Lignum Holzwirtschaft Schweiz

‹Ressource Holz›: Arena-Runde an der Swissbau in Basel

Auf einem hochkarätig besetzten Podium diskutierten gestern Mittwoch in Basel Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Wirtschaft und Planung Chancen und Herausforderungen rund um das Bauen mit Holz – insbesondere aber mit hiesigem Holz. Die Moderation der Runde übernahm Judit Solt, Chefredaktorin der Zeitschrift TEC21.

Holzbauingenieur Pirmin Jung führte mit einem Kurzreferat in die Thematik ein.
Bild Jutta Glanzmann, Lignum

 

Holzbauingenieur Pirmin Jung stellte einleitend das spektakuläre Projekt des neuen Holz-Docks für den Flughafen Zürich vor, das derzeit von sich reden macht. Die Schweizer Holzbranche ist solche Mega-Projekte noch kaum gewohnt. Aber: ‹Bauen mit Holz wird angesichts der globalen Verstädterung zunehmend ein Muss›, zeigte sich Jung überzeugt. ‹Und das ist eine grosse Nummer. Wenn wir dabei auf konventionelle Materialien wie Beton zurückgreifen, lassen sich die Klimaziele nicht erreichen.› Nur 12% des Holzes gingen heute allerdings weltweit in den Bau, so Jung, aus weiteren 12% entstünden Möbel, doch mehr als 50% würden weltweit verfeuert. Schon hier zeichnete sich ein Thema für die folgende Diskussion ab: Macht das Sinn, oder braucht es Leitplanken für eine vermehrte stoffliche Nutzung?

Auch in der Schweiz ist der Energieholzanteil an der Holzernte sehr hoch. Doch zugleich hat der Holzbau Rückenwind. Zunehmend entstehen im urbanen Raum umfangreiche Holzbauten, in denen auf einen Schlag gleich mehrere tausend Kubikmeter Material verbaut werden. Doch woher soll der immer stärker nachgefragte Rohstoff dafür kommen? Sage und schreibe 47000 Kubikmeter erreicht der Holzbedarf für das neue Dock am Flughafen Zürich, das in rund zehn Jahren gebaut  werden soll. Gibt der Schweizer Wald so viel her? Jung erinnerte daran, dass der Holzvorrat in der Schweiz mit 374 Kubikmetern pro Hektare einen Europarekord halte. Zugleich würden jedes Jahr nur etwa fünfeinhalb Millionen Kubikmeter von den etwas über acht Millionen Kubikmetern Holz geerntet, die nachhaltig nutzbar wären. Vor allem in gebirgigen Lagen überaltere der Wald. Schweizer Holz habe also noch sehr viel Potential.

Wie aber lässt sich dieses heben? Auf dem Podium diskutierten der Thurgauer Ständerat und Lignum-Präsident Jakob Stark, Silvia Furlan, Präsidentin des Verbandes Holzwerkstoffe Schweiz, Michael Reinhard, Chef der Abteilung Wald im Bundesamt für Umwelt BAFU, die Unternehmerin Katharina Lehmann, CEO und Delegierte des Verwaltungsrates der Lehmann-Gruppe, sowie der Architekt Yves Schihin, Mitinhaber und Partner von Oxid Architektur, mit Pirmin Jung weiter. Jakob Stark hat eben erst in Bern ein Postulat eingereicht, das danach ruft, konkrete Ziele zur Ressource Holz zu definieren (Lignum Journal online vom 22.12.2023). ‹In der Waldpolitik fehlen quantitative Vorgaben zur Nutzung›, hielt Stark fest. Eine Million Kubikmeter mehr Holz pro Jahr hatte Stark an der Lignum-Delegiertenversammlung vom November in Märstetten als Horizont definiert (Lignum Journal online vom 22.11.2023). ‹Davon abgeleitet braucht es dann geeignete Massnahmen: zum Beispiel könnte es für jeden Kubikmeter geerntetes Holz künftig einen Beitrag geben, abgestuft nach Steilheit des Geländes.›

