Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Klimagerechtes Bauen in Innsbruck im Zentrum

Mit mehr als 2800 Teilnehmenden am Gesamtanlass können die Veranstalter auch das dritte Internationale Holzbauforum IHF in Innsbruck als grossen Erfolg verbuchen. Thematisch schwang das Bauen in Zeiten des Klimawandels am Kongress obenaus – und damit verbunden der Blick auf die Chancen und Grenzen des Baustoffs Holz.

Oben: Julia Selberherr von Wüest Partner spricht am Holzbauforum in Innsbruck. Unten: Geehrt für seine Verdienste um die Branche wurde diesmal neben dem österreichischen Wissenschaftler Alfred Teischinger der Schweizer Unternehmer George Kuratle (links).
Bilder IHF

 

Berichte aus der Mitte der Holzbaubranche über spannende, vorbildliche und teilweise auch spektakuläre Bauprojekte sollen natürlich in erster Linie die am IHF teilnehmenden Planer und Investoren animieren, künftig mehr mit Holz zu bauen. Die beim IHF üblicherweise stark vertretenen Holzbauunternehmer, ihre Zulieferer sowie Forscher und Ausbilder bekamen neben Fachinfos und Anregungen erneut einiges an ‹Hausaufgaben› mit auf den Heimweg.

Denn mit den seit Februar 2022 – Stichwort Ukraine – neu aufgetretenen wirtschaftlichen Unsicherheiten und der energiepolitisch veranlassten Transformation der Wirtschaft wandeln sich die Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft stärker als in vielen Jahrzehnten zuvor – und das gilt auch für den Holzbau als Teil der Gesamtbranche, die weltweit insgesamt viel zu hohe Treibhausgasemissionen verursacht und kurzfristig an vielen Stellen umsteuern muss, wenn man die Klimaziele 2050 wenigstens annähernd erreichen will.


Ernüchternder Blick auf den Gebäudebestand in Europa

Julia Selberherr als Startreferentin beim IHF-Auftakt am Mittwoch lenkte den Blick auf den energetisch noch weitgehend unsanierten Gebäudebestand in Europa. Die Immobilienberaterin von Wüest Partner lieferte einen Vier-Länder-Vergleich (D-A-CH und Frankreich), der im Hinblick auf die UN-Entwicklungsziele für Nachhaltigkeit beim Klimaschutz (SDG Punkt 13) nur wenig Fortschritte zeigte.

Beim Bauen im Bestand sollte die Sanierung Vorfahrt vor der öfter problembehafteten Nachverdichtung bekommen, denn bei der Sanierung des durchschnittlichen Wohnungsbestands fielen weniger Treibhausgas-Gesamtemissionen an als bei der Schaffung von Ersatzneubauten. Rasch gestiegene Kreditzinsen und bis zu 50% höhere Baukosten (vor allem in Deutschland und Österreich) hätten viele Bauunternehmen und Projektentwickler in Schwierigkeiten gebracht, und nun werde vor allen in den urbanen Zentren zu wenig gebaut.

Unter den veränderten Bedingungen leide auch die Bezahlbarkeit nachhaltiger Wohnbauprojekte. Nachhaltige Immobilienprojekte, welche die ESG-Kriterien bereits erfüllten, genössen aktuell noch einen Sonderstatus mit Wertaufschlägen. Das könnte aber kippen, wenn ältere Gebäude, die die ESG-Kriterien nicht erfüllten, deutliche Wertabschläge erführen.


Holz allein kann das Klima nicht retten

Zum Start des Kern-Forums am 30. November bestätigte Klimaforscher Frank Böttcher aus Hamburg, was vielen IHF-Teilnehmenden angesichts des schleppenden Verlaufs der Klimakonferenz COP28 in Dubai bereits schwante: dass das 1,5-Grad-Klimaziel bis 2050 nicht mehr erreichbar sei und es keine international abgestimmten, einheitlichen Klimaschutzmassnahmen geben werde. Fortan rücke vor allem die Anpassung an den Klimawandel und neue Klimarealitäten auf der Prioritätsliste ganz nach oben.

EOS-Generalsekretärin Silvia Melegari aus Brüssel wies in einem kurzen Statement insbesondere auf die Substitutionseffekte von Produkten aus Holz hin. Eine umfangreiche FAO-Studie (‹Forest Products in the global Bioeconomy›) besage, dass sich beim Bau mittelhoher Stadtgebäude aus Holz und Holzwerkstoffen CO2-Emissionen von 5 Mio. bis 1,2 Mia. Tonnen durch andere Baustoffe vermeiden liessen, und zwar jedes Jahr.

Ökobilanzfachmann Sebastian Rüter vom Thünen-Institut in Hamburg unternahm es dann indessen, ein paar Dinge in Sachen Holzbau, CO2-Senkenwirkung, Treibhausgasemissionen und Branchenkommunikation in Richtung Endverbraucher zurechtzurücken. Die Verarbeitung von Rohstoffen verbrauche Energie, und solange treibhausgasneutrale Energie zur Verfügung stehe, produziere man Emissionen. Es gebe also ganz grundsätzlich keine klimaneutralen Produkte und auch keine klimaneutralen Gebäude – auch nicht aus Holz.


Dennoch: Holz bleibt die bessere Alternative

An der Holzverwendung zeigten sich überdies, so Rüter, sehr deutlich gesellschaftliche Zielkonflikte: Nichts sei so aufgeladen wie die Diskussion um Wohnraummangel und die Nutzung der Wälder. Im Hinblick auf Treibhausgas-Einsparungen müsse es Ziel sein, mit möglichst wenig Ressourcen möglichst viel Funktion (zum Beispiel Wohnraum) bereitzustellen – oder eigentlich zu sichern, denn das erreichte Niveau sei bereits hoch.

Zugleich müsse man zur Kenntnis nehmen, dass bei einer Ausweitung der Holzverwendung die dem Holzsektor zuzuordnenden Treibhausgas-Emissionen insgesamt steigen würden. Netto null bis 2050 zu erreichen, sei auch mit Holz schwierig.

Trotzdem müsse Holz als heimisch verfügbare, nachwachsende Ressource einen gesellschaftlichen Beitrag zur Bereitstellung der benötigten Funktionen leisten, gerade im Baubereich, denn die Alternativen schauten keineswegs besser aus.


Link www.forum-holzbau.com