Lignum Holzwirtschaft Schweiz

REGION ZENTRUM | Wandelbares Holz – von edel bis ganz rauh

In der Zentralschweiz faszinierten die Jury vor allem zwei Tische und eine Treppe, im Tessin ein ungewöhnlicher Innenausbau. Die Bauten zeigen die grösste Spannweite von allen Regionen des Prix Lignum 2024: Das Spektrum geht vom rauhen Werkhof mit einer Fassade aus gebrauchten Leitplanken bis zum Holzpalazzo einer ländlichen Bank.

Hauptsitz Obwaldner Kantonalbank, Sarnen OW, 2021

Bauherrschaft: Obwaldner Kantonalbank, Sarnen; Architektur: Seiler Linhart, Sarnen; Bauingenieure: Pirmin Jung Schweiz, Sursee; Holzbau: Arge Küng, Alpnach Dorf, und Holzbautechnik Burch, Sarnen; Label Schweizer Holz (Gesamtobjekt)
Bild Rasmus Norlander/Prix Lignum 2024

 

Dass die Region ländlich und waldreich ist, ist dem Hauptsitz der Bank anzusehen, es ist ein Palazzo aus Holz. Der repräsentative Ausdruck setzt sich im Innern fort. Eschenholz prägt die schmucke Halle. Eine dunkle Holztreppe schwingt sich elegant zur umlaufenden Galerie empor. Kies und Geschiebe aus Obwaldner Bächen zeichnen sich im Boden ab. In den drei Bürogeschossen über der Halle bildet ein grünes Atrium das Zentrum. Das tragende Stabwerk aus Esche und Fichte sorgt für räumliche Flexibilität. Die Räume sind durchdacht, die Details ausgefeilt. Der Kommentar einer Jurorin: ‹Da ist Holzblut drin.›
 

Ensemble Spalihof, Sachseln OW, 2023

Bauherrschaft: privat; Architektur: Seiler Linhart, Luzern; Bauingenieure: Pirmin Jung Schweiz, Sursee; Holzbau: Küng, Alpnach Dorf
Bild Rasmus Norlander/Prix Lignum 2024

 

Ein kleines Areal mitten im Dorf Sachseln. Die gewerbliche Nutzung geht, die Familie möchte bauen. Statt ein oder zwei grosse Wohnbauten schlagen die Architekten in einem Wettbewerb mehrere kleinere vor: eine Dorfverdichtung in Dorfkörnung. Am über 500 Jahre alten Spalihaus entfernen sie unsensible Eingriffe und fügen neue Holzschindeln hinzu. Die drei Holz-Neubauten schützen sich mit Betonsockeln vor dem Hang und der Strasse. Die gut geschnittenen Räume werden bis unters Dach von hölzernen Decken und Stützen geprägt. Weisse Gipswände und die gegossenen Böden der Hybriddecken sorgen dafür, dass das Hauptmaterial nicht überhandnimmt.
 

Erweiterung Schulhaus St. Karli, Luzern, 2023

Bauherrschaft: Stadt Luzern; Architektur: Meletta Strebel, Luzern; Bauingenieure: Wälli, Horw; Lauber, Luzern; Holzbau: Portmann Holzbau, Meierskappel; Schreinerei: Pilag Montagen, Willisau
Bild Ariel Huber/Prix Lignum 2024

 

Die Strasse auf der St.-Karli-Brücke führt direkt auf das Schulhaus zu. Monumental erhebt sich dieses über einem riesigen Sockel – ein Städtebau, der gesellschaftliche Relevanz ausdrückt. Die Erweiterung macht genau das Gegenteil: Sie duckt sich zwischen der Rückseite des Heimatstil-Baus und der nahen Hangstützmauer und schwingt sich auf beiden Seiten weiter. Eine markante Holzkonstruktion deckt einen Teil des Zwischenraums und macht ihn zum Mehrzweckraum der Schule. Seitlich verglast, hell und frei nutzbar, ergänzt er den grossen, aber kleinteiligen Altbau.
 

Mehrfamilienhaus Rothusweg, Zug, 2023

Bauherrschaft: privat; Architektur: Roman Hutter, Luzern; Bauingenieure: Holzprojekt, Luzern; Holzbau: Küng, Alpnach Dorf; Schreinerei: Küng, Alpnach Dorf; A. Bründler, Auw/Bucher, Kerns
Bild Markus Käch/Prix Lignum 2024

 

Der Bautyp, den das Haus mit fünf Wohnungen zum Vorbild nimmt, ist derjenige der Vorstadtvilla: ein aus Stein gebauter, eher kompakter als langgestreckter Baukörper, mit vielen Vor- und Rücksprüngen wie Erkern oder Nischen. Die Bauherrschaft wollte jedoch lieber Holz, und die Architekten machten daraus Vollholz, also Wände ohne Leim und ohne zusätzliche Dämmung – nahe am ökologischen und baubiologischen Optimum. Die wandhohen Fenster lassen das Konstruktionsprinzip erahnen: Holzscheiben tragen das Haus und bestimmen auch das Innere, klar gefasst und doch fliessend für moderne Räume.
 

