Lignum Holzwirtschaft Schweiz

‹Wohnraum-Knappheit stoppt die Individualisierung›

Während die Wohnungsleerstände im Rekordtempo sinken, steigen die Angebotsmieten immer stärker. Statt durch bauliche Innenentwicklung erfolgt die Verdichtung unfreiwillig über den Preis – der Wohnraummangel zwingt die Menschen, näher zusammenzurücken. Am Eigenheimmarkt mehren sich die Anzeichen einer Abkühlung und rückläufiger Preise ab 2024. Diesen Ausblick macht Raiffeisen.

Wo wird künftig gebaut? Anzahl Wohnungen in eingereichten Baugesuchen im Verhältnis zum Wohnungsbestand, 3.Q. 2022 bis 2. Q. 2023.
Grafik Raiffeisen

 

Der Schweizer Wohnungsmarkt kippt mit hoher und historisch einmaliger Geschwindigkeit vom Überangebot in den Wohnungsmangel. Trotzdem lässt eine bauseitige Reaktion weiterhin auf sich warten, was für eine anhaltende Angebotsverknappung sorgt. Hinzu kommt, dass die raumplanerisch geforderte Innenverdichtung massiv durch strukturelle Probleme erschwert wird. 

‹Die Lösung dieser Probleme wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Obwohl absehbar und hausgemacht, wurde die Entwicklung zu spät erkannt. Darum besteht jetzt dringender Handlungsbedarf, um die bereits nicht mehr abwendbaren Folgen wenigstens abzumildern›, sagt Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz.

Die Fakten zum Wohnungsmarkt sprechen eine deutliche Sprache. Die Zahl der verfügbaren Mietwohnungen hat sich innert zwei Jahren mehr als halbiert. Mietwohnungen sind im Schnitt nur noch 27 Tage auf Immobilienportalen ausgeschrieben. Das ist eine Woche weniger als noch vor einem Jahr. Die Leerstände haben im laufenden Jahr das mietzinsneutrale Niveau unterschritten. Das heisst, die Marktmieten steigen schneller als das allgemeine Preisniveau. Als Folge hat sich das jährliche Wachstum der Angebotsmieten auf fast 4% erhöht.


Verdichtung geht jetzt über den Preis

Eine zentrale Ursache für die Wohnungsknappheit ist die mangelnde Innenverdichtung. Das hat gravierende Folgen, zumal die Innenverdichtung gemäss Strategiewechsel bei der Raumplanung eine ausreichende Wohnraumproduktion sicherstellen sollte. Denn das neue Raumplanungsgesetz hat das Einzonen von Bauland erheblich erschwert und teilweise sogar verunmöglicht.

Die Liste der Gründe, weshalb die Innenverdichtung deutlich zu langsam Fahrt aufnimmt, ist lang: Einsprachenflut, Überregulierung im Baubereich, Hortung von Bauland, fehlender Wille zu Aufzonungen in den Grossstädten und zuletzt auch steigende Baupreise und Finanzierungskosten. Nun zeigen sich die bereits seit längerem absehbaren Auswirkungen dieser Fehlentwicklungen. Weil das Angebot nicht auf die rege Nachfrage reagiert, passiert die Verdichtung zwangsweise auf der Nachfrageseite – über den Preis.

Aufgrund des fehlenden Angebots und der starken Preisanstiege haben die Haushalte begonnen, ihren Flächenkonsum einzuschränken und innerhalb ihrer Wohnungen zusammenzurücken. Damit einher gehen Wohlstandsverluste. Dazu zählen, abgesehen von einer stetig höheren Wohnkostenbelastung, auch Unannehmlichkeiten wie etwa eine mühsame und langwierige Wohnungssuche, einschneidende Kompromisse bezüglich Flächenbedarf, Lagequalität und Belegungsdichte oder längere Pendelwege.


Eigenheimmarkt bleibt robust

Auch fast zwei Jahre nach dem Ende der Tiefzinsphase trotzen die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum der Zinswende. Die seit längerem erwartete markante Abkühlung bei den Eigentumspreisen ist erst ansatzweise beim Stockwerkeigentum auszumachen. Doch die Anzeichen einer Abkühlung verfestigen sich. Die Nachfrage bleibt deutlich hinter ihrem Niveau der letzten Jahre zurück, und es finden weniger Eigenheimtransaktionen statt.

Dagegen steigt die Zahl der zum Verkauf angebotenen Objekte weiterhin leicht an, genauso wie die Zahl leerstehender Eigenheime. In gewissen Regionen sind die Eigentumspreise erstmals auch auf Jahresbasis leicht gesunken. So etwa die Stockwerkeigentumspreise in den Regionen Bern und Ostschweiz. Weil jedoch das absolute Niveau von Angebot und Leerständen auf dem Eigenheimmarkt noch immer sehr tief ist, hat sich bis anhin das zuvor äusserst dynamische Preiswachstum nur normalisiert.


Link Raiffeisen: Immobilien Schweiz 4. Q. 2023 (PDF, 1.5 MB)