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Klima und Energie: Sommer-Nachlese aus den Kantonen

Aargau und Solothurn wollen ihr Energiegesetz erneuern. Der Kanton Bern verfügt neu über Klimakarten. Nidwalden und Graubünden planen den Einstieg in den ‹Solarexpress›. St. Gallerinnen und St. Galler müssen sich wohl bald zum Projekt eines Klimafonds äussern. Im Kanton Zürich soll das Klimaziel im Energiegesetz aktualisiert werden: netto null bis spätestens 2050. Das braucht viel mehr Fotovoltaik als bisher.

Während die Aargauer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am 18. Juni mit etwas mehr als 52% dem Schweizer Klimagesetz zustimmten, haben sie gleichentags eine kantonale Klimaschutzinitiative mit fast 68% Nein-Stimmen bachab geschickt. Das 2020 eingereichte Volksbegehren rief nach einer Anpassung des kantonalen Energiegesetzes: Jährlich sollten demnach bei mindestens 3% der Gebäude energetische Erneuerungen unterstützt werden.

Mittlerweile hat der Aargauer Regierungsrat eine schlanke Teilrevision des Energiegesetzes zuhanden des Grossen Rats verabschiedet. Im Mittelpunkt steht der Heizungsersatz. Wie bis anhin soll dabei auf ein Verbot fossiler Energieträger verzichtet werden. Beim Austausch einer Heizung sollen künftig maximal 90% der Energie des massgebenden Bedarfs einer Wohnbaute durch nichterneuerbare Energie bereitgestellt werden. Der neue Vorschlag des Regierungsrats verzichtet indessen auf eine Pflicht zur Eigenstromproduktion auf Neubauten. Die Vorlage wird voraussichtlich im dritten Quartal in erster Lesung im Grossen Rat behandelt.
 

Der Solothurner Regierungsrat hat Ende Juni den Entwurf zur Totalrevision des kantonalen Energiegesetzes in die Vernehmlassung geschickt. Sie läuft bis 4. Oktober. Mit der Totalrevision werden energetische Sanierungen unterstützt, die sich in Eigenverantwortung umsetzen lassen. Dazu sollen verschiedene Fördermassnahmen, Anreizsysteme und Bonusprogramme geschaffen werden. In Mehrparteienhäusern wird zum Beispiel die Installation von Ladeinfrastrukturen für E-Fahrzeuge gefördert oder ein neues Bonusprogramm eingerichtet, wenn bei einer energetischen Sanierung der Gebäudehülle gleichzeitig eine Fotovoltaikanlage eingebaut wird.

Mit der Eröffnung der Vernehmlassung des Energiegesetzes hat der Solothurner Regierungsrat zeitgleich den darauf abgestimmten Massnahmenplan Klimaschutz zuhanden des Kantonsrates verabschiedet. Dieser fokussiert auf  ergänzende, überwiegend nichtenergetische Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen in den Bereichen Verkehr, Industrie und Gewerbe, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Hoch- und Tiefbau, Abfall und Konsum sowie Finanzanlagen.
 

Eine Solaranlage auf jedes Dach: Mit dieser Forderung hat ein Initiativkomitee 2021 die ‹Berner Solar-Initiative› lanciert. Der Regierungsrat unterstützt die Stossrichtung der Initiative. Doch die Solarpflicht für bestehende Bauten geht ihm zu weit: Sie soll nur gelten, wenn Dachflächen saniert werden. Die zuständige Kommission des Berner Grossen Rates hat im Juli die Beratungen zur Solarinitiative und zum Gegenvorschlag des Regierungsrates aufgenommen. Die Kommission will die Gesetzesänderungen auf Bundesebene in die Überlegungen mit einbeziehen und hat deshalb beschlossen, einen eigenen Gegenvorschlag zur Initiative auszuarbeiten. 

Der Kanton Bern hat überdies zusammen mit der Stadt Bern die klimatische Situation heute und für die Zukunft bis 2060 modelliert und Klimakarten entwickelt. Sie enthalten Informationen zu Lufttemperaturen, Kaltluftströmen und bioklimatischen Bedingungen am Tag und in der Nacht während einer sommerlichen Hitzeperiode. Sie zeigen auf detaillierter Massstabsebene, wo heutige und zukünftige Hitzeinseln und Ausgleichsräume liegen und wo sich wichtige Durchlüftungsbahnen befinden. Diese Informationen werden in Analyse- und Planhinweiskarten zusammengefasst und dienen dazu, das Thema Hitze in der Raumplanung besser zu berücksichtigen.
 

