Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Wissenschaftler stellen sich hinter Wald und Holz für das Klima

In einem am letzten Donnerstag an die Europäische Kommission, den Europäischen Rat und das EU-Parlament versandten Schreiben setzen sich Hunderte Wissenschaftler aus ganz Europa für nachhaltige Forstwirtschaft sowie die stoffliche und energetische Holznutzung ein.

Die Wissenschaftler legen mit ihrem Schreiben Widerspruch ein gegen die zunehmende Tendenz der europäischen Politik, die Wälder auf dem alten Kontinent im Namen von Klimaschutz und Biodiversität grossflächig aus der Nutzung zu nehmen. Die rund 600 Unterzeichner fordern die Institutionen auf, die nachhaltige Waldbewirtschaftung und Holznutzung als Pfeiler des europäischen Klimaschutzes zu erhalten und zu fördern.

Wir geben im folgenden den Wortlaut des Schreibens von Prof. em. Roland Irslinger, ehemals Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg/Neckar, in einer auf die Kernaussagen gekürzten Fassung in deutscher Sprache wieder. Die vollständige englische Originalfassung findet sich unter dem Link am Schluss des Textes. Dort sind auch die Mitunterzeichner ersichtlich.
 

Sehr geehrte Frau Präsidentin von der Leyen, sehr geehrter Herr Präsident Metsola, sehr geehrter Herr Präsident Michel

Es ist offensichtlich, dass die Wälder durch den Klimawandel zunehmend gefährdet sind. Doch zugleich sind sie in der Lage, den Klimawandel zu mildern und die biologische Vielfalt durch eine sachgerechte Bewirtschaftung und Nutzung ihrer Produkte zu erhöhen, um eine Bioökonomie und die Versorgung mit erneuerbaren Energien in Europa zu sichern.

Wälder sind in hohem Masse fähig, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu binden. In vielen europäischen Ländern ist jedoch bereits ein hohes Niveau an wachsenden Holzvorräten erreicht, und eine weitere Anhäufung von Biomasse erscheint angesichts der Klimaerwärmung riskant. Ohne Holzernte wird das Waldvolumen in einen Sättigungszustand gelangen. Die Kohlenstoffsenke wird sich dem Nullpunkt nähern, wie es in den Altbeständen der ukrainischen Urwälder zu beobachten ist.

Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern ist in Bezug auf die Ökosystemprozesse CO2-neutral und ersetzt den Wettbewerb zwischen den einzelnen Bäumen und die Verluste durch Naturereignisse durch eine regulierte Bestandsdichte. Es gibt keine Kohlenstoffschuld auf Landschaftsebene. Tatsächlich ist es die Bewirtschaftung, die in der europäischen Geschichte die biologische Vielfalt in den Wäldern erhöht hat.

Die Klimavorteile von Holzprodukten sind vielfältig und folgen aus einer nachhaltigen Bewirtschaftung. Sie hängen von der Menge an Kohlenstoff ab, die aus dem Wald in Holzprodukte übertragen wird, und zwar idealerweise über sehr lange Zeiträume. Bei diesem Prozess wird bei der Herstellung von Holzprodukten weniger fossile Energie benötigt als bei Beton, Stahl, Aluminium und Glas. Die Verwendung von Holz als Baumaterial ist nicht nur ein zusätzlicher CO2-Speicher, sondern sichert auch dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum, reduziert den Energiebedarf von Gebäuden und schafft nachhaltige Arbeitsplätze in allen europäischen Regionen.

Zusätzlich zur Substitution fossiler Ressourcen durch stoffliche Nutzung stehen immer mehr Nebenprodukte und Recyclingholz zur Verfügung, um die Versorgung mit erneuerbarer Energie zu sichern. Bei der Bewirtschaftung von Wäldern und der Ernte von Bäumen für Produkte fallen immer Reste an, die nicht für Produkte geeignet sind, etwa die Krone oder ein fauliger Erdstamm. Ein Teil dieser Biomasse verbleibt im Wald als Totholz und zum Artenschutz. Darüber hinaus fallen bei der Herstellung von Holzprodukten auch Reststoffe wie Abschnitte, Späne und Sägemehl an, die sich zur Energiegewinnung eignen.

Der Energiegehalt der Reste und Rückstände von Holzprodukten am Ende ihres Lebenszyklus sollte idealerweise durch den Einsatz von Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung zurückgewonnen werden. Es wurde argumentiert, dass Holz aufgrund seiner im Vergleich zu fossilen Brennstoffen geringen Energiedichte für die Energieerzeugung ineffizient sei. Dieser Vergleich ist jedoch ungerecht. Fossile Brennstoffe werden in naher Zukunft nicht mehr verfügbar sein. Wenn die Energiewende in Europa erfolgreich vollzogen ist, können Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung auf der Grundlage von Biomasse auch Wasserstoff und biochemische Stoffe erzeugen.

Bei sachgerechter Waldbewirtschaftung ist die energetische Nutzung von Holz ein Nebenprodukt der Holzernte und der Verarbeitung von Holz zu Produkten. Die energetische Nutzung von Holz kann fossile Energie ersetzen und ist ein wichtiger Bestandteil der Klimaschutzpolitik in allen europäischen Ländern. Die Energiesubstitution ist ein integraler Bestandteil eines bewirtschafteten Waldes und der damit verbundenen Holzprodukte. Daher müssen bei einer sektoralen Analyse eines bewirtschafteten Waldes die Stoff- und Energieströme des gesamten Systems, die mit dem Wald und seiner Nutzung verbunden sind, berücksichtigt werden.

Nur mit Waldbewirtschaftung und Holznutzung vermeiden wir fossile CO2-Emissionen. Eine verstärkte Lagerung von Holz im Wald kompensiert nur, vermeidet aber nicht CO2-Emissionen, dies mit unabsehbaren Risiken. Ein Verbot der energetischen Nutzung von Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und die Erhöhung des Anteils geschützter EU-Wälder sind nicht geeignet, die europäische Klimaschutzpolitik zu unterstützen, bringen keine weiteren Vorteile für die Biodiversität und behindern die kreislaufwirtschaftliche Bioökonomie.


Prof. Roland Irslinger (im Ruhestand), ehemals Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg/Neckar, Deutschland



Links Originaldokument (englisch, PDF, 334 KB) | Was bringt Waldwildnis in Europa für das Klima? (Lignum Journal online vom 6.9.2021) | Time for Timber (PDF, 4.48 MB)