Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Waldleistungen finden noch zuwenig Aufmerksamkeit

Im Nationalen Forschungsprogramm ‹Nachhaltige Wirtschaft› (NFP 73), das Mitte Mai abgeschlossen wurde, haben Forscherinnen und Forscher der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL die mögliche Zukunft der Waldwirtschaft untersucht. Ihr Fazit: Der Wald hat etwas zu bieten, aber Öffentlichkeit, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nehmen das noch zuwenig wahr.

Das Mainstreaming von Waldökosystemleistungen zielt auf deren umfassendere Berücksichtigung in Strategien, Politik, Programmen und Praktiken von öffentlichen und privaten Akteuren ab, über alle Sektoren hinweg, die entweder von Waldökosystemleistungen proftieren oder diese beeinflussen. Das erfordert einen proaktiven, integrativen Ansatz.
Grafik Whitepaper NFP73

 

Der WSL-Umweltökonom Roland Olschewski wollte herausfinden, ob Nutzniesser einer verbesserten Schutzleistung des Waldes bereit wären, etwas dafür zu bezahlen. Eine Bevölkerungsumfrage in Berggebieten ergab eine zum Teil hohe Zahlungsbereitschaft für eine zusätzliche Waldbewirtschaftung, die den Naturgefahrenschutz über das gesetzlich vorgeschriebene Mass hinaus erhöht. Das zeigt, dass solche ‹Versicherungsprodukte› durchaus neue Einkommensquellen für Waldeigentümer erschliessen könnten. Die zentrale Herausforderung dabei ist, eine ausreichend grosse Gruppe von Akteuren zusammenzubringen, die sich an einer dauerhaften Bereitstellung und Finanzierung solcher zusätzlichen Schutzleistungen beteiligen.

Tamaki Ohmura und Tobias Schulz aus der Forschungsgruppe Umwelt- und Ressourcenökonomie erkundeten, welche Kompensationsleistungen Waldeigentümer gegen Entschädigung bereitstellen würden, etwa Naturschutzmassnahmen im Wald, die anstelle von Aufforstungen nach Waldrodungen umgesetzt werden. Dies ist vor allem für Eigentümer grosser Wälder wie etwa Gemeinden attraktiv; Privateigentümer kleiner Parzellen lehnten diese Art der Kompensation eher ab. Auch die Waldbewirtschaftung zur Speicherung von Kohlenstoff stösst eher auf Skepsis im Vergleich zu Klimaschutzmassnahmen, die fossile Materialien substituieren können (Bauholz, Energieholz). Die beiden WSL-Forschenden schliessen daraus, dass die Waldeigentümer nur begrenzt dazu bereit sind, Kompensationsansprüche anderer Sektoren zu erfüllen, insbesondere nicht auf Kosten der Holzproduktion.

An einer praktischen Lösung für die Waldbewirtschaftung arbeitete Esther Thürig, Leiterin der WSL-Gruppe Ressourcenanalyse: Sie hat den Prototyp einer Entscheidungshilfe entwickelt, die den Bedarf an Waldleistungen und entsprechende Konflikte für verschiedene Bewirtschaftungen simuliert. Damit können Auswirkungen auf Waldleistungen schon vor der Ernte demonstriert und die Priorisierung verschiedener Leistungen vereinfacht werden. Das Modell zeigt unter anderem auf, dass es in den meisten Fällen ganz ohne Bewirtschaftung tendenziell weniger Waldleistungen gibt als mit.


Waldökosystemleistungen ins Bewusstsein rücken

Um das Mainstreaming von Waldökosystemleistungen zu erreichen, empfehlen Olschewski, Schulz und Thürig, das Bewusstsein für diese Lesitungen und ihre komplexen Wechselwirkungen in der breiten Öffentlichkeit, bei politischen Entscheidungstragenden sowie Waldbesitzenden und Waldbewirtschaftenden zunächst einmal zu schärfen. Dazu sei es erforderlich, die Vorteile der Waldökosystemleistungen wie auch ihre Zielkonflikte sichtbarer zu machen, indem man etwa die Kostentransparenz erhöhe, Eigentumsrechte kläre und das Verursacherprinzip stärke.

Die Waldpolitik sollte im weiteren ehrgeizige Ziele für alle wichtigen Waldökosystemleistungen und Richtlinien für die Priorisierung vorgeben, um Konflikte aktiv anzugehen und Synergien zu nutzen, so die Forscher. Dazu müssten die Ziele sektorenübergreifend koordiniert werden. Forstpolitische Instrumente sollten auf einem Policy-Mix beruhen und müssten mit anderen Sektoren abgestimmt werden. In einem Rechtsrahmen müssten klare Regeln für die Zertifizierung von Projekten zur Kohlenstoffsenkung festgelegt werden. Eine marktwirtschaftliche Koordination könnte gefördert werden, jedoch innerhalb der Grenzen und in unterschiedlichem Masse, je nach Waldökosystemleistung.

Wichtig überdies: Eine nachhaltige Umweltpolitik müsse berücksichtigen, dass Wälder nur begrenzt in der Lage seien, alle Anforderungen zu erfüllen, und verhindern, dass Waldökosystemleistungen als Ausgleich für Politikversagen in anderen Bereichen verwendet würden. Dies sei angesichts der globalen Klima- und Biodiversitätskrise besonders
brennend. Da nur gesunde und widerstandsfähige Wälder fähig seien, auf nachhaltige Weise Waldökosystemleistungen über eine lange Zeitspanne bereitzustellen, brauche es einen proaktiven und vorsichtigen Ansatz in der Politik und Bewirtschaftung.


Links www.wsl.ch | www.nfp73.ch