Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Jegenstorf baut ein neues Schulhaus aus gemeindeeigenem Holz

In der Berner Gemeinde Jegenstorf entsteht nach dem Willen der Bevölkerung die Schulanlage Gyrisberg für die Unter-, Mittel- und Oberstufe aus eigenem Holz. Naos Architekten AG aus Bern realisieren den Neubau. Nadine Kilcher gehört der Geschäftsleitung des Büros von Peter Gieriet an. Sie erläutert im Interview den Werdegang des Projekts. Die Fragen stellte Christoph Spinnler, Leiter Marketing Schweizer Holz bei Lignum in Zürich.

Schulanlage Gyrisberg, Jegenstorf
Bauherrschaft: Gemeinde Jegenstorf; Architektur: Naos Architekten AG, Bern; Holzbau: Kühni AG, Ramsei 
Wettbewerb 2019; Ausschreibung Holzbau: Juni 2022; Holzschlag: ab Oktober 2022; Ausführung 2022–2024
Holzmenge und -art: Insgesamt über 1300 m3 Fichte, Tanne und Esche (lokal beschafft)
Visualisierung Architekten/Nightnurse Images AG

 

Frau Kilcher, Sie realisieren zurzeit den Neubau des Schulhauses Gyrisberg im bernischen Jegenstorf mit eigenem Holz der Gemeinde – ist es ein erstes Mal?
Ja. Eigentlich haben wir den Wettbewerb mit einem Projekt in Hybridbauweise gewonnen. Der Impuls für einen Holzbau kam aus der Bevölkerung, die sich ein Schulhaus aus eigenem Holz wünschte. Es stellte sich heraus, dass die Gebäudestruktur gut geeignet ist für einen Holzbau. Wir haben unseren Entwurf entsprechend angepasst, ohne einen Nachtrag für eine Projektänderung zu stellen.

Warum?
Anfangs waren wir – aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet – skeptisch gegenüber dem Vorhaben, eigenes Holz zu verwenden. Wir erkennen nun aber den Mehrwert und sind bereit, unseren Teil beizutragen. Für uns sind es wichtige Erfahrungen, die wir machen können. Auch die Gemeinde und die Fachplaner waren gewillt, sich auf den Prozess einzulassen.

Was sind die Herausforderungen?
Es gibt zahlreiche Ungewissheiten. Zum einen gibt es mehr Schnittstellen, zum anderen sind die Abläufe schwieriger zu koordinieren und die Kosten weniger klar. Wer ist verantwortlich bei Mängeln? Greifen wir in den Markt ein, wenn die Sägerei bestimmt wird? Trägt die Gemeinde den administrativen Mehraufwand? Hier wird das Team als Ganzes gefordert.

Wie sind Sie damit umgegangen?
Die Zuständigkeiten wurden genau definiert. Um die Qualität und die Kosten im Griff zu behalten, ist eine frühzeitige Ausschreibung unabdingbar. So konnten wir für die Ausschreibung verschiedene Varianten der Holzbeschaffung vergleichen.

Welche waren das?
Ausgeschrieben haben wir die Arbeiten in zwei Varianten, um das Kostenrisiko zu minimieren: Die Hauptvariante berücksichtigt Holz aus dem eigenen Wald, das durch die Gemeinde
selbst geschlagen wird. Für das Sägewerk gab es eine separate Ausschreibung. Der Holzbauer war angehalten, selbst ein Leimwerk als Subunternehmer vorzuschlagen. Die zweite Variante der Ausschreibung war mit Schweizer Holz und fungierte als ‹Rückfallebene›.

Wie lief die Koordination der verschiedenen Projektbeteiligten?
Schon vor und während des Holzschlags haben wir Koordinationssitzungen mit allen Beteiligten abgehalten – mit der Bauverwaltung der Gemeinde, den Architekten sowie dem Holzbauingenieur, Holzbauer, Förster, Sägewerk und Leimwerk. Vor allem die benötigte Holzmenge und -qualität wurde dabei immer genauer definiert. Zudem ging es immer auch um Kosten und Termine.

Wie lief die Holzbeschaffung im Detail?
Nachdem der Förster den Holzschlag angezeichnet hatte, beauftragte die Gemeinde eine Unternehmung mit der Ernte und hat die Preise für die Verrechnung des Holzes definiert – diese lagen unter dem normalen Marktwert. Es erfolgte ein stetiger Austausch, welche Bäume wie weit eingeschnitten sind, ob die Qualität stimmt und die Termine eingehalten werden können.
Der Holzbauingenieur organisierte den Ablauf, erstellte den Zeitplan, koordinierte die Schnittstellen und Qualitätskontrollen und bestimmte die benötigten Festigkeitsklassen pro Bauteil. Daraus wurde die Holzliste erstellt und ständig verfeinert. Rundholz, das nicht genutzt werden konnte, wurde von der Gemeinde an das Sägewerk verkauft. Restmaterial wird dem Schreiner weiterverkauft, der das Eschenholz für die Sockelleisten und Garderoben im Schulhaus Gyrisberg weiterverarbeitet.
Die dicken Stämme werden zur Produktion von Balken und Brettern in einer lokalen Sägerei verarbeitet und für das Leimwerk vorbereitet. Aus den weniger dicken Stämmen wurden Latten gesägt, die anschliessend zu Bauteilen verleimt wurden. Das Energieholz, also die nicht konstruktiv nutzbaren Teile wie Äste oder die Baumkrone, werden lokal als Energieholz verwendet.

Gab es unvorhergesehene Probleme?
Wir mussten flexibel bleiben. So haben wir beispielsweise festgestellt, dass wir nicht genügend Bretter mit 20 cm Breite erhalten, und sind auf 10 cm ausgewichen. Es war nicht ganz einfach, genügend Holz in der geforderten Qualität zu bekommen. Deshalb mussten wir Esche auch aus den umliegenden Wäldern beschaffen. Aber durch einen engen Austausch mit den Unternehmern und der Bauherrschaft konnten wir all diese Herausforderungen bewältigen.

Würden Sie wieder mit eigenem Holz bauen?
Ja, der Mehraufwand hat sich aus unserer Sicht gelohnt. Beim nächsten Mal können wir sicher von den gemachten Erfahrungen profitieren. Es bleibt das gute Gefühl, die Herausforderung nicht gescheut zu haben und dabei einen Bau mit grossem Identifikationspotential und enormer Strahlkraft zu realisieren. Darauf sind wir auch ein bisschen stolz.


Links https://naos.ch | www.jegenstorf.ch | www.holz-bois-legno.ch