Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Mehr Holz am Bau für Netto-null: Forschungsprojekt ‹MainWood›

Der vermehrte Einsatz von Holz als Baustoff in langlebigen Gebäuden und die Substitution von treibhausgasintensiven Baumaterialien wie Stahl und Beton durch Holzprodukte können einen wirksamen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels leisten. Im Projekt ‹MainWood› wollen ETHZ und EPFL, Empa und WSL gemeinsam die erforderlichen technologischen Entwicklungen erforschen und die ökologischen, wirtschaftlichen, technischen, gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen eines möglichen Beitrags der Wertschöpfungskette Holz zur Erreichung der Netto-null-Ziele 2050 des Bundesrats aufzeigen.

Am 5. Februar 2024 gibt ein ITES-Montagskolloquium an der ETH Zürich Einblick ins ‹MainWood›-Projekt (‹Entwicklung zukunftsfähiger Szenarien für eine Bioökonomie im Holzbau›, Koordination: Jaboury Ghazoul und Anne Dray, Ökosystemmanagement, ETHZ). Im Bild: moderner Holzbau im urbanen Massstab – Blick ins Freilager-Areal in Zürich mit seinen prägenden Holz-Langhäusern.
Bild Michael Meuter, Zürich

 

In der Europäischen Union ist der Bausektor für 42% des Endenergieverbrauchs, 35% der Treibhausgasemissionen, 50% des Verbrauchs an Rohstoffen und 30% des Wasserverbrauchs verantwortlich (Europäische Kommission 2011). Der Bausektor spielt also eine zentrale Rolle bei Massnahmen zur Eindämmung des Klimawandels (Churkina et al 2020) und demzufolge auch bei der Entwicklung zu Netto-null-Gesellschaften, in denen Ausstoss und Fixierung von CO2 ausgeglichen sind.


Systemansatz über gesamte Lieferkette

Die Umstellung aktueller Baupraktiken und Lieferketten auf holzbasierte Systeme erfordert aber tiefgreifende Veränderungen, von der Holzproduktion über die Entwicklung und Verarbeitung von Holzwerkstoffen bis hin zu neuen Normen und Vorschriften für Materialeigenschaften und Bauteile – und letztlich auch neue architektonische Ansätze und Anpassungen in der Raumentwicklung im ländlichen sowie im städtischen Raum (sh. Bild). Diese Veränderungen erfordern koordinierte und aufeinander abgestimmte ökologische, soziale und technische Massnahmen.

Zudem gilt es, die vielen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, die diese Anpassungen zusätzlich erschweren, etwa den Klimawandel, der sich auch auf die Holzproduktion auswirkt, die Verbraucherpräferenzen oder die Wirtschaftlichkeit der Lieferketten. Die Einführung neuer Materialien und Systeme im Bauwesen muss auch die organisatorische Trägheit überwinden, die mit dem kurzfristigen Erfolg bestehender Geschäftsmodelle und der Inflexibilität spezialisierter Lieferketten einhergeht.

Darüber hinaus müssen neue Entwicklungen entlang der ganzen Wertschöpfungskette Holz gefördert werden – von angepassten Formen der Waldbewirtschaftung über die Entwicklung und Verwendung neuer Materialien bis hin zur Überarbeitung der Gebäude- und Siedlungsplanung. Die Analyse eines Wechsels zu einer holzbasierten Bioökonomie im Bauwesen bedingt einen ganzheitlichen Systemansatz.

Das ‹MainWood›-Projekt, getragen von Forschungsgruppen der ETH, Empa, EPFL und WSL, zielt darauf ab, neue Technologien zu entwickeln und deren Wirksamkeit zu prüfen sowie die ökologischen, wirtschaftlichen, technischen, gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen aufzuzeigen, die ein möglicher Beitrag der Wertschöpfungskette Holz zur Erreichung der Netto-null-Ziele 2050 des Bundesrats nach sich zieht (Bundesrat 2019).


Bewirtschaftung und Wandel des Schweizer Waldes

Eine zentrale Herausforderung betrifft die Versorgung mit Holz, die für einen massiven Ausbau des Holzbausektors grundlegend ist. Die Baumartenzusammensetzung und die Altersstruktur der Schweizer Wälder werden sich durch den Klimawandel verändern, was sich direkt auf die Holzproduktion, also die verfügbaren Arten und Sortimente, auswirken wird. Die Lieferkette stützt sich derzeit hauptsächlich auf Nadelholzarten und wird sich anpassen müssen, denn dürreresistentere Laubholzarten werden vielerorts anfällige Nadelholzarten ersetzen, was eine Herausforderung für die Schweizer Holzindustrie darstellt.

Wir müssen daher Szenarien der zukünftigen Dynamik und der Holzproduktion des Schweizer Waldes im Klimawandel entwickeln. Dabei soll auch überprüft werden, ob in Ergänzung zur etablierten naturnahen Bewirtschaftung der Schweizer Wälder in einem gewissen Umfang Kurzumtriebssysteme und Plantagenforstwirtschaft als Lieferanten für die Bauholzproduktion geeignet wären. Im Sinne der integrativen Waldbewirtschaftung (Krumm et al 2021) werden in allen Szenarien aber auch die Effekte auf die Kohlenstoffspeicherung sowie auf die Biodiversität, den Schutz vor Naturgefahren, die Trinkwasserversorgung, die Erholungsleistungen und die Anfälligkeit gegenüber Störungen untersucht.


