Tagungsband bei Lignum erhältlich
Zum 46. Fortbildungskurs S-WIN ist ein Tagungsband mit den Präsentationen und Referaten des Anlasses erschienen: ‹Holzverbindungen mit Klebstoffen für die Bauanwendung›, Format A4, s/w, 224 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen und Tabellen (Preis CHF 80.–, für Mitglieder S-WIN CHF 64.–).
Link <link shop tagungsbaende_sahs_win>S-WIN-Tagungsband 2014 online bestellen
Am 46. Fortbildungskurs S-WIN 2014 in Weinfelden wurden aktuelle Klebstoffsysteme und neue Erkenntnisse zu Holzverbindungen mit Klebstoffen im Bau präsentiert. Die Kursleiter Klaus Richter (Holzforschung München TUM) und Christian Lehringer (Purbond AG, Sempach-Station) führten durch den mit insgesamt 180 Teilnehmern gut besuchten Kurs.
In einem ersten Teil wurden Anforderungen und Grundlagen dargelegt, ein zweiter Teil widmete sich den Klebstoffen in der Bauanwendung. Markt- und Systemlösungen zeigten praktische Anwendungen auf, und im Teil ‹Forschung und Entwicklung› kamen Trends zur Sprache, die künftig zu erwarten sind.
Kleben – nicht einfach Ersatz für andere Verbindungsmittel
Was im Automobil- und Flugzeugbau längst gebräuchlich ist, ist im Holzbau verhältnismässig neu. Holzleime für Tragwerke wurden vor über hundert Jahren noch aus natürlichen Proteinen wie Glutin und Kasein aufgebaut – heute sind synthetische, aus Erdölderivaten gewonnene Klebstoffe Standard.
Das Kleben als Fügeverfahren wurde aber nicht durch Bauingenieure, sondern von Chemikern entwickelt. Nicht zuletzt deshalb hafte der Klebetechnik im Bauwesen etwas Mysteriöses an, meinte Till Vallée, Referent des Fraunhofer-Instituts IVAM in Bremen. Er betonte, dass das Kleben nicht einfach als Ersatz für mechanische Verbindungen wie Bolzen, Dübel oder Schrauben zu betrachten sei. Klebeverbindungen übertragen Lasten von einem Holzbauteil zum andern völlig verschieden von etwa stiftförmigen Verbindungsmitteln.
Hybride Tragwerke aufgrund der Klebetechnologie
Allein Holzbauteile untereinander zu verkleben, ist bezüglich architektonischer Gestaltung nicht sonderlich ergiebig. Kleben als Fügeverfahren ermöglicht es indessen, unterschiedliche Werkstoffe miteinander zu verbinden – Metalle, Glas, Kunststoffe usw. Hier findet sich ein weites Feld der technischen und gestalterischen Möglichkeiten.
Das volle Potential des Klebens im Holzbau wird dann erschlossen, wenn von vornherein entsprechend konzipiert, entworfen und konstruiert wird, das wurde nachdrücklich betont. Der baukonstruktive Teil des Fortbildungskurs machte klar, dass diesbezüglich noch einiges an konstruktiv-gestalterischen Entwicklungen zu erwarten ist, Entwicklungen, die den Holzbau weiter voranbringen dürften.
Normen als Hürden oder als Hilfsmittel?
Baunormen sollen das aktuelle Fachwissen ordnen und klare Regeln aufstellen, um die geforderte Qualität zu erreichen. In der Schweiz ist keine Prüfstatik erforderlich. Dies erleichtert neue und innovative Produkte, die auf diese Weise rasch zu realisieren sind. In Deutschland und Österreich geben die Normen vor, wie etwas zu rechnen ist – in der Schweiz dient die SIA-Norm vorab als Hilfsmittel für die Planung und lässt Ausnahmen zu.
