Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Strom-Mantelerlass des Parlaments kommt wohl an die Urne

Die Schweiz tut sich in Sachen Energie und Klima schwer. Ein neues CO2-Gesetz dreht nach dem Schiffbruch der 2021 zur Abstimmung gebrachten Vorlage noch in den parlamentarischen Mühlen. Ein Referendum zwang letztes Jahr das Klimagesetz zur Beglaubigung an die Urne. Und nun ist trotz sorgfältiger Austarierung des Mantelerlasses, mit dem das Parlament den Zubau erneuerbarer Energien zum Fliegen bringen will, vergangene Woche auch gegen dieses Gesetz das Referendum eingereicht worden.

Hier soll es vorangehen mit Strom von der Sonne: Nach dem doppelten Ja von Burgergemeinde und Einwohnergemeinde Grengiols zur Solaranlage im Saflischtal wollen die Projektpartner – die Gemeinde Grengiols, EnBAG (Energie Brig-Aletsch-Goms AG), FMV (Forces Motrices Valaisannes), EKZ (Elektrizitätswerke des Kantons Zürich), das Westschweizer Energieunternehmen Groupe E und IWB (Industrielle Werke Basel) – das Baugesuch Anfang dieses Jahres beim Kanton Wallis einreichen. Grengiols-Solar soll auf 2500 m Höhe auf einer Fläche von 0,8 m2 jährlich 150 GWh erneuerbaren Strom produzieren, rund 43% davon im Winter. Mit dem Strom lassen sich 40000 Haushalte versorgen. Die Gegner solcher Anlagen werden nicht müde zu behaupten, sie zerstörten die Landschaft. Für all jene, die sich fragen, wo sich die geplante Anlage von Grengiols-Solar denn hier eigentlich im Gelände versteckt: rechts oben.
Bild Grengiols Solar/Visualisierung Nightnurse

 

Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien – kurz Mantelerlass – umfasst Anpassungen im Energiegesetz und im Stromversorgungsgesetz. Damit soll das Energieversorgungssystem der Schweiz auf das Netto-null-Emissionsziel bis 2050 ausgerichtet werden, während zugleich hohe Versorgungssicherheit herrscht. Netto null als Ziel erfordert viel mehr Strom als bisher. Das Gesetz sieht deshalb verbindliche Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion im Inland und Massnahmen zur Stärkung der Stromversorgungssicherheit vor allem im Winter vor.

Die parlamentarisch lancierten Offensiven von ‹Solarexpress› und ‹Windexpress› sorgten für einen Euphorieschub in der Energiebranche. Neue Projekte für alpine Solaranlagen poppten fast im Wochenrhythmus auf, und auch die Wasserkraft witterte nach langer Stagnation wieder Morgenluft. Doch mittlerweile ist die Aufbruchstimmung zumindest teilweise einer gewissen Ernüchterung über die an vielen Orten angetroffenen Widerstände gewichen. Manch einer fragt sich: Will die Schweiz ihr Energiesystem wirklich auf neue Beine stellen, oder will sie das gar nicht? In dieser Situation ist es vielleicht gar nicht schlecht, wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger jetzt auch zum Mantelerlass befragt werden, obwohl die politische Ehrenrunde wieder Zeit kostet.


NIMBY – der Wiedergänger vom Dienst

Hinter dem Referendum gegen das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien stehen die Fondation Franz Weber (FFW) und das Bündnis für Natur und Landschaft (BNL). Ihr Vorwurf: mit dem Mantelerlass werde der Natur- und Landschaftsschutz ausgehebelt. Im O-Ton: ‹Das neue Gesetz stellt eine unmittelbare und direkte Bedrohung für die Biodiversität und die Schönheit unseres Landes dar – und das unter dem Vorwand, das Klima schützen zu wollen.› Fondation Franz Weber und BNL halten das für verfassungswidrig.

In Tat und Wahrheit, so die Argumentation der Referendumsführer, sei es gar nicht nötig, Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien in der Natur zu bauen: dafür reiche die Installation von Solarpanels auf vorhandenen, verfügbaren und geeigneten Dächern. Wer sich an die endlosen Diskussionen um ebendieses Thema, aber auch um Dauerbrenner wie die Verdichtung nach innen oder die  rasche Schaffung von fehlendem Wohnraum erinnert fühlt, liegt wohl nicht ganz falsch: Es spielt immer dieselbe Endlosschlaufe des ‹Aber doch nicht so und sicher nicht hier› – mit der Absicht, dass alles so bleibt, wie es ist. Das ist menschlich. Die Frage ist nur: Wem ist damit gedient, wenn es ohne Handeln nicht geht?


63184 Unterschriften gesammelt

Am letzten Donnerstag ist das Referendum gegen den Mantelerlass mit 63184 Unterschriften zeitgerecht bei der Bundeskanzlei in Bern eingereicht worden. Nötig sind 50000. Die Bundeskanzlei muss das Zustandekommen des Referendums noch bestätigen, aber auch wenn eine gewisse Anzahl der abgegebenen Unterschriften ungültig ist, dürfte es wohl reichen. Vera Weber, Präsidentin der Fondation Franz Weber, wiederholte bei der Einreichung der Unterschriften vor den Medien, es mache absolut keinen Sinn, ‹im Namen des Klimas Wälder für Windkraftanlagen zu roden, Alpenlandschaften mit Solarpanels zu verschandeln und Biotope für Wasserkraft zu überfluten›.

Hinter dem Mantelerlass stehen der Bundesrat, die Kantone und alle grossen Parteien – aber auch die etablierten Vertreter grüner Anliegen. Für die Grüne Partei der Schweiz liess sich postwendend ihr Nationalrat Bastien Girod vernehmen. Er nannte das Referendum ‹unverantwortlich› und warnte vor einem ‹drohenden Kurzschluss für die Erneuerbaren›. Die Grünen stünden geschlossen hinter dem Mantelerlass. Auch der WWF Schweiz hat gleichentags reagiert: Er sagt ja zum Mantelerlass und lehnt das Referendum ab. ‹Aus unserer Sicht überwiegen die Vorteile der Vorlage deutlich›, sagt WWF-Energie- und Klimaexperte Patrick Hofstetter lapidar. Auch Greenpeace Schweiz will sich für das Gesetz einsetzen.

Wenn das Zustandekommen des Referendums bestätigt ist, wird der Abstimmungsdatum voraussichtlich am 31. Januar bekanntgegeben.


Links www.ffw.ch | https://gruene.ch | www.wwf.ch | www.greenpeace.ch