren von der Kombination mit diesem Baustoff. Modernes Bauen ist hybrid, man mischt. Es gibt jedoch Anzeichen, dass die Epoche des überwiegenden Massivbaus allmählich in die Epoche des Holzbaus übergeht. Der Weg zur Nachhaltigkeit führt zwingend zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung, eine grosse Chance und zugleich auch eine Herausforderung für die Holzwirtschaft. Die Zeit dürfte also kommen, wo mehr Holz- als Massivbauten erstellt werden. Im Moment tönt das angesichts der Marktmacht des Massivbaus noch nach Zukunftsmusik, ich weiss. Aber der Umschwung ist bereits voll im Gange.
Hat das Holz aus dem Schweizer Wald im Markt den Stellenwert, den es verdient?
Objektiv ist das nicht zu beantworten, es ist immer eine Frage des Standpunkts, denn grundsätzlich ist ein Markt einfach ein Markt; und wenn ein Marktteilnehmer findet, sein Produkt habe im Markt einen zu tiefen Wert, so muss er sich überlegen, woran dies liegt und wie er das ändern kann. Subjektiv finde ich auch, dass Schweizer Holz vom Markt besser honoriert werden sollte, doch das Ziel zu formulieren ist weitaus leichter, als Mittel und Wege dafür zu finden. Mit dem Label Schweizer Holz ist die Branche sicher auf dem richtigen Weg. Zu beachten ist dabei ein möglichst breiter Konsens, damit die ganze Branche am gleichen Strick zieht.
Welche Bedeutung hat die Lignum für die gute Zukunft von Holz in der Schweiz?
Als Dachorganisation der Verbände und Organisationen der schweizerischen Wald- und Holzbranche hat Lignum eine zentrale Funktion zur Bündelung der Kräfte für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, zur Information der Öffentlichkeit über die Stärken von Holz und zur Mitwirkung in für die Branche relevanten politischen Prozessen. Aber die Lignum ist ja vor allem auch ein Kompetenzzentrum zur Anwendung von Holz am Bau. Sie sorgt dafür, dass das Wissen zum Holzbau bei den Bauplanern auf der Höhe der Zeit ist. Das ist enorm wichtig für die Branche. Das Gespräch mit den Bauentscheidern auf Augenhöhe ist matchentscheidend für den Erfolg von Holz im Baumarkt. Und dieser Markt ist der wichtigste für Holz. Daran verdienen alle etwas – von den Zimmerleuten und Schreinern zurück über den Handel und die Säger bis zu den Waldeigentümern.
Wo werden Sie Ihre persönlichen Schwerpunkte als Lignum-Präsident legen?
Zunächst ist mir eine gute Einarbeitung wichtig, in deren Verlauf sich Prioritäten und Herausforderungen konkretisieren werden. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich sagen, dass es mir ein grosses Anliegen sein wird, der Einheit von Lignum Sorge zu tragen. Die Mitgliederverbände haben zum Teil ganz unterschiedliche Interessen; hier gilt es hartnäckig den gemeinsamen Nenner zu suchen, der die Schweizer Holzwirtschaft eint, stärkt und voranbringt. Auch die Frage der Aufgaben und Funktionen des Dachverbands sind immer wieder zu klären und in Einklang zu bringen mit den Aufgaben und Funktionen der Mitgliederverbände. Konkret wird sicherlich auch das Label Schweizer Holz ein wichtiges Thema sein.
Sie vertreten Ihren Wohnkanton Thurgau als Ständerat in Bern. In welchen politischen Geschäften kann die Holzbranche als erstes auf Ihre Unterstützung zählen?
Klimapolitisch hat der Holzbau den Vorteil, dass das verwendete Holz viel CO2 bindet und damit einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase bzw. zur Bremsung der Klimaerwärmung leisten kann, und das erst noch sehr kostengünstig. Dieser Stärke gilt es auch politisch den Weg zu ebnen. In der Sommersession ist im Ständerat meine Motion ‹Erforschung und Innovation des Werkstoffs Holz für den Einsatz im Infrastrukturbau als Dekarbonisierungs-Beitrag› traktandiert. Ich habe diese zusammen mit 41 Kolleginnen und Kollegen eingereicht, das Thema geniesst also grosse Sympathie. Es geht dabei um die Förderung von Forschung und erstmaliger Anwendung von Forschungsergebnissen im modernen Holzbau mit dem Ziel, Stahlbeton durch CO2-speichernde Materialien zu ergänzen bzw. zu ersetzen, insbesondere im Infrastrukturbau. Die Antwort des Bundesrats steht noch aus. Ich werde mich auf jeden Fall mit Nachdruck für eine Erheblicherklärung einsetzen, allenfalls als Alternative auch für eine Überweisung an die zuständige ständerätliche Kommission.