Nidwalden sieht sich bereit für alpine Fotovoltaik-Grossanlagen. Das kantonale Elektrizitätswerk Nidwalden EWN hat in seinem sowie im angrenzenden Netzgebiet Potentialabklärungen für solche Anlagen durchgeführt und dabei sechs Standorte analysiert. Zwei werden als sehr gut geeignet eingestuft, wovon einer ausserhalb der Kantonsgrenze liegt, jedoch gut ans Netz des EWN angeschlossen werden könnte. An einem weiteren Standort werden die Jahresproduktionsvorgaben des Bundes grundsätzlich erreicht – je nach Witterung aber womöglich nicht dauerhaft. Der Nidwaldner Regierungsrat bekräftigt, dass die Rahmenbedingungen für ein rasches Bewilligungsverfahren solcher Anlagen in Nidwalden gegeben sind. Was das Bewilligungsverfahren im Kanton betreffe, so bestünden die gesetzlichen Grundlagen bereits.
 

Graubünden hat einen Leitfaden zum ‹Solarexpress› entwickelt, mit dem hochalpine Solaranlagen rasch vorankommen sollen. Voraussetzungen dafür sind ein beschleunigtes Bewilligungsverfahren und gelockerte Auflagen bei der Planung. Der Leitfaden des Kantons zeigt auf, wie die Bundesvorgaben durch die Projektierenden einzuhalten sowie auf Stufe Kanton und Gemeinden umzusetzen sind. Der Leitfaden wird fortlaufend mit weiteren – aktuell noch offenen – Detailaspekten ergänzt und nachgeführt. Eine Anpassung der kantonalen Raumplanungsverordnung zur Umsetzung des ‹Solarexpresses› ist in Vorbereitung. Die Inkraftsetzung erfolgt voraussichtlich im dritten Quartal.
 

Die St. Galler Stimmbevölkerung dürfte in den nächsten Monaten über einen von der SP geforderten Klimafonds im Umfang von CHF 100 Mio. abstimmen. Dies, obwohl der Kantonsrat die Initiative in der Sommersession abgelehnt und stattdessen den Gegenvorschlag angenommen hat, der einen Sonderkredit in der Höhe von CHF 59 Mio. vorsieht. Die SP sei aufgrund vieler Unterschriften in kurzer Zeit überzeugt, dass die Initiative an der Urne gute Chancen habe, zeigte sich die St. Galler SP-Fraktionspräsidentin Bettina Surber Mitte Juni im ‹St. Galler Tagblatt› überzeugt. Gemäss einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag der Zeitung hat das Vorhaben in der Bevölkerung jedoch einen schweren Stand. 56% der Befragten sagten im Februar nein oder eher nein dazu.
 

Im Mai 2022 hat die Zürcher Stimmbevölkerung mit einer Zweidrittelmehrheit einen neuen Artikel in die Kantonsverfassung aufgenommen, der dem Kanton und den Gemeinden den Auftrag erteilt, sich für die Begrenzung des Klimawandels und seiner Auswirkungen einzusetzen. Nun beantragt der Regierungsrat dem Kantonsrat, das Energiegesetz entsprechend anzupassen. Er will darin gesetzlich verankern, dass im Kanton Zürich netto null Treibhausgasemissionen in Übereinstimmung mit dem Bund bis spätestens 2050 erreicht werden sollen.

Auf dem Weg zu diesem anspruchsvollen Klimaziel spielt vor allem die Fotovoltaik eine tragende Rolle. Eine neue Analyse des kantonalen Statistischen Amts untersucht erstmals die Verbreitung von Solarstrom-Anlagen auf Grundstücksebene. Ende 2021 waren auf dem Gebiet des Kantons Zürich mindestens 12600 PV-Anlagen installiert, die zusammen jährlich rund 0,3 TWh Strom produzieren. Dies entspricht etwa dem Jahresstromverbrauch des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Derzeit verfügt aber nur etwa jedes zehnte seit 2010 neu gebaute Wohngebäude über eine PV-Anlage.


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