Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Von 228 auf 338 Wohnungen mit einer XXL-Holz-Aufstockung

Die Siedlung Lindendorf II in Ostermundigen stammt aus den achtziger Jahren und bietet dank einer Überbauungsordnung das Potential, die vorhandenen Wohnungen zu verdoppeln. Die Aufstockung um bis zu drei Vollgeschosse war für die drei Bauten, welche die Berner W2H Architekten erneuert haben, nur dank der Umsetzung als reiner Holzbau möglich.

Die mit Holzbauten aufgestockten Gebäude der Siedlung Lindendorf II in Ostermundigen (Projektdauer 2019–2023) bieten ihren Bewohnern und Bewohnerinnen trotz Verdichtung viel Grün und Freiraum (Bauherrschaft: verschiedene; Architektur: W2H Architekten AG, Bern; Holzbauingenieure: Indermühle Bauingenieure GmbH, Thun; Holzbau: Wirz Holzbau AG, Bern/Zaugg AG Rohrbach).
Bild Rolf Siegenthaler, Bern
 

Die Siedlung Lindendorf II mit insgesamt zwölf mehrgeschossigen Wohnbauten am nördlichen Siedlungsrand der Gemeinde Ostermundigen stammt aus den frühen 1980er Jahren. Diese zeichnete vor dem Eingriff ein grosszügiger, parkähnlicher Zwischenraum mit Bäumen und Teichen aus, der sich über die Jahre zu einem teilweise dicht bewachsenen Aussenraum entwickelte.

Trotz der Aufstockung um bis zu 50% des Volumens einzelner Bauten gelang es, diese Qualität zu erhalten: Auch jetzt noch wirkt die Bebauung locker, und die Räume zwischen den Gebäuden sind grosszügig, stark durchgrünt und bieten für die Bewohner und Bewohnerinnen viel Freiraum.

Eine Einstellhalle verbindet die zwölf Gebäude, die ursprünglich drei bis vier Vollgeschosse und mehrheitlich über ein zusätzliches Attikageschoss verfügten und im Besitz von zehn verschiedenen Eigentümern sind. Ebenso prägend für den Ort ist das einheitliche Äussere der charakteristischen Bestandsbauten der 1980er Jahre, deren Höhen aufeinander abgestimmt sind.


Sanierung weitergedacht

Vor rund zehn Jahren erhielten W2H Architekten von einem der Eigentümer den Auftrag für die Sanierung seines Gebäudes. Dies hat eine Entwicklung angestossen, die noch nicht abgeschlossen ist. Ausgehend vom Gedanken der haushälterischen Nutzung des Bodens und der räumlichen Verdichtung im bestehenden Siedlungsgebiet, überprüften die Architekturschaffenden am Beispiel des Objekts an der Unterdorfstrasse 35 und 37, ob und in welcher Form eine Aufstockung möglich wäre.

Dabei zeigte sich das Potential für eine innere Verdichtung der Siedlung klar. Darauf suchte man das Gespräch mit der Gemeinde, und W2H Architekten erhielten den Auftrag, für alle Eigentümer ein verbindliches Gestaltungskonzept zu entwickeln. Zusätzlich konnten sie drei der zwölf Bauten sanieren und aufstocken.


110 neue Wohnungen

Das im Auftrag der Gemeinde durchgeführte Verfahren mit Workshops für die Gestaltung über das ganze Gebiet mit zwölf Liegenschaften und zehn Eigentümern legte die Richtlinien zu Bebauungsmuster, Fassadengestaltung, Erschliessung, Parkierung und Umgebungsgestaltung fest. Es zeigte sich, dass durch die grosszügigen Abstandsverhältnisse innerhalb der Überbauung eine bauliche Verdichtung mittels Aufstockung von bis zu drei Geschossen städtebaulich verträglich ist, wobei auf die Vorgabe eines Attikageschosses verzichtet wurde. 

Die Höhenstaffelung der Bestandsbauten wurde weitgehend beibehalten: So können die in der Mitte des Areals liegenden Gebäude von vier auf sieben Geschosse erweitert werden, diejenigen am Rand des Areals auf maximal sechs Geschosse. Damit schafft das erarbeitete Konzept das Potential, die bestehenden 228 Wohnungen um 110 Wohnungen zu erweitern. Die Überbauungsordnung wurde vom Stimmvolk im November 2019 angenommen, der Baustart für die erste Etappe erfolgte im Februar 2021.