Das bedeutet auch, dass die Schweizer Normen Innovation fördern, statt sie zu behindern. Thomas Strahm von der Firma neue Holzbau AG in Lungern räumte ein, dass eine europäisch geltende Regelung letztlich auch für das Exportland Schweiz wesentlich sei, hofft aber weiterhin auf die Möglichkeit, im Rahmen von Theorie und Versuchen auch Abweichungen zu gestatten.
Nur so seien neue Entwicklungen wie auch wegweisende Bauten auch künftig möglich, darin waren sich die Fachleute am Anlass weitgehend einig. Die bevorstehende Übernahme von Normen und Regelungen der EU sei für die Schweizer Betriebe mit zum Teil erheblichen Konsequenzen auch für den Binnenmarkt verbunden. Es wurde deutlich, dass zu diesem Thema in der Schweizer Baubranche noch erheblicher Aufklärungsbedarf besteht.
Verkleben von Holz in der Baupraxis
Kleben ist und bleibt eine unverzichtbare Füge- und Verbindungstechnik in einer ganzen Reihe von Industrien. Klaus Richter rechnete vor, dass weltweit mit Kleb- und Dichtstoffen sowie mit Klebebändern jährlich rund EUR 60 Mia. umgesetzt würden. Allein die deutsche Klebstoffindustrie habe 2013 insgesamt 877000 Tonnen produziert und EUR 3,5 Mia. Umsatz erzielt. Dabei werde insbesondere der Holzbau als Branche mit hohem Marktpotential gesehen.
Die am zweiten Tag des Kurses gemachten Ausführungen stützten diese Prognose. Nebst bereits bekannten Anwendungen kamen Innovationen beim Verkleben von Lärchenholz und alternativen Holzarten zur Sprache, schnellhärtende Klebstoffsysteme für den Holztafelbau, das Verleimen von Wand- und Deckenelementen mit neuen Presstechniken und manches mehr. Selbst Stoffe, die aus Pflanzen gewonnen werden – Zellulose-Nanofibrillen – werden beigezogen, um Klebstoffe zu optimieren.
Ausblick auf künftige Entwicklungen
Nebst den auf chemischen Prozessen beruhenden Klebstoffen sind für die Forschung auch biologische Haftsysteme von Interesse. Wie bringen es Fliegen oder Geckos fertig, sich an einer Decke sicher zu bewegen? Dass diese Beispiele biologischer Haftprinzipien für das Thema Bau zwar exotisch wirken, aber durchaus von Interesse sein können, legte zum Abendanlass Stanislav N. Gorb (Universität Kiel) in seinem Kontrapunkt-Vortrag dar.
Klaus Richter beleuchtete in seinem abschliessenden Ausblick die sich bietenden neuen Möglichkeiten. Die Natur kenne zahlreiche mechanische Verzahnungen, stoffschlüssige Kontakte, chemische Bindungen und Kapillarkräfte. Auch wenn diese Techniken für den Holzbau noch längst nicht industriell erschlossen seien, so seien die daraus gewonnen Erkenntnisse für das Entwickeln neuer Verbindungstechniken doch von Interesse – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der immer noch herrschenden Abhängigkeit von fossilen Ressourcen. Sie lege es nahe, neue Lösungen auf der Basis natürlicher, biogener und nachwachsender Rohstoffe zu entwickeln.
Verklebungen bieten im Bereich der Werkstoffe und des Holzbaus zahlreiche Möglichkeiten und eröffnen neue Perspektiven. Sehr viele Bauteile lassen sich mit Klebetechnik dauerhaft und sicher miteinander verbinden. Die wohl wichtigste Voraussetzung für eine weiterhin erfolgreiche Entwicklung im Bereich Holzverbindungen mittels Klebstoffen für die Bauanwendung, so das Fazit aus diesem Fortbildungskurs, wird aber nach wie vor die enge Zusammenarbeit zwischen Forschern, Anwendern und Klebstoffproduzenten sein.
Link www.s-win.ch