Werkhof Betrieb Kantonsstrassen Uri, Schattdorf UR, 2024

Bauherrschaft: Baudirektion Uri, Amt für Hochbau, Altdorf; Architektur: Felgendreher Olfs Köchling, Azmoos; Bauingenieure: Fürst Laffranchi, Aarwangen; Holzbau: Zimmerei und Holzbau von Arx, Amsteg; Schreinerei: Ziegler, Altdorf
Bild: Karina Castro/Prix Lignum 2024

 

Der Werkhof eines Bergkantons. Rauheit ist seine Haupteigenschaft. Bestimmend sind: Maschinen, Verkehrs- und Wasserfluss sowie Schneefall. Eine Hochwassermauer umfasst das Grundstück, überall lagert Material oder wird transportiert. In der Mitte: das grosse Gebäude mit einem grossen Dach. Ein kräftiges Holztragwerk aus wenigen Stützen und Balken trägt Letzteres, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Die riesigen Dachträger sind Oberzüge, also dem Blick verborgen hinter einer relativ abstrakt erscheinenden Decke. Auch die Wände der wenigen beheizten Räume wollen mit ihrem silbergrauen Anstrich nicht unbedingt als Holz erkannt werden.
 

Spindeltreppe im ‹Haus des Holzes›, Sursee LU, 2022

Auftraggeber: Pirmin Jung Immobilien, Sursee; Architektur: Marc Syfrig, Luzern; Holzbauingenieur: Pirmin Jung Schweiz, Sursee; Holzbau: Treppenbau.ch, Ganterschwil
Bild Marco Leu/Prix Lignum 2024

 

Im ‹Haus des Holzes› zieht die Treppe magisch an. Wie eine dunkle Skulptur steht sie im Empfangsraum. Allerdings nicht allein: Am Ende des gebauchten Empfangstresens windet sie sich mit einer Gegenbewegung aus diesem heraus. Der Tresen wird zur Treppenwange, der Handlauf liegt wie der Schwanz einer freundlichen Schlange auf der Rezeption. Eiche auf Eiche. Fast ohne Stahlverbindungen schrauben sich die Wangen frei nach oben und tragen die Treppe und die Emporsteigenden über 360 Grad lang. Hier verbinden sich Handwerkstradition und Hightech: Das Team aus Architekten, Ingenieurinnen und Treppenbauern kommunizierte über ein parametrisches Datenmodell.
 

Ausbau Alt- und Neubau Kronengasse, Sempach LU, 2021

Bauherrschaft: Korporation Sempach; Entwurf: Roman Hutter, Luzern; Holzbau: Helfenstein & Muff, Sempach; Schreinerei: Holzhandwerker Josef Heini, Grosswangen
Bild Markus Käch/Prix Lignum 2024

 

Das Betonhaus in Sempach, das ein historisches Stadthaus ergänzt, hat ein räumlich komplexes hölzernes Innenleben. Das Holz hat seine eigene Geschichte: Es stammt aus dem Waldbesitz der Korporation Sempach. Die Architekten gingen mit dem Förster in den Wald und liessen sich von ihm das verfügbare Material zeigen: Fichte, Weisstanne, Buche, Esche und Eiche. Das geschlagene Holz verarbeiteten lokale Handwerksleute zu dem, was am meisten Sinn macht: Boden, Wand und Decke, Tür und Küchenmöbel, als Regalbrett oder Leitertreppe den Estrich hinauf.
 

‹Mountain Table›, Zug ZG, 2023

Auftraggeber, Entwurf und Schreinerei: Erich Weiss, A. + S. Weiss, Zug
Bild Erich Weiss/Prix Lignum 2024

 

Aus einem lokalen Kirsch-, Eschen- oder Birnholzblock wird in Handarbeit ein Berg, mit einem Tischblatt als, nun ja, Unterland. Ausgangspunkt sind Höhenkurven ab der Karte, Skizzen tasten sich vor zu einer überhöht dargestellten Landschaft – die Berge sind zweimal höher als massstäblich. Aus Jahrringen, Faserverläufen, Einschlüssen oder Ästen wird Topografie. CNC oder Epoxidharz kommen hier nicht auf den Tisch. Eine ebenso dezidierte wie poetische Besinnung aufs Handwerk.
 

Tisch in Nussbaum mit automatischem Auszug, Flüelen UR, 2024

Auftraggeber, Entwurf und Schreinerei: Tobias Walker, Schnitz, Flüelen; Bauingenieur: Nik Höltschi, Niederönz BE
Bild Valentin Luthiger/Prix Lignum 2024

 

Dieser Tisch macht aus dem profanen Vergrössern eines Möbels einen magischen Vorgang. Alle Teile gleiten elegant ineinander und schliessen sich beinahe fugenlos zum neuen Tischblatt, an dem nun acht statt vier Menschen Platz finden. Holz trägt entscheidend dazu bei: Das edle Nussbaumfurnier des Tischblatts ist so geschnitten und angeordnet, dass es die Form der Segmente und des Sterns verschleiert. Ihr Tisch, so die Verfasser, habe ‹die Ausstrahlung und das Innenleben einer Schweizer Luxusuhr›. Der ebenfalls schweizerische Nussbaum liefert Zifferblatt und Gehäuse dafür.
 

Ausbau Cassa dei Medici, Bioggio TI

Auftraggeberin: Cassa dei Medici Società cooperativa, Bioggio; Entwurf: Guscetti Pazzinetti Pedimina Architetti, Ambrì; Holzbau: GRG Carpenteria, Riazzino; Schreiner: Falegnameria Casè, Minusio
Bild Alberto Ugato/Prix Lignum 2024

 

In der Halle mit ihren weissen oder hellgrauen Oberflächen hat das Holz eine starke Wirkung – kombiniert mit anthrazitfarbenen Beschichtungen. Die Platten aus Furnierschichtholz, die hier zum Einsatz kommen, sind aus Buche; sie entwickeln Bärenkräfte im Holzbau. Hier wurde mit ihnen geschreinert. Ihre lineare Mikrostruktur überzieht die Wände der Einbauten und die Besprechungstische. Das Projekt zeigt schön, dass auch ein geringer, aber präziser Einsatz von Holz einen Ort atmosphärisch prägen kann.


Link www.prixlignum.ch