Holzwerkstoffe, Produkte und Designs

Vermehrtes Bauen mit Holz erfordert neue Holzbaustoffe und Verarbeitungstechniken. Das Projekt ‹MainWood›entwickelt technische Ansätze, um eine Vielzahl von Holzarten aus heimischer Produktion mit aus heutiger Sicht ungünstigen Sortimenten deutlich besser nutzen zu können. Dies erfordert neue technologische Möglichkeiten zur effizienteren stofflichen Nutzung des Laubholzes und eine bessere Kenntnis der spezifischen Holzeigenschaften und ihrer Variationen von Laubbaumarten, die in Zukunft häufiger vorkommen werden. Ansätze der künstlichen Intelligenz werden zunehmend eingesetzt, um die technische Bewertung von Holzeigenschaften und Holzmaterialien zu verbessern.

‹MainWood› wird neue Sortierverfahren für eine bessere Nutzung der Holzvielfalt sowie zuverlässige Holzverbundstoffe entwickeln. Der vermehrte Einsatz von Holz erfordert zudem eine verbesserte Koordination zwischen Bauherrschaften, Planungsteams (Architektinnen, Statikern, Brandschutz- und Akustikingenieurinnen) und Bauunternehmen sowie neue kosteneffiziente Bioökonomiekonzepte, die alle relevanten Bauphasen, von der Konzeption über den Bauprozess und den Unterhalt bis hin zur Wiederverwendung am Ende der Nutzungsdauer, umfassen.


Simulation des Schweizer Holzbausektors

Wir müssen besser verstehen, wie sich der Schweizer Holzbausektor unter verschiedenen zukünftigen individuellen Entscheidungsverhaltensweisen und unter einer Vielzahl von politischen Massnahmen entwickeln könnte. Durch die Bewertung von solchen Zukunftsszenarien können Chancen und Herausforderungen antizipiert und Lösungsansätze im voraus entwickelt werden. Hierbei sollten auch die Auswirkungen eines sich verändernden Bausektors auf Regionen jenseits der Schweizer Grenze betrachtet werden.

Die Schweiz treibt Handel mit der ganzen Welt, und bei einer vermehrten Holzverwendung würden nicht nur die inländische Produktion, sondern gegebenenfalls und je nach Szenario auch die Importe von Holzprodukten ansteigen. Die Entwicklung eines holzbasierten Bausektors, der die Klimaemissionen mindert und die biologische Vielfalt fördert, bedingt daher, dass wir auch die internationalen ökologischen Auswirkungen von Holzimporten berücksichtigen. Die Nachhaltigkeitsbewertung von Holzwertschöpfungsketten sollte daher die Vor- und Nachteile bezüglich Klimaschutz und biologische Vielfalt weltweit umfassen und Hinweise darauf geben, wie Holz idealerweise beschafft und verwendet werden sollte.

Schliesslich müssen die politischen Rahmenbedingungen für die Bioökonomie, das heisst die Wald- und Umweltpolitik, verfeinert werden, um ein unterstützendes und ermöglichendes politisches Umfeld zu schaffen, das den Übergang zu einem holzbasierten Bausektor fördert. Soll die nachhaltige Holznutzung aus Schweizer Wäldern gesteigert und der Pro-Kopf-Verbrauch von Holz und Holzprodukten deutlich erhöht werden, wie dies auch von der Ressourcenpolitik Holz 2030 des Bundes vorgeschlagen wird (BAFU 2021), so wird dies zu Konflikten mit anderen politischen Zielen wie Biodiversität und Schutzwald führen, die gelöst werden müssen. Das Projekt ‹MainWood› möchte dazu einen Beitrag leisten.


*Jaboury Ghazoul, Institut für Terrestrische Ökosysteme, ETH Zürich (CH); Harald Bugmann, Institut für Terrestrische Ökosysteme, ETH Zürich (CH); Ingo Burgert, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Empa (CH); Stefanie Hellweg, Institut für Umweltingenieurwissenschaften, ETH Zürich (CH); Janine Schweier, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL (CH); Yves Weinand, Laboratoire de construction en bois, EPFL (CH); Andreas Rigling, Institut für Terrestrische Ökosysteme, ETH Zürich (CH)/Forschungseinheit Walddynamik, WSL (CH)
Literatur
Bundesrat (2019): Bundesrat will bis 2050 eine klimaneutrale Schweiz. Medienmitteilung.  www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-76206.html
BAFU (2021): Ressourcenpolitik Holz 2030. Strategie, Ziele und Aktionsplan Holz 2021–2026. Bern: Bundesamt für Umwelt, Umwelt-Info 2103. 76 p.
Churkina G, Organschi A, Reyer CPO, Ruff A, Vinke K et al (2020): Buildings as global Carbon sink. Nat Sustain 3: 269–276. doi: 10.1038/s41893-019-0462-4
Europäische Kommission (2011): Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa. bit.ly/RessourcenschonendesEuropa (20.10.2023)
Krumm F, Schuck A, Rigling A (2021): Integrative Waldbewirtschaftung – ein logisches Konzept für Mitteleuropa. Schweizer Z Forstwes 172 (5): 250–251


Link www.mainwood.ch


Dieser Beitrag ist zuerst in der Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen 6/2023 (174 6: 384–385) erschienen unter dem Titel: ‹Maximierung der Verwendung von Holz im Bauwesen als Beitrag zu Netto-Null – das Forschungsprojekt 'MainWood'› (doi: 10.3188/szf.2023.0384). Wiedergabe im Lignum Journal online mit freundlicher Genehmigung der AutorInnen und der Redaktion SZF.