Biblioteca Chasa Plaz, Ardez
1. Rang der Preis-Region Ost (AI, AR, FL, GL, GR, SG, TG) des Prix Lignum 2012
Bauherrschaft: Dr. Jachen Curdin Arquint-Bonorand, Ardez
Architektur: Men Duri Arquint, Chur/Ardez
Ingenieur: Jon Andrea Könz, Zernez
Holzbau: Ruwa Holzbau AG, Küblis
Bilder Heinrich Helfenstein, Zürich | Prix Lignum 2012
Eigentlich wollten die Bewohner eines traditionellen Engadiner Wohnhauses in einem ihrer Zimmer Bücherregale einbauen lassen. Der Architekt überzeugte sie jedoch mit einem Gegenvorschlag, der auf einen Eingriff im historisch wertvollen Haupthaus verzichtet. Sein Projekt ist eine feinfühlige Intervention im Heuschober des Hauses.
Hier, wo traditionell bei Bedarf eine Schlafstätte für Gutshofgehilfen eingebaut wurde, hängten die Verfasser des Projekts zwei miteinander verbundene Holzräume an die bestehende Tragstruktur: ein fensterloses Bücherzimmer, allseitig mit Regalen ausgestattet, und ein Lesezimmer mit Tisch und Stuhl – und einem Fenster, das Licht spendet und Ausblick auf die Berge bietet. Die Verbindung schafft eine schmale Öffnung – eher breite Schwelle denn kurzer Gang.
Literatur in die Schwebe gebracht
Die Räume schweben im Heuschober. Gekonnt in den Ökonomieteil einbeschrieben, nutzen sie den Luftraum, ohne in Konflikt mit dem Bestand zu geraten, wie die Jury des Prix Lignum lobt. Vielmehr werte der Eingriff den Heuschober auch auf der Ebene des bestehenden Fussbodens auf.
Die Poesie der hängenden Bibliothek sei einnehmend, gerade auch in ihrer soliden Konstruktion, so die Jury weiter: Die beiden Räume und ihr Verbindungsstück sind einzelne, in sich stabile Strickkisten. Das bezeichnet die Jury als ‹simpel und genial zugleich›: Die Balken liessen sich einfach in das bestehende Gebäude tragen und wurden vor Ort zu Raumelementen vormontiert. Mit einfachen Hebemitteln wurden sie anschliessend unter das Dach gehoben.
Sensibler Umgang mit der alten Bausubstanz
Die Konstruktion verzichtet auf vertikale Abstützung und horizontale Abfangung. Teilweise mit Holz, teilweise mit Stahl, verstärkten die Verfasser die alten Dachbinder – gestalterisch zurückhaltend, jedoch als neue Intervention im Altbau ablesbar. Während aussen der Strick sichtbar bleibt, bekleidet die Räume innen eine Täfelung aus feinjähriger Bergfichte. Durch die Einlage von Leisten in Riftholz wird in der Oberfläche auf den zweiten Blick ein Rhythmus geschaffen, der an die Masse der Bücherregale erinnert.
Nach japanischem Vorbild wurden die Holzoberflächen gehobelt. Der Bücherraum bezieht sein Licht nur indirekt über das Fenster im Leseraum. ‹Der Umgang mit der alten Bausubstanz ist sensibel, das Gespür für Räume aussergewöhnlich, die Konstruktion und die handwerkliche Arbeit hochstehend. Das Projekt ist nicht nur ein Gewinn für den Wohnteil, der von einem Einbau verschont geblieben ist, sondern vor allem eine räumliche Bereicherung für den Heuschober. Auf kleinem Raum entstand ein grosses Werk›, resümiert die Jury des Prix Lignum das Projekt.
Link www.prixlignum.ch