Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Wo steht das Kreislaufdenken im Holzbau heute?

Im Forschungsprojekt ‹circularWOOD› haben der Lehrstuhl für Architektur und Holzbau der Technischen Universität München und das Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur der Hochschule Luzern über drei Jahre hinweg gemeinsam die Situation der Kreislaufwirtschaft im Holzbau in Deutschland und in der Schweiz untersucht. Jetzt liegt der umfangreiche Schlussbericht vor.

Der Bericht liefert einen Überblick zu den Erkenntnissen in der Literatur, analysiert Hemmnisse und Potentiale aus Sicht der Holzbaubranche, fasst Erfahrungen aus ersten Umsetzungsprojekten zusammen und skizziert Elemente für ein zukünftiges Bild der Kreislaufwirtschaft im Holzbau. Im Fokus des Projekts steht eine hochwertige stoffliche Nachnutzung.
Ins Bild klicken, um den Bericht herunterzuladen (PDF, 12.9 MB)

 

Das Thema der Kreislaufwirtschaft im Holzbau habe in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, konstatieren die beiden Autorinnen Sandra Schuster (TUM) und Sonja Geier (HSLU). Mit der sukzessiven Einführung der EU-Taxonomie und einer möglichen verpflichtenden CO2-Bilanzierung für Gebäude würden Holz als Baustoff und das Prinzip des zirkulären Bauens weiter an Bedeutung gewinnen. Das Potential kreislaufgerechter Konstruktionen aus Holz werde von der Branche hoch eingeschätzt. Man betrachte den Holzbau zudem als Vorreiter für demontierbare Konstruktionen. Die Umsetzung kreislaufähiger Holzbauten stecke gegenwärtig allerdings noch im Stadium der Pilotprojekte. Der Fokus von Investoren und Auftraggebern liege bislang im Neubau von nachhaltigen, aber nicht zwangsläufig kreislauforientierten Gebäuden.

Die Kaskadennutzung von Holz im Bauwesen sei noch wenig verbreitet. Neben der erhöhten Nachfrage nach Gebrauchtholz für die thermische Verwertung erschwere fehlende Wirtschaftlichkeit die Wiederverwendung gebrauchter Bauteile. Die Verfügbarkeit von Holz in einem zunehmend begehrten Markt werde langfristig jedoch den Handlungsdruck hin zur Kreislaufwirtschaft im Holzbau beeinflussen, zeigen sich die Berichtsautorinnen überzeugt. Ihre Literaturrecherche hat überraschend umfangreiche Literaturquellen zum Thema identifiziert. Der Cradle-to-cradle-Ansatz geniesst eine hohe Bekanntheit und dominiert die Diskussion.


Entwicklung steht erst ganz am Anfang

Die Erfahrungen in der Umsetzung von Holzbauten zeigten indessen, dass ein Teil der Cradle-to-cradle-(C2C)-Prinzipien im Widerspruch zur aktuellen Umsetzungspraxis im Holzbau stehe, so der Bericht. Beispielsweise konterkariere der Einsatz von feuchtevariablen/feuchteadaptiven Folien in Bauteilaufbauten die C2C-Prämisse der Sortenreinheit. Kreislaufgerechtes Bauen und konstruktionsgerechter Materialeinsatz dürften sich nicht ausschliessen. Branche und Forschung seien gefordert, ‹holzbauspezifisches Know-how in der Umsetzung kreislaufgerechter Prinzipien zu berücksichtigen und dogmatische Prinzipien kritisch zu evaluieren›.

Für die Umsetzung kreislaufgerechter Holzbauten spielen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. ‹circularWOOD› hat die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und der Schweiz betrachtet. Schweizer Akteure hätten in technisch-konstruktiven Fragen ein weitaus weniger starres Zulassungskorsett als ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen, so die Berichtsautorinnen. Die in Deutschland gültigen Regeln im Umgang mit Bauprodukten würden vielfach als Hemmnis wahrgenommen. Eine qualitativ hochwertige Nachnutzung im Sinne der Wiederverwendung von Bauteilen aus Holz sei zwar im Sinne der politischen Zielsetzung, jedoch faktisch gegenwärtig nicht umsetzbar. Eine Europäische Technische Zulassung auf
Basis einer technisch und wissenschaftlich basierten Bewertungsgrundlage sei dringend notwendig.


Links Schlussbericht ‹circularWOOD› | HSLU | TUM