Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Renaturierungsgesetz: neues Wald-Politikum aus Brüssel

Der EU-Umweltministerrat hat am 17. Juni für die Annahme des ‹Nature Restauration Law› gestimmt, mit dem Brüssel einmal mehr mit auf den Wald zielt. Den Ausschlag gab die Stimme der österreichischen Ministerin Leonore Gewessler. Entsprechend gereizt ist die Stimmung in Österreich. Doch auch in Deutschland reagiert die forstliche Welt vehement. Die europäische Waldbesitzerorganisation CEPF zeigt sich moderat kritisch.

Nach dem neuen Renaturierungsgesetz müssen die EU-Mitgliedstaaten bis 2030 mindestens 30% der Lebensräume, für welche die neuen Vorschriften gelten – von Wäldern über Grünland und Feuchtgebiete bis hin zu Flüssen und Seen – von ‹schlechtem› in ‹guten› Zustand versetzen. Bis 2040 sollen es 60% sein, bis 2050 sogar 90%. Gefordert wird in den Vorschriften auch ein Aufwärtstrend bei mehreren Indikatoren für Waldökosysteme. Im Vordergrund steht dabei die Biodiversität.

Wörtlich heisst es in der Verordnung vom 24. Juni 2024: ‹In Ermangelung einer gemeinsamen Methode zur Bewertung des Zustands von Waldökosystemen, die die Festlegung spezifischer Wiederherstellungsziele für Waldökosysteme ermöglichen würde, ist es angezeigt, eine allgemeine Verpflichtung zur Verbesserung der biologischen Vielfalt in Waldökosystemen festzulegen.›

Die Erfüllung dieser Verpflichtung sei auf der Grundlage des Indexes häufiger Waldvogelarten und einer Auswahl anderer Indikatoren zu messen, darunter stehendes Totholz, liegendes Totholz, der Anteil der Wälder mit uneinheitlicher Altersstruktur, die Waldvernetzung, der Vorrat an organischem Kohlenstoff, der Anteil der Wälder mit überwiegend heimischen Baumarten und die Vielfalt der Baumarten. Bis 2030 sollen überdies unionsweit mindestens 3 Mia. neue Bäume gepflanzt werden.


Österreich im Krisenmodus

Besonders hoch gehen die Wogen nach dem Entscheid der EU-Umweltminister in unserem östlichen Nachbarland, dessen Stimme dem Gesetz zum Durchbruch verholfen hat. Politische Gegner der österreichischen Umweltministerin Leonore Gewessler fordern eine Amtsenthebung wegen Verfassungsbruchs und drohen mit einer Nichtigkeitsklage am Europäischen Gerichtshof.

Die Land&Forst Betriebe Österreich kritisieren die zuständige Ministerin und das geplante EU-Renaturierungsgesetz scharf und sehen eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft in Gefahr. Zudem würde das nun vorgestellte Gesetz, wenn es tatsächlich so umgesetzt werde, massiv in private Landnutzungs- und Eigentumsrechte eingreifen.

‹Wir stellen uns gegen neue und praxisferne Vorgaben über die Köpfe der Betroffenen hinweg›, so die Land&Forst Betriebe, die für etwa einen Drittel der österreichischen Waldfläche stehen. ‹Die Forderungen vernachlässigen die in vielen Fällen notwendigen aktiven Anpassungsmassnahmen an den Klimawandel. Statt dessen sollen Ökosysteme in einen Zustand zurückgeführt werden, der sich an der Vergangenheit orientiert›, kritisieren sie weiter.


Kopfschütteln in der deutschen Forstbranche

Auch die deutsche Bundesumweltministerin Steffi Lemke unterstützt das Gesetz. Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, reagiert dezidiert: ‹Für die deutsche Forstwirtschaft bedeutet dieser Beschluss vorrangig enorme Einschränkungen und eine weitere Zunahme überbordender bürokratischer Auflagen, falls er Bestand hat. Wir hatten gehofft, dass die Politik nach den jüngsten Wahlen dazugelernt hat. Offensichtlich will eine Mehrheit der in der EU verantwortlichen Politiker aber weiterhin eine ideologische Wald- und Klimapolitik machen.›

Ähnlich tönt es bei der Arbeitsgemeinschaft deutscher Waldeigentümer AGDW. Carl Anton Prinz zu Waldeck und Pyrmont, Mitglied des AGDW-Präsidiums und Vizepräsident des Europäischen Waldbesitzerverbandes CEPF, hält fest: ‹Das Gesetz ist eine weitere erhebliche Bürde für eine nachhaltige, multifunktionale Forstwirtschaft.› Die Aufgabe der Holzernte werde als vermeintliches Positivbeispiel für Wiederherstellungsmassnahmen in der Verordnung gelistet. 

Die Stilllegung von Wäldern und damit der weitere Aufbau des ohnehin schon sehr hohen Holzvorrates erhöhe jedoch das Risiko, destabilisiere die Wälder, verhindere den Umbau hin zu klimastabilen Beständen und führe zu einem Rückgang bei der Bereitstellung von Holz, das klimaschädliche Materialien ersetzen kann: ‹Nur aktive Waldbewirtschaftung ist Klimaschutz.›


Europäische Dachorganisation CEPF moderat kritisch

Die europäischen Waldbesitzer hätten eine zweite Lesung mit weiteren Arbeiten zur Verbesserung der Kompromissvereinbarung begrüsst. Ihre Bedenken seien nicht vollständig berücksichtigt worden. Die CEPF bezweifelt nach wie vor, dass die vereinbarten Wiederherstellungsziele auf einer angemessenen und genauen Bewertung des tatsächlichen Bedarfs beruhen und dass der Ansatz zur Nichtverschlechterung lokal angepasst und flexibel genug ist. 

‹Nichtsdestotrotz nehmen die europäischen Waldbesitzer die Entscheidung des Rates mit einigen Bedenken zur Kenntnis und sind nun bereit, sich aktiv an der Umsetzung auf nationaler und regionaler Ebene zu beteiligen, da sie die wichtigsten Partner bei der Umsetzung sind›, so die CEPF weiter. 

Die in der Verordnung vorgesehenen Möglichkeiten zur flexiblen Umsetzung auf nationaler Ebene seien von grosser Bedeutung. Eine aktive und dynamische Bewirtschaftung der europäischen Wälder sei überdies erfahrungsgemäss die einzige Lösung für ihre Anpassung und die Erhaltung der biologischen Vielfalt.


Link EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (PDF, 1.09 MB)