Aufgrund der unterschiedlichen Eigentümer erfolgen die Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten in mehreren Etappen. W2H Architekten war es wichtig, die räumliche und architektonische Qualität der Siedlung zu jedem Zeitpunkt des gestaffelten Weiterbauens zu stärken und die Identität des Ortes zu erhalten. Die emotionale Bindung der Bewohner und Bewohnerinnen zu ihrem langjährigen Wohnort bleibt mit der Art der Erweiterung und der damit verbundenen Wiedererkennung des Bestands zentral.


Sichtbarer Bestand ...

Für die Aufstockung und Sanierung der drei von W2H Architekten begleiteten Bauten definierten die Architekten drei Schwerpunkte, abgestimmt auf das Gesamtkonzept: die gestalterische Ausbildung der Fassade, die Frage des Energieverbrauchs und den Umgang damit sowie die volumetrische Gestaltung der Baukörper. Diese sind als Zeitzeugen der 1980er Jahre mit Vor- und Rücksprüngen gegliedert.

Ein kräftiger, aber profilierter Dachabschluss in vorfabrizierten Waschbetonelementen und geschlossene, verputzte Wandelemente mit integrierten Fenstern, ebenfalls mit Waschbetonelementen ausgezeichnet, prägen ihr Äusseres. Vorgefertigte Balkone in Waschbeton auf L-förmigen Stützen charakterisieren die Süd- und Westfassade.


... und neue Holzaufbauten

Die neuen Aufbauten in Holzelementbauweise nehmen die bestehenden Vor- und Rücksprünge auf, die gestalterische Zäsur bildet der ursprüngliche Dachabschluss in Waschbeton, der wie alle anderen Waschbetonelemente gereinigt wurde. Damit bleibt der Bestand sichtbar.

Formal folgen auch der neue Dachabschluss und die Art der Öffnungen dem Bestand, allerdings unterscheiden sich die Aufbauten in ihrer Farbigkeit und Materialität vom ursprünglich belassenen Zustand der unteren drei Geschosse: Welleternitplatten in einem hellen Lindgrün anstelle der Putzoberflächen und liegende Faserzementplatten in Anlehnung an die horizontalen Waschbetonplatten.

Um den angestrebten Energie-Standard Minergie zu erreichen, beliess man zwar das Zweischalenmauerwerk mit integrierter Dämmschicht des Bestands, dämmte dafür aber den Holzbau, die Decke zum Keller und das neue Dach stärker. Alle Fenster sind neu dreifach verglast.


Weiterentwicklung im Innern

Im Inneren boten die einfachen, flächeneffizienten Grundrisse aus der Entstehungszeit eine ideale Basis zur Weiterentwicklung – auch in Hinblick auf Anpassungen zu behindertengerechten Wohnungen. Steigzonen aus dem Bestand übernahm man und führte sie in den neuen Geschossen weiter. Die Kernzone in den Wohnungen erstellte man neu aufgrund der zusätzlichen Last von oben und der geforderten Erdbebenertüchtigung.

Die heruntergehängte Decke nimmt hier die Lüftung und weitere Installationen auf. Der Unterlagsboden konnte in den Bestandsgeschossen partiell belassen werden. Der Boden in Wohnraum und Küche wurde erneuert, da eine neue zusätzliche Betonwand zum Kern und Stützen zum Balkon nötig waren. Alle Wohnungen verfügen in allen Räumen über eine Bodenheizung.


Wichtige soziale Komponente

In den Wohnungen der Aufbauten ist die Holzdecke sichtbar und macht so den Holzbau erlebbar. Mehr Wohnungen bedeutet auch mehr verfügbare Aussenflächen für Kinder, Spielbereiche und Plätze zur Erholung: Der Aussenraum wurde deshalb neu gestaltet, jeweils mit einer Bepflanzung rund um die Gebäude, die eine geschützte Zone vor den Wohnungen schafft.

Nicht zu unterschätzen sei bei einem solchen Projekt die soziale Komponente, erklärt Andreas Wenger, Architekt und Partner bei W2H Architekten: Zwar habe mit dem Umbau eine Erneuerung der Siedlung eingesetzt, indem wieder mehr Familien mit Kindern eingezogen seien, gleichzeitig hätten Menschen, die zum Teil schon sehr lange hier wohnten, sich auf das Neue einlassen und zum Beispiel innerhalb der Siedlung umziehen müssen.

Aufgrund dieser Erfahrung hätten sie während des Planungs- und Bauprozesses auch die Kommunikation angepasst, um zu erklären, was passiert. Und dank des übergeordneten Gestaltungskonzepts bleibt auch der einheitliche Charakter der Bebauung erhalten, auch wenn die verschiedenen Bauherrschaften mit den Vorgaben unterschiedlich umgehen.


Link www.w2h.ch

 

Dieser Beitrag ist zuerst im Schweizer Energiefachbuch 2024 erschienen.