Lignum Holzwirtschaft Schweiz

REGION WEST | Über diese Brücke sollst du gehn: Bronze für Bulle

Wie gehen Einfamilienhaus und Verdichtung zusammen? Wie schafft man in einem bestehenden Geflecht Ordnung, ohne das Gewachsene zu zerstören? Die im Wettbewerb Prix Lignum 2024 ausgezeichneten Projekte der Region West geben Antworten auf elementare Fragen. Ein ganz spezieller Hingucker ist die Fussgängerbrücke in Bulle, die sich den nationalen Bronze-Preis in der Kategorie Holzbauten geholt hat. Die ausgezeichneten Schreinerarbeiten widmen sich der Kultur und dem Sport.

Schöner über die Trême | Bronze Kategorie Holzbauten

Passerelle des Buissons, 2023, Bulle FR (Bauherrschaft: Ville de Bulle; Architektur: RBCH, Bulle; Holzbauingenieur: Gex et Dorthe, Bulle; Holzbau: Groupe Grisoni – Dougoud constructions bois, Epagny; Label Schweizer Holz)
Bild Vincent Jendly/Prix Lignum 2024
 

Die neue Passerelle über die Trême in Bulle ist keine simple Brücke, sondern ein identitätsstiftendes Bauwerk. Sie liegt zwischen dem nördlich gelegenen Stadtzentrum von Bulle und einem Neubaugebiet im Süden. Die Tradition vernakulärer, gedeckter Brücken aufnehmend, verjüngen sich die gegenläufig geschwungene Fahrbahn und das Dach in der Mitte und weiten sich an den Seiten. Die seitlichen Diagonalen bestehen aus überkreuzten Fichtenlatten. Vier Stück sind es bei Belastung auf Druck, drei Stück bei Belastung auf Zug. Der Wechsel im Scheitelpunkt ist elegant, beinahe unmerklich gelöst. Das Fachwerk wird zwischen zwei Brettschichtholz-Spanten eingeklemmt und zusammengehalten durch Metalldübel und Stangen, die an den Bolzen der Dachkonstruktion befestigt sind.
 

Dichter geht Einfamilienhaus nicht

Nachverdichtung Einfamilienhaus, 2023, Villy VD (Bauherrschaft: privat; Architektur: Madeleine & Studio François Nantermod; Holzbauingenieur: Ovale et partenaires; Holzbau: Morerod Charpente, Aigle; Schreinerarbeiten: Trisconi-Anchise, Vionnaz)
Bild Séverin Malaud/Prix Lignum 2024

 

Eine Ausgangslage wie viele: Als drei Enkelkinder das Einfamilienhaus ihres Grossvaters am Dorfrand erben, möchten alle auf dem Grundstück wohnen. Tatsächlich gibt es genügend Ausnutzungsreserven, und so scheint ein Ersatzneubau mit drei Wohneinheiten naheliegend. Doch dann beginnt ein dialogischer Prozess mit den Architektinnen – und am Ende kommt alles ganz anders. Besser. Das Einfamilienhaus blieb erhalten und dient heute als Herz des gemeinschaftlichen Wohnens. Das Untergeschoss mit geteilter Waschküche und Haustechnik versorgt sämtliche Wohneinheiten rundum. Das ausgehöhlte Obergeschoss wurde zum rege genutzten Gemeinschaftsraum mit Sofas, Billardtisch und Tischfussballkasten.
 

Ein Raumgerüst am Hang macht Schule

Internat und Sportsaal, 2023, Saint-Cergue VD (Bauherrschaft: EPA St-Cergue; Architektur: bunq, Nyon; Holzbauingenieur: INGPHI, Lausanne; Holzbau: JPF-Ducret, Bulle; Label Schweizer Holz)
Bild Eik Frenzel/Prix Lignum 2024

 

Gelassen steht die Erweiterung des Internats am Hang des vorderen Jura. Hinter dem Bild der einfachen Scheune verbirgt sich ein dichtes Raumprogramm. Zum Hang hin reihen sich sämtliche Gemeinschaftsnutzungen auf: Entrée und Garderobe, Küche und Wohnbereich, Toiletten und Duschen, Lounge und Terrassenlaube. Hangabwärts liegen die Zimmer vor einem langen Balkon mit Blick auf die Alpen. Das Internat ist eine stringent konstruierte Raumstruktur. Die Zangenstützen bestimmen den Takt der Räume. Ein Unterzug aus Esche spannt die Dachbalken zum Fachwerk zusammen. Dazwischen eingespannt liegen Zugbalken, die den Mittelgang rahmen und die Decke der Turnhalle halten. So kommt alles zusammen: Raum und Struktur, Licht und Atmosphäre – direkt, durchdacht und entspannt.
 

