Lignum Holzwirtschaft Schweiz

‹Klimaschutz beim Bauen beginnt bei der Materialwahl›

Energieeffiziente und klimaschonende Neubauten zu erstellen, ist eine komplexe Herausforderung. Ein solider Hintergrund in Bauphysik hilft in der Planung. Hanspeter Kolb, Studienleiter des CAS ‹Bauphysik im Holzbau› an der Berner Fachhochschule, erläutert im Interview die Zusammenhänge.

Hanspeter Kolb (Bild) war bis Ende Juli 2021 Professor für Brandschutz und Holzbau an der Berner Fachhochschule. Nach seiner Pensionierung leitet er weiterhin die Weiterbildungen Brandschutz im Holzbau, Brandschutz für Architektinnen und Architekten sowie das CAS Bauphysik im Holzbau an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Biel.
Bild BFH-AHB

 

Herr Kolb, warum soll man sich mit Bauphysik befassen?
Zum Beispiel wegen des Klimawandels. Je nach Quelle werden etwa 30% der klimaschädlichen Treibhausgase durch Gebäude bzw. deren Betrieb verursacht. Die Bauphysik kann dazu beitragen, energieeffiziente Neubauten zu konstruieren. Entscheidend ist die Jahresbilanz: Eine Nullsumme bei der Energiebilanz ist ideal. Noch besser ist, wenn ein Gebäude mehr Energie erzeugt, als es selbst braucht. Neubauten künftig energieeffizienter zu bauen und den bestehenden Gebäudepark zu sanieren, fordert uns heraus. Die Bauphysik ist dabei zentral, weil es um Themen wie Energieverbrauch für Heizungen, sommerlichen Wärmeschutz, Luftdichtheit, Innenraumklima und so weiter geht.

Geben Sie uns ein Beispiel für ein solches Plusenergiehaus.
Beim neuen Schulhaus in Port ist dies beispielsweise der Fall. Es wurde weitgehend als vorgefertigter Holzelementbau erstellt, und hohe Anforderungen an die Nachhaltigkeit wurden ab Planungsbeginn berücksichtigt. Das Gebäude erzeugt dank Fotovoltaikanlagen auf dem Dach genügend Strom für den Eigenbedarf und sogar noch so viel mehr, um den Jahresbedarf von rund 50 Haushalten in der Umgebung zu decken. Klimaneutralität ist keine Utopie – meiner Ansicht nach müsste eine Nullsumme für Neubauten normal sein. Es ist möglich und lohnt sich auch wirtschaftlich.

Welche Rolle spielt der Holzbau beim Klimaschutz?
Klimaschutz beginnt schon bei der Wahl des Materials. Idealerweise verwendet man Materialien, die vor unserer Haustür wachsen, etwa den Rohstoff Holz. Während es wächst, bindet es CO2, die Transportwege sind kurz, und die Verarbeitung braucht verhältnismässig wenig Energie. Zudem ist Holz ein eher schlechter Wärmeleiter, was dazu führt, dass es sich warm anfühlt und die Wärmebrückenproblematik geringer ist als bei Beton und Stahl. Bleibt Holz trocken, ist es praktisch unendlich haltbar, hat also eine gute Dauerhaftigkeit. Am Ende des Prozesses kann es rezykliert oder relativ einfach entsorgt werden, indem man es umweltgerecht verbrennt. All diese Punkte sprechen für den Baustoff Holz.

Mit steigenden Temperaturen wird es tendenziell wärmer. Wie geht der Holzbau mit dieser Herausforderung um?
Der sommerliche Wärmeschutz – ebenfalls ein zentrales Thema in der Bauphysik – wird heute immer wichtiger. Wir möchten die Sommerhitze nicht in den Räumen haben bzw. zumindest die Kühle der Nacht nutzen, um sie wieder loszuwerden. Dabei spielen Baustoffe wiederum eine gewisse Rolle. Holz als eher leichter Baustoff ist da nicht gerade der Spitzenreiter. Je dichter ein Material ist, desto mehr Wärme kann es aufnehmen – und wieder abgeben, wenn es kalt wird. Ich denke hier etwa an Beton oder Backstein. Allerdings spielt die Verschattung eine viel wichtigere Rolle: Wie lässt sich die direkte Sonneneinstrahlung durch die immer grösser werdenden Glasflächen verhindern und eine gute Nachtauskühlung der Bauten erreichen? Sommerlicher Wärmeschutz hat also viel mit der Architektur und dem Gebäudekonzept zu tun.

Mit dem CAS ‹Bauphysik im Holzbau› bieten Sie eine in dieser Form schweizweit einzigartige Weiterbildung an. Für wen eignet sich das CAS und warum?
Wir bieten dieses CAS an der Berner Fachhochschule seit 2013 an, danach fand es 2014, 2015, 2017, 2019 und 2021 statt. Die nächste Durchführung steht für 2023 auf dem Plan. Eigentlich eignet sich das CAS für alle Baufachleute, die sich in den angesprochenen Themen der Bauphysik in Kombination mit dem Holzbau weiterbilden oder sich auf den neuesten Stand bringen möchten. Also Architektinnen, Holzbauer, Bauphysikerinnen, Haustechniker usw. Im Zentrum steht dabei immer der Holzbau mit allen bauphysikalischen Herausforderungen.

Wie ist das CAS aufgebaut?
Wir starten immer mit den Grundlagen zu den einzelnen Themen. Dabei behandeln wir auch die neuesten Vorschriften und Normen und vermitteln so aktuelles Wissen. Anschliessend folgen die einzelnen Komponenten wie Aussenwand, Dach, Trennwände, Geschossdecken. Dort stehen jeweils Themen wie Wärmeschutz oder Schallschutz im Zentrum. Gegen Ende versuchen wir in Form von Workshops bei der Entwicklung von Anschlussdetails alles unter einen Hut zu bringen. Auch konzeptionelle Themen, wie die schon angesprochenen Massnahmen des sommerlichen Wärmeschutzes oder Schnittstellen zur Haustechnik, kommen zur Sprache. Das CAS ist also sehr breit und interdisziplinär.


Link CAS ‹Bauphysik im Holzbau›