Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Was die Waldwirtschaft für netto null bis 2050 leisten kann

Im November ging eine gemeinsame Tagung der Forschungsplattform SwissForestLab und des Schweizerischen Forstvereins an der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL der Frage nach, wie die Waldwirtschaft zur Erreichung des Netto-null-Ziels beitragen kann. Der Anlass verdichtete eine enorme Fülle an Informationen zu einem umfassenden Bild.

Bild FUS

 

Die Waldwirtschaft kann hochwertige Holzsortimente bereitstellen und vermarkten, um die Senkenleistung in Holzprodukten und eine Kaskadennutzung zu ermöglichen. Die Aufarbeitung minderwertiger Holzsortimente unterstützt die Substitution fossiler Rohstoffe in der Industrie oder fossiler Energieträger. In nichtgenutzten Wäldern erhöht eine Vorratszunahme die Senkenleistung. Das führte Forstvereins-Präsidentin Regina Wollenmann einleitend aus.

Esther Thürig (WSL) umriss im Lauf der Tagung die Klimaschutzleistungen des Wald‐ und Holzsektors der Schweiz unter Quantifizierung verschiedener Szenarien. Die beste Strategie, so Thürig, liege vermutlich in der moderaten Intensivierung der Waldbewirtschaftung und des Holzverbrauchs zugunsten der Produktion langlebiger Holzprodukte unter Einschluss einer energetischen Endnutzung.


Produktionskette dekarbonisieren

Aus Sicht des Forstvereins liegt die Herausforderung der Waldwirtschaft in den nächsten 20 Jahren in der Dekarbonisierung der Holzerntekette. Durch eine angepasste Eingriffsintensität in der 1. Produktionsstufe und die Minimierung von CO2-Emissionen in der 1. und 2. Produktionsstufe liessen sich CO2-Emissionen verringern. Bestehende Infrastrukturbauten der Waldbewirtschaftung könnten überdies zur Produktion erneuerbarer Energie herangezogen werden, wo sinnvoll.

Mögliche CO2-Einsparungen in der Holzproduktionskette stellte Janine Schweier (WSL) vor. Es gibt deutliche Unterschiede zwischen den Arbeitsverfahren hinsichtlich des Energieaufwands. Der Aufwand für die Bereitstellung entspricht je nach Holzerntesystem 1–3% des Heizwerts des bereitgestellten Produktes. Der relative Kraftstoffverbrauch je Festmeter hat sich in den letzten 30 Jahren kaum verändert, ebenso die Kraftstoffeffizienz der Motoren. Die Elektrifizierung der Branche bringt jedoch verschiede emissionsarme Techniken voran. Arbeitsverfahren auf der Höhe der Zeit und die Digitalisierung erlauben eine Optimierung der Prozesse.


Wirtschaften unter neuen Prämissen

Die Herausforderung in der forstlichen und betrieblichen Planung liegt aus der Perspektive des Forstvereins in den kommenden zwei Jahrzehnten darin, die Senken- und Substitutionseffekte durch den Wald zu optimieren. Darüber spannt sich ein gesamtgesellschaftlicher Bogen: Die Schweiz muss die politischen Rahmenbedingungen für eine konsequente Kreislaufwirtschaft respektive Kaskadennutzung von Rohstoffen etablieren.

Daniel Wenk führt als Leiter der Bürgergemeinde Liestal den Forstbetrieb. Er gab einen Einblick in die heutigen betrieblichen Herausforderungen. ‹Die Waldwirtschaft hat sich in den letzten 50 Jahren von der staatlich beaufsichtigen, hochprofitablen Holzproduktion in einen gesellschaftlich und politisch stark beeinflussten Dienstleistungsbereich verwandelt›, sagt Wenk.

‹Anstelle von Waldbewirtschaftung sollten wir heute in der Schweiz eher vom Unterhalt eines freizeit-, schutz- und biodiversitätsrelevanten Ökosystems sprechen, bei dem nebenbei noch ein hochwertiger, CO2-neutraler, nachwachsender Rohstoff anfällt. Es haben sich neue Produkte und Einnahmequellen für die Waldeigentümer entwickelt. Allerdings ist der Preis dafür die Mitsprache und Mitwirkung der Politik und der Gesellschaft›, so Wenk.


Politik(en) auf einen Nenner bringen

Marjo Kunnala (BAFU, Abteilung Wald) erläuterte die Rolle des Wald- und Holzsektors in der Politik. Seine Auslegeordnung beleuchtete unter anderem die aktuell anstehende Revision des CO2-Gesetzes für 2025–2030 und die revidierte CO2-Verordnung, die bis Ende 2024 gilt. Sie lässt neu Kompensationsprojekte zu, bei denen CO2 dauerhaft in biologischen (z.B. Wald und Böden) oder geologischen Speichern gebunden wird. 

Kunnalas Fazit: Die Bedeutung der stofflichen Verwendung biogener Stoffe und der Substitutionseffekte sei in den aktuellen politischen Strategien und Berichten nicht gründlich berücksichtigt, der Fokus liege stark auf technischen Ansätzen. Die Ansprüche an die beschränkt verfügbare Biomasse nähmen zugleich zu; sie seien zum Teil aber widersprüchlich, etwa hinsichtlich stofflicher oder energetischer Nutzung. Eine integrale Wald- und Holzstrategie mit Horizont 2050 steht in Arbeit (siehe auch gesonderten Bericht im Lignum Journal online von heute Dienstag).


Über den Wald hinausdenken

Der Nachmittag der Tagung galt der Frage: Was tragen wir konkret zu netto null bei? Ingo Burgert (Wood Materials Science, ETHZ) stellte innovative holzbasierte Materialien und aktuelle Holzkonstruktionen in der Schweiz vor; Erik Reichmuth (Timber Finance Initiative) erläuterte die Möglichkeiten nachhaltiger Holz-Investments und die Entwicklung einer global anwendbaren Methodologie für CO2-Zertifikate im Holzbau. Darauf folgten Informationen zur Methodik und den Zielen des Vereins Wald-Klimaschutz Schweiz, über den Beitrag und die Rolle der Holzenergie, zur Ausdifferenzierung kreislaufwirtschaftlicher Ansätze im Holzbau sowie die Förderung von Holz als Bau- und Werkstoff im Kanton Zürich.


Link Tagungsunterlagen (Präsentationen)