Ordnung und Freiheit für Mensch und Tier

La Gavotte, 2022, Lancy GE (Bauherrschaft: La Gavotte; Architektur: BCRarchitectes, Carouge; Holzbauingenieur: EDMS, Petit-Lancy; Holzbauer: Dasta Charpentes-bois, Plan-les-Ouates)
Bild Paola Corsini/Prix Lignum 2024

 

Der Tierpark ‹La Gavotte› ist ein informell gewachsenes Vereinsgebiet der Gemeinde Lancy. Einem Schrebergarten gleich reihen sich hier selbstgebaute Hütten und Grünflächen aneinander. Kinder kommen mit Kühen, Pferden, Ponys und Kleintieren in Kontakt. So weit, so chaotisch und sozial wertvoll. Bis das kantonale Gesundheitsamt zur Ordnung rief. Es mussten neue Erschliessungswege, Ställe und Aufenthaltsräume her – ohne den Charakter des gewachsenen Ortes zu zerstören. Jetzt fassen drei über Eck offene Flachbauten einen neuen Freiraum. Das Haus für die Menschen ist nur teilweise gedämmt und beherbergt den Empfang, Küche und WCs, Lagerräume und einen Mehrzwecksaal mit Bühne. Die anderen beiden sind für die Tiere.
 

Ein Holzbau macht die Bäume zum Thema

Umbrella Pavilion, 2023, Fribourg (Bauherrschaft: Jardin Botanique de l’université de Fribourg; Architektur: Charly Jolliet, Fribourg; Holzbau: Jordan Construction Bois, Cerniat; Label Schweizer Holz)
Bild Joel Tettamanti/Prix Lignum 2024

 

Die Entstehungsgeschichte ist schön: Der junge Architekt Charly Jolliet arbeitete gerade im Holzbauunternehmen seines Vaters, als er die Anfrage sah: Im botanischen Garten der Universität Fribourg galt es, einen Unterstand für Gerätschaften zu bauen. Inspiriert vom schönen Ort, setzte er sich dafür ein, stattdessen einen atmosphärisch starken Pavillon zu bauen, der das Thema ‹Bäume der Vergangenheit, Bäume der Zukunft› beheimatet. Zur schönen Geschichte kommt ein ebensolcher Bau. Lange Rampen schwingen über die Wiese zum Pavillon. Den Boden berühren nur die Stämme dreier kranker Lärchen. Diese wurden zum Ausgangspunkt der dreieckigen Geometrie und tragen heute ein schirmartiges Gerüst mit weit ausladendem Schindeldach.
 

Stapelstühle für Dürrenmatt

Centre Dürrenmatt, 2021 Neuchâtel (Bauherrschaft: Office Fédéral de la Culture, Centre Dürrenmatt, Neuchâtel; Architektur: KLR Architectes, Fribourg/Zürich/Stans; Design, Holz- & Schreinerarbeiten: LAPORCH, Bussy-sur-Moudon)
Bild Sacha di Poi, Hiris/Prix Lignum 2024

 

Zehn Jahre nach Friedrich Dürrenmatts Tod wurde sein Haus am Hang oberhalb von Neuchâtel zum Centre Dürrenmatt. Um 2020 war die erste Teilrenovation fällig. Teil des Teams war die multidisziplinäre Holzwerkstatt LAPORCH. Sie steuerte unter anderem faltbare Eichenmöbel bei. Modular gedacht und auf Rollen gestellt, lassen sich die Tische einfach im Raum verschieben und ermöglichen verschiedene Konfigurationen. Mittels einfacher Scharniere werden sie zur Stauraumbox für die stapelbaren Klappstühle. Das ist clever und effizient.
 

‹Split›: Doppeltes Vergnügen im Schnee

Snowboard modulaire, 2022, Cuarnens VD (Design & Ausführung: Woodspirit, L‘Isle; Label Schweizer Holz)
Bild Joëlle Aerni/Prix Lignum 2024

 

Beim Splitboard des jungen Schreiners Lucas Bessard von Woodspirit geht es weniger um technische Innovation als um die obsessive Arbeit eines Berufsmanns, der sich in den Kopf gesetzt hat, eine handwerkliche Alternative zum Fertigprodukt der globalen Wintersportfirmen anzubieten. Der Kern seines Splitboards verbindet leichte Weisstanne für den Aufstieg mit fester Esche für die Kraftübertragung bei der Abfahrt. Am Ende werden die verschiedenen Schichten mit Kohlefasernetzen unter Druck verpresst. Et voilà: Votre ski du bois, fabriqué à main en Suisse romande.


Link wwww.prixlignum.ch