Sonderpreis Schreiner: Zwei Gewinner im gleichen Rang
Die Sonderpreise Schreiner des Prix Lignum 2021 gehen an zwei Arbeiten im gleichen Rang. Oben: Regal ‹001›. Mitte und unten: Umbau Alpgebäude St. Antönien.
Bilder Zsigmond Toth (oben) | Roland Tännler (Mitte und unten) | Prix Lignum 2021
Erstmals vergibt der Prix Lignum 2021 auf nationaler Ebene einen Sonderpreis Schreiner. Er zeichnet Schreinerarbeiten aus, die durch herausragende Gestaltung, handwerkliche oder technische Innovation und Funktionalität brillieren.
Allein für den Sonderpreis wurden 165 Arbeiten eingereicht, die unterschiedlicher nicht sein könnten und welche die enorm breite Palette an Möglichkeiten mit Holz im Innenausbau, im Fensterbau und im Möbelbau aufzeigen. Die zwei Sonderpreise Schreiner 2021 gehen ex aequo an zwei ganz verschiedene Arbeiten.
Genial einfaches Regal ‹001›
Ein Regal, das so simpel ist wie das Domino-Haus von Le Corbusier: ein paar Platten im Raster übereinandergestellt, mit wenigen Holzstäben verschraubt, fertig. Was nur soll daran besonders sein?
Die Erfindung liegt im Detail und ist so unaufdringlich, dass man schon genau hinschauen muss. Die Regalböden sind nicht wie sonst üblich miteinander verklebt, sondern mit einem ausgeklügelten System zusammengesteckt – ähnlich wie ein Klick-Parkett.
Esche pur ohne einen Tropfen Leim
Schmale, unten eingeschobene Querstreben stabilisieren das Brett und gleichen das Schwindmass aus. Alles an diesem Regal ist rein mechanisch gefügt, kein Tropfen Leim, 100% lokales Eschenholz, komplett unbehandelt. Die kreislaufgerechte Konstruktion schont Ressourcen, reduziert Transporte und verkürzt Lieferketten.
Das ist zukunftsweisend. Die Technik dahinter kommt von der Schreinerei Lindauer, die seit Jahren daran tüftelt und das patentierte System bereits im Türen- und Küchenbau einsetzt. Konstruktive Reinheit wird möglich dank moderner Frästechnologie.
Pfiffiger Ferienhaus-Umbau auf der Alp
Nickisch Walder Architekten haben einen historischen Strickbau in St. Antönien feinfühlig umgebaut und dafür rustikale, aber raffinierte Möbel entworfen. Die beigezogenen Schreinereifachleute von Frischknecht & Schiess sorgen für ein durch und durch stimmiges Gesamtwerk, in dem sich eine Auszeit auch in ganz verschiedener Besetzung wunderbar geniessen lässt.
Der historische Strickbau liegt auf einer Alp, die im Inventar der Denkmalpflege aufgeführt ist. In den 1970er Jahren wurde das Maiensäss zum Ferienhaus umgebaut. Die Architekten haben das Haus mit wenigen präzisen Eingriffe wieder näher an den ursprünglichen Zustand herangeführt und den neuen Bedürfnissen angepasst. Der Umbau zeugt von grosser Liebe zum Bestand und zum Detail.
Schreiner schaffen ein funktionales Ganzes
Sämtliche Wand-, Boden- und Deckenaufbauten sind nur mit natürlichen Materialien – Holz und Schafwolldämmung – konstruiert. Das neue Holz ist naturbelassen, es gleicht sich mit der Zeit dem alten Material an. Die Verbindungen, oft mit Nut und Kamm gesteckt, sind direkt und nachvollziehbar. Die Schiebefenster lehnen sich in ihrer Art an die alten handgefertigten Fensterchen der Stube an. Die Architekten haben sie wie die Türen und massgeschneiderten Möbel in einer zum Bestand analogen Sprache entwickelt.
Das ganze Haus lebt vom Zusammenspiel und dem Ideenreichtum aller Beteiligten. Eine Fülle von eigens entworfenen Schreinerarbeiten erleichtert das verdichtete Wohnen im Haus: Stuhlhocker mit Stauraum, ein ausziehbarer Sofatisch, klappbare Wandtischchen, eine doppelgeschossige Garderobe, eine faltbare Leiter und eine klappbare Wand zur Kinderschlafnische erlauben unterschiedliche Belegungsdichten und Lebensformen.
Links www.prixlignum.ch | https://studionoun.ch | www.lindauerag.ch | Nickisch Walder | www.frischknecht-schiess.ch