Das eine ist die Erhöhung der verfügbaren Menge an Holz – das andere die Verwendung des zusätzlich mobilisierten Rohstoffs. Mit anderen Worten: Eine kräftige Mehnutzung von Holz im Wald stellt noch nicht sicher, dass auch deutlich mehr in hochwertige Anwendungen wie das Bauwesen geht. Was braucht es, damit mehr Schweizer Holz an den Bau kommt – anstatt zum Beispiel direkt verfeuert zu werden? Holzenergie sei wertvoll, meinte Jakob Stark. Man erkenne langsam aber auch, wo die Grenzen des Energieholzpotentials erreicht seien; damit rückten sich die Verhältnisse wieder zurecht. Einen anderen Fokus setzte Michael Reinhard: Das Bewusstsein für Kaskadennutzung wie auch für Kreislaufwirtschaft müsse noch zulegen. Es gibt aber in der Schweizer Wertschöpfungskette Holz auch Lücken, die es noch zu schliessen gilt – der Selbstversorgungsgrad mit Holzbauprodukten liegt in der Schweiz nur etwa bei einem Drittel. Darum braucht es zur Bedienung des Marktes zwingend auch die Kapazitäten des Handels mit seinen eingespielten internationalen Netzwerken für Importe, wie Jakob Stark unmissverständlich festhielt.

Schweizer Holz darf also noch zulegen. Wo muss man den Hebel dafür ansetzen? Die Runde fand einen ziemlich klaren Nenner: im Wald. Zum einen geht es darum, dass die Eigentümer darin unterstützt werden, ihn klimafit zu machen: für die Verhältnisse von morgen benötigt der Schweizer Wald einen anderen Aufbau als heute. Die Fichte wird sich aus tiefen Lagen zurückziehen; Laubholz wird weiter zunehmen. Die Waldwirtschaft muss aber auch ihr wertvolles Produkt Holz – gleich welcher Art – zumindest kostendeckend auf den Markt bringen können. Das erfordert nicht nur finanzielle Unterstützung für die Waldwirtschaft, sondern setzt auch eine gesellschaftliche Wiederaufwertung der Holzproduktion voraus, die lange Zeit hinter dem Schutz des Waldes rangierte, wie Jakob Stark konstatierte. Subventionen für die Holzindustrie seien wohl kaum der richtige Weg, meinte Katharina Lehmann: ‹Wir müssen uns auf den Markt ausrichten.› Doch die Waldwirtschaft müsse es unbedingt schaffen, den Kompass nach den Bedürfnissen der Holzindustrie und des Bauwesens auszurichten, sprich den Anteil sägefähigen Holzes wieder zu erhöhen.

Architekt Yves Schihin löste sich gedanklich von der Branchenpolitik. Er empfahl, den Zaun nicht zu eng stecken, wenn es um die Holzbeschaffung für ein Projekt geht. Nachhaltigkeit heisst umweltschonende Waldwirtschaft und kurze Transportwege. ‹Aber wenn man zum Beispiel in St. Gallen baut, umfasst ein sinnvoller Radius für die Holzherkunft nach solchen Kriterien auch Süddeutschland oder Österreich. Das liegt näher als manche Gegenden in der Schweiz.› Vor allem aber plädierte Yves Schihin für mehr Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, klimaschonend zu bauen und dafür Holz einzusetzen. ‹Dieses Jahrzehnt ist für das Klima entscheidend, da hat die Gruppe Countdown2030 recht. Holz im Wald stehen und am Ende verrotten zu lassen, ist keine Option, wenn man die Möglichkeit hat, eine Fichte oder Buche zu ernten und ihr Holz für Jahrzehnte, vielleicht sogar für mehrere hundert Jahre baulich einzusetzen und wiederzuverwenden, das ist ja das Bestechende an diesem Material.› Die klimapolitische Bedeutung des Bauens und Ausbauens mit Holz rückt auch die Berufe der Holzbranche in ein besonderes Licht: Sie sind Teil einer klimafreundlichen Zukunft. Etwas mehr Selbstbewusstsein, wie es die Holzbauer oder Schreiner zeigten, schade deshalb den Berufsleuten auch in anderen Zweigen der Wald- und Holzwirtschaft sicher sicher nicht, meinte Silvia Furlan.

 

Heute Donnerstag an der Swissbau in Basel: ‹Kreislaufwirtschaft und Re-Use im Holzbau› (9.30–10.30 Uhr in der Arena)

 

Link Lignum an der Swissbau 2024