Lignum Holzwirtschaft Schweiz

‹Schweizer Mietrecht führt zu grotesker Fehlallokation›

Das Mietrecht führt dazu, dass die Schere zwischen Angebots- und Bestandsmieten immer grösser wird. Das schafft wachsende Fehlanreize zur ineffizienten Verwendung von Wohnraum. Darauf legt Raiffeisen den Finger in ihrer aktuellen Studie zum Schweizer Immobilienmarkt.

Raiffeisen-Studie Immobilien Schweiz, 1. Quartal 2024 (PDF, 1.4 MB)
Ins Bild klicken, um die Studie aufzurufen

 

Die Schweizer Bevölkerung wächst mit hoher Kadenz, getrieben von der Zuwanderung. Damit nimmt auch die Wohnraumnachfrage ausgerechnet in einer Phase zu, in der die Produktion neuer Wohnungen auf dem tiefsten Stand seit 20 Jahren verharrt. In immer mehr Regionen akzentuieren sich die Knappheitserscheinungen. So hat sich schweizweit die Zahl ausgeschriebener Objekte in nur eineinhalb Jahren halbiert.

Das Jahreswachstum der Mietpreise hat sich dagegen im Schnitt auf 4,7% beschleunigt. Die Überschussleerstände der letzten Dekade sind langsam abgebaut, daher bleibt vielen Mieterinnen und Mietern nur noch, tiefer in die Tasche zu greifen. Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche und rapide steigende Neumieten werden auf dem Mietwohnungsmarkt noch eine Weile Realität bleiben. Trotzdem ist bauseitig weiterhin keine Reaktion auszumachen. 


Schwarzer Peter für das Mietrecht

Es fehlen derzeit also Wohnungen an allen Ecken und Enden. Einen zumindest Mitschuldigen an der Misere ortet Raiffeisen im geltenden Mietrecht. Fakt ist: Es friert die Mieten auf dem Abschlusspreis ein und lässt nur wenige Gründe für Anpassungen zu. Diese Regelung schützt die Bestandesmieterinnen und -mieter vor höheren Kosten, bewirkt jedoch auch eine immer stärkere Entkoppelung der Angebotsmieten von den Bestandesmieten. Das bleibt nicht ohne Nebenwirkungen: Die insbesondere in den Zentren ausgeprägten Preisdifferenzen generieren Fehlanreize, indem Haushalte für eine Wohnflächenreduktion bestraft statt belohnt werden.

Bereits nach kurzer Mietdauer kostet ein Wechsel in eine etwas kleinere Wohnung zur Neumiete mehr als die bisherige Bestandesmiete. Folglich bleiben Wohnungsverkleinerungen aus. ‹Vor allem Seniorenhaushalte leben häufig in für ihre Bedürfnisse zu grossen Wohnungen. Mehr als die Hälfte der über 60-jährigen Mieterinnen und Mieter haben mindestens zwei Zimmer mehr als Haushaltsmitglieder›, sagt Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile. Solche Haushalte werden zudem immer zahlreicher, weshalb der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch pro Kopf weiter ansteigt – aktuell liegt er bei 46,6 m2.


Wohnraum besser verteilen – bloss wie?

Gleichzeitig wächst die Zahl der Haushalte, die sich in überbelegten Wohnungen finden. Die Fehlanreize fördern überdies Leerkündigungen und verringern die Mietermobilität. Mit dem erwarteten starken Wachstum der Neumieten in den nächsten Jahren wird sich die Problematik weiter verschärfen. Allein schon das heutige Optimierungspotential einer besseren Allokation sei riesig, so das Economic Research von Raiffeisen: Wenn alle Mietwohnungen bloss ein Zimmer mehr umfassen würden, als Personen im Haushalt leben, liesse sich ein ‹idealer Flächenverbrauch› von rund 38 m2 pro Kopf ableiten.

Eine effizientere Flächenallokation würde nicht nur das Problem der Überbelegung lösen, sondern zusätzlich 170000 Mietwohnungen à 100 m2 freispielen, rechnet Raiffeisen vor. Damit liesse sich Wohnraum für knapp eine halbe Million Menschen schaffen. ‹Mit einer besseren Nutzung des Mietwohnungsparks könnte die sich zuspitzende Wohnungsknappheit also weitgehend entschärft werden, ohne dass auch nur ein einziges neues Gebäude erstellt werden müsste›, so Raiffeisen. Verordnen lässt sich das allerdings nicht – gefragt ist Kreativität.


Link www.raiffeisen.ch